Zen-Impuls der Woche

39. Woche

DAS GEHEIMNIS DES GEWAHRSEINS

Was wäre, wenn wir Zugang hätten zu einer unendlichen Quelle von Weisheit, Liebe und Kreativität? Was wäre, wenn wir immer die richtige Entscheidung treffen könnten, indem wir einfach auf unsere innere Stimme hören? Was wäre, wenn wir uns mit einem Höheren Gewahrsein verbinden könnten, das uns den Sinn unseres Lebens offenbart?

Das klingt vielleicht zu schön, um wahr zu sein, aber es ist möglich. Es ist das Geheimnis des Gewahrseins, das viele spirituelle Traditionen lehren. Gewahrsein bedeutet, präsent zu sein und sich mit dem Fluss des Lebens zu bewegen. Gewahrsein bedeutet, sich selbst und die Welt um sich herum in jedem Moment wahrzunehmen, ohne zu bewerten oder zu analysieren.

Das Gewahrsein ist nicht etwas, das man erlernen oder erwerben muss. Es ist etwas, das man schon immer hatte, aber vergessen oder übersehen hat. Es ist etwas, das man nur wieder entdecken und entwickeln muss. Das Leben versucht nämlich manchmal, uns etwas mitzuteilen, und wir müssen nur lernen, darauf zu hören. Und der beste Weg, das zu tun, ist die Meditation.

Die Voraussetzung dafür, dass wir diese Informationen empfangen können, liegt in der Fähigkeit, still zu werden, zuzuhören und die Signale des Lebens wahrzunehmen. Insbesondere in tiefer Meditation, wenn der Geist sich seiner selbst gewahr wird, können wir Botschaften aus dem Höheren Gewahrsein empfangen, die uns Orientierung und Inspiration geben.

Wenn es gelingt, mit dieser ewigen kosmischen Urquelle Verbindung aufzunehmen, kann sich diese Beziehung positiv auf unseren Alltag auswirken. Die Hinweise können in Form von Intuitionen, Eingebungen, Fügungen oder Synchronizitäten auftauchen. Wir sollten daher aufmerksam und offen für unerwartete Ereignisse und sogenannte „Zufälle“ sein.

Treffen wir z.B. mehrmals hintereinander auf ähnliche Dinge oder Situationen, so kann dies ein Hinweis auf einen bestimmten Zusammenhang oder eine Botschaft sein. Durch das Herstellen einer Verbindung zwischen scheinbar unzusammenhängenden Vorfällen können wir neue Ideen zum Lösen unserer Probleme gewinnen.

Der Grund, warum wir jedoch solche Botschaften verpassen, liegt meist darin, dass wir aufgrund eines starken Egos nicht offen dafür sind, sie zu empfangen. Stattdessen sind wir darauf fixiert, unsere eigenen Pläne voranzutreiben, ohne Rücksicht darauf, welche Richtung uns das Leben weisen möchte.

Es liegt also an uns, unsere Orientierung zu ändern und dem Leben Raum zu geben, uns den Weg zu weisen. Nur dann werden wir die wunderbaren Möglichkeiten entdecken, die auf uns warten, uns zu einem erfüllten Leben zu führen.

 

38. Woche

WIE WIR IN ECHTZEIT LEBEN

Viele Menschen fühlen sich in der heutigen Welt überfordert und gestresst. Sie haben das Gefühl, dass sie ihr Leben nicht mehr selbst in der Hand haben, sondern von äußeren Umständen getrieben werden. Sie sehnen sich nach einem Moment der Ruhe und Stille, in dem sie sich selbst wieder spüren können. Meditation ist eine Möglichkeit, diesen Moment zu finden. Aber Meditation ist mehr als nur eine Entspannungstechnik. Meditation ist eine Kunst, die uns lehrt, wie wir in Echtzeit leben können.

Was bedeutet es, in Echtzeit zu leben? Es bedeutet, dass wir uns nicht von unseren Gedanken und Gefühlen beherrschen lassen, die oft in der Vergangenheit oder Zukunft verhaftet sind. Es bedeutet, dass wir uns voll und ganz auf den gegenwärtigen Moment einlassen, ohne ihn zu bewerten oder zu verändern. Es bedeutet, dass wir uns mit dem Fluss des Lebens verbinden, der immer neu und frisch ist. Es bedeutet, dass wir uns selbst und anderen mit Liebe und Mitgefühl begegnen, ohne Erwartungen oder Anhaftungen.

Ein wichtiger Schritt ist die Praxis der Meditation. Meditation ist eine Übung, die uns hilft, unseren Geist zu beruhigen und zu klären. Indem wir uns auf unseren Atem oder ein anderes Objekt konzentrieren, lernen wir, unsere Aufmerksamkeit zu bündeln und abzulenken. Indem wir unsere Gedanken und Gefühle beobachten, lernen wir, sie anzuerkennen und loszulassen. Indem wir uns in die Leerheit versenken, lernen wir, unser wahres Selbst zu erkennen und zu akzeptieren.

Meditation ist aber nicht nur etwas, das wir auf dem Kissen tun. Meditation ist eine Haltung, die wir in jedem Moment unseres Lebens anwenden können. Wir können meditieren, während wir essen, arbeiten, spazieren gehen oder mit anderen kommunizieren. Wir können meditieren, indem wir uns bewusst machen, was wir tun, wie wir es tun und warum wir es tun. Wir können meditieren, indem wir uns fragen: Bin ich wirklich hier? Bin ich wirklich jetzt? Bin ich wirklich ich?

Wenn wir in Echtzeit leben, werden wir feststellen, dass unser Leben sich verändert. Wir werden mehr Freude und Frieden empfinden. Wir werden mehr Kreativität und Weisheit entwickeln. Wir werden mehr Harmonie und Verbundenheit erleben. Wir werden mehr Sinn und Erfüllung finden. Wir werden mehr leben.

 

37. Woche

HARA – DEINE KRAFTQUELLE
In Fernost hat man immer schon den Bauch für den Sitz menschlichen Lebens gehalten. Das Hara, eingebettet etwa zwei Fingerbreit unterhalb des Bauchnabels, gilt als Energiezentrum des menschlichen Körpers. Das Hara ist mehr als nur ein physischer Bereich; es repräsentiert auch unsere eigene Erdmitte und unsere innere Kraftquelle. Wenn das Hara harmonisch und aktiv ist, fließt die Lebensenergie frei und wir fühlen uns kraftvoll, ausgeglichen und zentriert.

Ein starkes Hara bedeutet nicht nur mehr körperliche Energie, sondern wirkt sich auch auf unsere mentale und emotionale Stabilität aus. Es hilft uns, Stress abzubauen, die Konzentration zu verbessern und unsere emotionalen Reaktionen zu regulieren. Um das Hara zu stärken und unsere Lebensenergie zu aktivieren, können wir in der Meditation durch bewusstes Ein- und Ausatmen unsere Aufmerksamkeit auf das Hara lenken und es mit frischer Energie füllen.

Indem wir das Hara bewusst kultivieren, können wir unsere innere Balance wiederherstellen und eine tiefe Verbindung zu uns selbst aufbauen. Das Hara ist eine wertvolle Ressource, die es uns ermöglicht, unser volles Potenzial zu entfalten und ein erfülltes Leben zu führen. Entdecke die Kraft des Haras und lass seine Energie dein Leben bereichern. Nimm dir Zeit, dich mit deinem körperlichen Zentrum zu verbinden und erfahre die transformative Wirkung, die es auf dein Wohlbefinden und deine Lebensqualität haben kann. (Mehr zu diesem Thema am heutigen Meditationsabend)

 

 

Sommerferien

 

32. /33. Woche

KEIN ENTWEDER-ODER

Wir würden gern liebevoll sein, sind aber momentan nicht in der Lage dazu. Wir möchten sehr gerne helfen, doch irgendetwas in uns blockiert. Wir wollen unbedingt meditieren, finden aber irgendwie nicht den passenden Moment. – Diese merkwürdigen Erfahrungen lassen sich nicht erklären. Es ist einfach so.

Wir können nicht durch unsere Willenskraft steuern, ob wir lieben oder echt mitfühlen; ebenso wenig, wie wir bestimmen können, wann wir in tiefe Versenkung gelangen. Manchmal gibt es in unserem Leben Augenblicke, in denen wir auf eine Situation mit großer Einsicht, viel Mitgefühl und Liebe reagieren – und im Nachhinein sind wir selbst davon überrascht.

Im Grunde ist nichts eindeutig, kein „Entweder-Oder“. Wir Menschen sind beides – mal so, mal so. Auf dem Zen-Weg gibt es keine „richtigen Antworten“. Jeder Tag ist ein guter Tag, um uns in Achtsamkeit zu üben. Deshalb sollten wir auch nicht auf die „Erleuchtung“ warten, um etwas Gutes für die Welt zu tun. Je mehr du dich einbringst, desto gelassener wirst du für den Rest deiner Tage sein.

 

31. Woche

DAS EGO GIBT NIE AUF 

Das Ego ist eine Illusion, die sich im Denkbewusstsein verankert und uns glauben macht, es sei unsere wahre Natur. Wenn wir die Welt nur aus der Perspektive des Egos betrachten, sehen wir alles verzerrt.

Die Wahrheit ist in sich selbst vollkommen. Sie muss nicht erst erworben werden; denn sie jederzeit gegenwärtig ist. Solange wir aber auf unseren Überzeugungen beharren, bleibt sie uns verborgen.

Das Ego ist unnachgiebig. Nur die Weisen lassen ihr Ego los und brauchen keine Selbstbestätigung. Sie streiten sich auch nicht über Ansichten und versteifen sich nicht auf Meinungen. Kluge Menschen lassen sich auch nicht zum Rechthaben und Spekulieren verführen.

Wenn du dich aus den Fesseln deines Egos befreien möchtest, bilde dir keine alternativlosen Überzeugungen, weder aufgrund deines Wissens noch aufgrund deines tugendhaften Verhaltens. Und vermeide, dich mit anderen zu vergleichen.

Was nützen Bewerten und Trennen, Beurteilen und Benennen? Verzichte auf Halbwahrheiten und hör auf, an Meinungen festzuhalten. Wer einsichtig ist, wird die Einheit aller Dinge erkennen und frei und unbeschwert seinen Weg gehen.

 

30. Woche

MOMENTE ZUM ERDEN

Wenn du mal ein paar Minuten Zeit hast, lasse dich ruhig nieder und löse dich in Stille auf. Spüre bewusst den Kontakt zum Boden und versuche dich zu erden. Erinnere dich daran, dass uns die stetige Anziehungskraft der Erde unaufhörlich mit unseren Wurzeln verbindet.

In solchen Momenten können wir uns für die Weisheit unserer inneren kosmischen Kraft öffnen und erkennen, dass wir aus genau derselben Substanz wie Felsen und Feuer, Wind und Wellen bestehen und letztendlich ein Teil der Erde selbst sind.

Fokussiere dich auf die feste Materie deines Körpers und spüre das Gewicht, das auf dem Untergrund ruht. Verweile in dieser Verbundenheit mit der Erde.  –  Lenke nun deine Aufmerksamkeit auf deinen Körper als Träger des flüssigen Elements. Bedenke, dass rund sieben Achtel deines physischen Seins aus Wasser und Blut bestehen.

Richte nun deine Aufmerksamkeit auf die Lebensenergie, das unsichtbare Feuer, das in dir brennt. Spüre diese immense Kraft, die dir zur Verfügung steht.  –  Und lenke schließlich deine Achtsamkeit auf die Luft, die in deine Lungen strömt und Sauerstoff in dein Blut transportiert.

Erkenne die essentielle Bedeutung der vier Elemente für dein physisches Dasein. Auch wenn dein Körper und deine Kraft zeitlich begrenzt sind, praktiziere den Zen-Weg nicht nur für ein langes, gesundes Leben, sondern auch für die Erfahrung des Absoluten Seins.

 

29. Woche

SEHNSUCHT NACH KLARHEIT

In der materiellen Welt wird oft der Fokus auf Geld, Karriere, Besitz und Vergnügen gelegt. Manche Menschen widmen ihr ganzes Leben dem Streben nach immer mehr und geben sich den verschiedensten Verlockungen hin. Viele mögen glauben, dass ihre Welt in Ordnung sei.

Doch wenn wir ehrlich zu uns selbst sind, müssen wir zugeben, dass unter der Oberfläche eine innere Unruhe und Unzufriedenheit brodelt. Diese inneren Unruhen sind die Quelle für unsere äußeren Probleme, mit denen wir uns ständig herumschlagen. Sie wurzeln in der Sehnsucht nach mehr Klarheit.

Die meisten Menschen können nicht mit Sicherheit sagen, was ihre Bestimmung im Leben ist. Zwar wissen sie, welche Ziele sie verfolgen, doch die Frage nach dem Sinn des Lebens bleibt unbeantwortet.

Lasst uns die nächste Gelegenheit nutzen, um unsere Erwartungen, Wünsche und Ansprüche einmal kritisch zu hinterfragen. Wenn wir erkennen, wie sehr unser Leben von der konditionierten Welt beeinflusst wird, können wir vielleicht Änderungen vornehmen: Weniger Verlangen, weniger Ablenkung, weniger Abneigung, weniger Gegeneinander.

Jeder Moment des Lebens ist eine Gelegenheit zur Übung. Warum also nicht mehr Gelassenheit, Achtsamkeit und Stille in unsere tägliche Praxis integrieren? Erst wenn wir bereit sind, den Gedankenstrom loszulassen und jeden eigenwilligen Widerstand aufzugeben, werden wir den Zustand des reinen Gewahrseins immer wieder mühelos erfahren.

 

28. Woche

ETHISCHE SPIRITUALITÄT

Durch das Beruhigen des Geistes und das Loslassen des Gedankenstroms können wir eine Welt jenseits der materiellen Realität erfahren. Doch die tiefgreifende Kraft der Meditation offenbart sich nur dann, wenn wir jegliche Zielsetzungen loslassen – einfach sitzen und nichts erreichen wollen.

Für westliche Denkweisen mag dies schwer verständlich sein, da wir daran gewöhnt sind, dass wir etwas erreichen, indem wir handeln und klare Ziele haben. Jedoch lehrt uns Zen, dass wahre Erfüllung nicht von äußeren Zielen abhängt, sondern von innerer Stille und absichtsloser Hingabe.

Eine spirituelle Praxis und ethisches Verhalten sind grundlegende Voraussetzungen für unsere persönliche Weiterentwicklung. Beides ist notwendig, um eine Balance zwischen spirituellen Werten und dem modernen Leben zu finden. Die Motive für ethisches Verhalten können aus der kosmischen Ordnung, der gesellschaftlichen Notwendigkeit, der Liebe zu allem Lebendigen und der Einsicht, dass alles miteinander verbunden ist, gewonnen werden.

Spirituelle Praxis ohne ethisches Verhalten kann zu Missbrauch führen, wie wir es heute  leider immer wieder erfahren müssen. Ethisches Verhalten ohne spirituellen Hintergrund ist begrenzt und könnte dazu verleiten, dass wir uns lediglich gegenüber unserer Familie und unserer Gemeinschaft ethisch verhalten, jedoch nicht gegenüber Fremden oder Tieren.

Kurz gesagt: Spirituelle Praxis und ethisches Verhalten sind wesentliche Bestandteile eines erfüllten und ausgewogenen Lebens.

 

27. Woche

WAS WIRKLICH ZÄHLT

In tiefen Bewusstseinszuständen werden die Illusionen des Egos, die uns vorgaukeln, dass wir unabhängig von allem existieren können, einfach in der Versenkung verschwinden. Unser Geist bleibt hellwach und plötzlich wird uns klar, dass es da noch viel mehr gibt als unsere eingeschränkte Perspektive von der Welt normalerweise zulässt.

Tief in uns verbirgt sich etwas Geheimnisvolles, das leider bei den meisten Menschen im Laufe des Lebens von einer falschen Identität verdeckt wird. Es hat keine Form, keine Begrenzung und es bleibt unzerstörbar. Es ist unser wahres Selbst, das eins ist mit allem und jede Vorstellung übertrifft.

Der Eine Geist und alle Lebewesen sind eigentlich dasselbe, nur dass manche von uns noch immer krampfhaft an Formen festhalten und nach etwas Göttlichem im Außen suchen. Aber Fakt ist, dass das, was wir sehen, nicht unser wahres Wesen sein kann.

Die allgemeine Verwirrung rührt nämlich daher, dass wir uns vor allem mit vergänglichen Dingen beschäftigen und uns mit ihnen identifizieren. Jedes Mal, wenn wir uns an Besitztümern, Dogmen, Emotionen und Ideen festklammern, legen wir uns selbst in Ketten.

Aber sobald wir unsere Verbundenheit mit allen Wesen entdecken und uns von den Begrenzungen lösen, wird das Zeitlose und Wahre in uns nicht mehr durch das Unwesentliche und Vergängliche verdeckt. Endlich wird klar, was wirklich zählt: unsere wahre Natur.

 

26. Woche

MIT DER NATUR IM EINKLANG

Zen und die Beobachtung von freilebenden Vögeln teilen eine tiefe Verbindung zur Natur. Beide erfordern eine achtsame Präsenz und ein bewusstes Eintauchen in die natürliche Welt. So geht die Kunst der Vogelbeobachtung über das bloße Betrachten hinaus und ermöglicht es uns, uns in den Flug des Vogels, in sein Leben und in die Natur einzufühlen.

Neben dem rationalen Beobachten entwickelt sich mit der Zeit die besondere Fähigkeit, die Kunstfertigkeit des Vogelflugs zu erfassen. Sie öffnet den Blick für die Natur, überwindet die Distanz zwischen Beobachter und Beobachtetem und schafft ein Gefühl der Einheit und Harmonie – ähnlich wie in der Meditation.

Die Kombination von Zen und Vogelbeobachtung – ob im Park, in den Bergen oder am Meer – bietet eine wunderbare Möglichkeit, unsere Sinne zu schärfen und uns mit der Natur und uns selbst zu verbinden. Es erinnert uns daran, dass wir Teil eines größeren Ganzen sind und unser wahres Glück in der achtsamen Wertschätzung der natürlichen Welt liegt.

Während die Zen-Meditation uns lehrt, den gegenwärtigen Moment zu schätzen und uns mit dem Fluss des Lebens im Einklang zu befinden, lädt uns die Vogelbeobachtung ein, die Schönheit und den Rhythmus der Natur zu erkunden. Somit kann sie eine wertvolle Ergänzung zum Zen-Weg sein und uns helfen, den Verstand zur Ruhe zu bringen und uns im Hier und Jetzt zu zentrieren.

Buchtipp: Arnulf Conradi – Zen und die Kunst der Vogelbeobachtung, Kunstmann

 

25. Woche

EINE ART ERLEUCHTUNG

Jeder von uns trägt eine verborgene Flamme in sich, bereit, entfacht zu werden. Allerdings sind viele Menschen sich ihres inneren Feuers nicht bewusst. Es liegt an uns, dieses Licht in uns zum Leuchten zu bringen. Dazu gilt es, die brennende Sehnsucht in uns zu spüren und den Weg der Meditation und Achtsamkeit einzuschlagen. Denn dort liegt der Schlüssel, um unsere Glut zu entzünden.

Der spirituelle Weg führt uns zu einer tieferen Bewusstheit, die nach und nach die bislang unterdrückten Gefühle und körperlichen Blockaden auflöst. Durch Zen können wir in einen Zustand tiefster Entspannung gelangen, in dem wir die Wurzeln unserer Probleme erkennen und letztendlich loslassen können, um die Lebensenergie wieder frei fließen zu lassen.

Plötzlich – vielleicht auch allmählich – erfahren wir jene „offene Weite“, von der im Zen die Rede ist und die für uns von essentieller Bedeutung ist, um den Raum der Stille und der Meditation vollends zu erfassen. Wir finden uns in dieser offenen Weite wieder, in der echte und unverfälschte Begegnungen mit anderen Menschen und der ganzen Vielfalt der Natur möglich sind.

Wenn tiefe Vertrautheit dich zur Hingabe führt, wirst du die Sprache der Stille verstehen und erkennen, dass der mühsame Weg, den du beschritten hast, eine Reise vom Verstand zum Herzen war, von Unwissenheit zur Weisheit, von Trägheit zum Erwachen – zu einer Art Erleuchtung.

 

24. Woche

SELBSTERKENNTNIS

Ein Mönch hatte sich in die Einsamkeit zurückgezogen, um den lärmenden Herausforderungen des Lebens zu entfliehen und sich ganz der Meditation und dem Gebet hinzugeben. Eines Tages erreichte ein Wanderer seine einsame Klause und bat um etwas Wasser. Der Mönch begleitete ihn zur Zisterne, um ihm zu helfen, seinen Durst zu stillen.

In dankbarer Stimmung trank der Fremde das Wasser und fühlte sich etwas verbundener mit dem Mönch. Neugierig fragte er: „Was gibt dir den Sinn und die Bedeutung, in dieser abgeschiedenen Stille zu leben?“ Der Mönch deutete auf das aufgewühlte Wasser in der Zisterne und erwiderte ruhig: „Schau auf das Wasser. Was siehst du?“ Der Wanderer blickte tief in die Zisterne und antwortete schließlich: „Nichts.“

Nach einer kurzen Pause forderte der Mönch ihn erneut auf: „Schau noch einmal auf das Wasser. Was siehst du jetzt?“ Der Fremde blickte erneut in die Zisterne und antwortete diesmal: „Jetzt sehe ich mich selbst!“

„Dann hast du deine Antwort gefunden“, erklärte der Mönch. „Als das Wasser vom Schöpfen noch in Bewegung war, konntest du nichts erkennen. Jetzt ist das Wasser ruhig — und das ist die Erfahrung der Stille: Man sieht und erkennt sich selbst!“

 

23. Woche

ZULASSEN UND LOSLASSEN

In unserem alltäglichen Leben stellen wir uns oft die quälende Frage nach dem „Warum?“, wenn wir einen Verlust erleiden – sei es in Bezug auf unsere Gesundheit, unseren Besitz oder durch den Tod eines lieben Menschen. Unsere Suche nach einer Antwort kann zu lang anhaltendem Leid führen, während wir hoffen, dass wir das Geschehene besser ertragen können, wenn wir den Grund dafür verstünden.

Zen-Meditation hingegen lehrt uns, diese selbstzerstörerische Frage nach dem „Warum?“ loszulassen. Wir treten dabei nicht aus der Realität aus, sondern finden im gegenwärtigen Moment Ruhe. Wir akzeptieren alles, ohne zwischen mehr oder weniger unangenehmen Gedanken und Gefühlen zu unterscheiden. Wir lernen, Dinge anzusehen, ohne uns an ihnen festzuhalten.

Wenn während der Meditation Gedanken oder Unruhegefühle aufkommen, lassen wir uns nicht ablenken und sagen uns innerlich: „Erkennen – annehmen – loslassen – entspannen – und lächeln“. Während der Stille erkennen wir das, was in uns vorgeht – unsere momentane Lebenssituation, unsere Erinnerungen, Hoffnungen, Enttäuschungen und Ängste – als unsere subjektive Wirklichkeit an.

Indem wir unseren Alltag in unsere Meditation einbeziehen, lernen wir, dass meditative Übungen wichtige Begleiter unseres Lebens sein können. Wir versuchen nicht, Ereignisse, die wir nicht ändern können, zu erklären, sondern begegnen unseren Erfahrungen ohne Vorurteile, ohne Bewertungen, ohne Schuldzuweisungen und ohne psychologische, religiöse oder esoterische Interpretationen.

 

22. Woche

FREI UND UNBESCHWERT

Wenn wir uns für Spiritualität interessieren, hören wir, dass unser Ego eine Illusion sei und sich als wahres Selbst tarne. Es habe sich als Ich im rationalen Denkbewusstsein eingenistet und vermittele den Eindruck, als sei es unsere wahre Natur. Doch wer sind wir wirklich, jenseits des Egos?

Buddha lehrte, dass das Ego aus fünf Daseinsgruppen besteht: Körper, Gefühle, Wahrnehmungen, Handlungen und Bewusstsein. Und er warnte davor, dass unser Anhaften an diesem Ego, als einer Art von individuellem Wesen, die Quelle aller Habsucht, allen Leidens und Streites sei. Denn unsere Gedanken erzeugen Emotionen und Wünsche, die Konflikte auslösen.

Solange wir nur aus der Perspektive des Egos heraus handeln, sehen wir die Welt verzerrt. Um uns von dieser Illusion zu befreien, müssen wir unsere egozentrischen Tendenzen erkennen und überwinden. Wir sollten uns nicht ständig mit anderen vergleichen, uns nicht in Halbwahrheiten und Rechtfertigungen verstricken und nicht urteilen und trennen.

Das Loslassen des Egos ist allerdings schwierig, da es ein essentieller Teil unseres Selbstbildes ist. Es ist uns so in Fleisch und Blut übergegangen, dass wir uns eigentlich nicht davon trennen wollen. Doch   sobald wir die Einheit aller Dinge erkennen, können wir uns auf unseren spirituellen Weg begeben und frei und unbeschwert.


21. Woche

DIE WELT VERBESSERN

Die weltweiten Krisen und Nöte sind ein allgegenwärtiges Thema, das uns täglich beschäftigt. Wir alle wissen, dass wir so nicht weitermachen können, aber die Frage bleibt: Wie können wir es besser machen?

Als ein Weiser einst gefragt wurde, wie man die Welt verbessern könne, offenbarte er folgende Erfahrung: In seiner Jugend war er ein Idealist und stellte sich vor, was er alles tun könnte, um die dringendsten Probleme in der Welt zu lösen. Damals bat er den Allmächtigen: „Gib mir die Kraft, die Welt zu verbessern.

Doch mit zunehmendem Alter erkannte er, dass er nicht in der Lage war, einen beliebigen Menschen zu einem Sinneswandel zu bewegen. Deshalb änderte er sein Gebet und bat nur noch um die Gnade, diejenigen zu verbessern, die ihm nahestanden. Doch auch das war ihm nicht möglich.

Als er dann den größten Teil seines Lebens hinter sich hatte, ohne dass er irgendwen oder irgendetwas in dieser Welt verbessert hatte, bat er schließlich nur noch darum, sich selbst zu verbessern. Er erkannte, wie schwierig das war, aber wenn er von Anfang an nur dieses Ziel verfolgt hätte, wäre sein Leben vielleicht sinnvoller gewesen. – Es geht also darum, bei sich selbst anzufangen, um die Welt um sich herum zu verbessern.

 

20. Woche

STRESSFREI MEDITIEREN

Eigentlich besteht die Meditation aus einfachen Übungen, die leicht durchzuführen sind und nur wiederholt werden müssen, bis sie Früchte tragen. Warum also empfinden wir das Meditieren oft als schwierig und anstrengend?

Auch wenn wir entspannt und vollkommen wertfrei praktizieren wollen, kann es manchmal zum Abschweifen des Geistes oder zu Trägheit und Ungeduld kommen. Darauf mit Unmut und größerer Anstrengung zu reagieren, verursacht Widerstand und Frust – und das behindert unsere weitere Entwicklung.

In Wahrheit kämpfen wir nicht mit der Meditation selbst, sondern mit einer unrealistischen Vorstellung und hohen Erwartungen davon, wie es sein sollte. Dadurch fühlt es sich an, als würden wir uns dazu zwingen. Das eigentliche Problem liegt nicht darin, dass die Meditation zu viel Mühe macht oder dass mit uns etwas nicht stimmt, sondern in zu idealistischen Vorstellungen und falschem Ehrgeiz.

Es gibt kein Problem in unserem Leben, das sich nicht löst, sobald wir von uns selbst absehen. Deshalb sollten wir alle Erwartungen fallen lassen und ohne große Anstrengung meditieren. Denn bei der Praxis des Weges geht es nicht darum, etwas zu erreichen – sondern um Hingabe und Vertrauen. Eine Einstellung von freudigem Bemühen und gewissenhafter Beharrlichkeit wäre ein guter Ansatz.

 

19. Woche

DAS PATHOLOGISCHE EGO

Unser Ego besteht aus unseren Gedanken, Überzeugungen und Praktiken und identifiziert sich mit unserem Körper, unseren Gefühlen und Ideen, um sich in der Außenwelt zu zeigen. Das Ego ist eine Illusion, die sich im rationalen Denken verankert und uns glauben macht, es sei unsere wahre Natur.

Ein Mensch, der vom Ego beherrscht wird, erkennt sein Leiden nicht als solches, sondern betrachtet es als einzig richtige Reaktion in bestimmten Situationen. Das Ego kann nicht zwischen einer Situation, ihrer Auslegung und unserer Reaktion darauf unterscheiden. Negative Gemütsregungen werden oft als gerechtfertigt empfunden und irrtümlich als Erfolge verbucht.

Allerdings können sich negative Emotionen – wie Neid, Wut, Angst und Eifersucht, – schädlich auf unsere Gesundheit auswirken. Deshalb ist es wichtig zu erkennen, dass es sich tatsächlich um pathologische Zustände handelt und keineswegs um etwas Erfreuliches. Das Loslassen der Ego-Illusion ist äußerst schwierig, da wir uns seit jeher mit unserem Ego identifizieren. Wenn wir die Welt nur aus jener Perspektive betrachten, sehen wir alles verzerrt.

Daher ist es ratsam, das pathologische Ego zu überwinden, um die Welt klarer sehen und echt erleben zu können. Das erfordert Arbeit und Zeit, weil wir uns von einer tief verwurzelten Überzeugung lösen müssen. Doch es lohnt sich, da wir uns von mentalen und emotionalen Leiden befreien und glücklicher werden können.
Aus „Eine neue Erde“ von Eckhart Tolle

 

18. Woche

NICHTS IST STÄRKER

„Es gibt eine extrem starke Kraft, für die die Wissenschaft bisher noch keine Formel gefunden hat. Es ist eine Kraft, die alle anderen beinhaltet, sie regelt und die sogar hinter jedem Phänomen steckt, das im Universum tätig ist und noch nicht von uns identifiziert wurde.

Diese universelle Kraft ist die Liebe. Wenn die Wissenschaftler nach einer einheitlichen Theorie des Universums suchten, vergaßen sie bisher diese unsichtbare und mächtigste aller Kräfte.

  • Liebe ist Licht, da sie denjenigen erleuchtet, der sie aussendet und empfängt.
  • Liebe ist Schwerkraft, weil sie einige Leute dazu bringt, sich zu anderen hingezogen zu fühlen.
  • Liebe ist Macht, weil sie das Beste, das wir haben, vermehrt und nicht zulässt, dass die Menschheit durch ihren blinden Egoismus ausgelöscht wird.
  • Liebe zeigt und offenbart. Durch die Liebe lebt und stirbt man. Liebe ist Gott und Gott ist die Liebe.

Diese Kraft erklärt alles und gibt dem Leben einen Sinn. Dies ist die Variable, die wir zu lange ignoriert haben, vielleicht, weil wir vor der Liebe Angst haben. Sie ist schließlich die einzige Macht im Universum, die der Mensch nicht nach seinem Willen steuern kann“.

Dies ist ein Auszug aus einem Brief Albert Einsteins an seine Tochter Lieserl, in dem er ihr die „stärkste universelle Energie“ erklärt.

 

17. Woche

UNIVERSELLE ENERGIE


Ein altes Märchen erzählt von den Göttern, die zu entscheiden hatten, wo sie die größte Kraft des Universums verstecken sollten. Sie wollten die Kraft an einem Ort verstecken, an dem sie der Mensch nicht finden könne, bevor er reif genug sei, sie verantwortungsvoll zu gebrauchen.

Einer der Götter schlug vor, sie auf der Spitze des höchsten Berges zu verstecken. Die anderen Götter hatten Bedenken, dass der Mensch irgendwann auch den höchsten Berg besteigen würde. – Ein anderer Gott schlug vor, die Kraft auf dem tiefsten Grund des Meeres zu verstecken.
 Sie erkannten, dass der Mensch auch diese Region erforschen würde. Er würde die größte Kraft des Universums dort finden, bevor er reif dafür sei.

Schließlich sagte der weiseste Gott: „Ich weiß, was zu tun ist. Lasst uns die größte Kraft des Universums, im Menschen selbst verstecken. Dort wird er niemals danach suchen.“ – Und so versteckten die Götter die größte Kraft des Universums im Menschen selbst. Dort liegt sie noch immer und wartet darauf, dass wir sie in Besitz nehmen und weisen Gebrauch von ihr machen. (Erzählung eines Unbekannten)

 

16. Woche

EIN ERFÜLLTES LEBEN

Altern ist ein Prozess, der schon in jungen Jahren beginnt und unaufhaltsam fortschreitet. Doch viele Menschen wollen die eigene Vergänglichkeit nicht wahrhaben. Man könnte meinen, sie dächten, nur andere Leute würden alt und krank und müssten irgendwann sterben. Aber vor den Naturgesetzen sind wir alle gleich, ab der zweiten Lebenshälfte wird jeder Körper schwächer.

Allerdings ein Geist, der gefordert und gefördert wird, altert nicht so schnell.  Wer sich nicht auf seinen Erfahrungen ausruht, kann sich sein Leben lang  weiterentwickeln und immer wieder neuen Aufgaben stellen. Meditations- und Achtsamkeitspraxis helfen uns dabei, etwas für unsere geistige Hygiene zu tun und eine positive Einstellung zum Leben zu gewinnen.

Denn sie rücken nicht nur das Leben im Hier und Jetzt in den Fokus, sondern machen uns auf Blockaden und Begierden aufmerksam und reinigen so den Geist. Dadurch lernen wir, unsere Gedanken und Emotionen besser zu kontrollieren, um uns von falschen Überzeugungen und destruktiven Erinnerungen zu befreien, die auch Ursachen für psychische Probleme sein können.

Wenn wir darüber hinaus auch auf unsere körperliche Gesundheit achten – eine ausgewogene Ernährung, regelmäßige Bewegung, ausreichend Schlaf und soziale Kontakte – werden wir unseren Ruhestand in vollen Zügen genießen. Und mit einem klaren Geist sind wir in der Lage, auch Herausforderungen im hohen Alter zu meistern und ein erfülltes Leben zu führen.

 

15. Woche

FROHE OSTERN!

Hallo ihr Lieben, ich wünsche euch ein schönes Osterfest und hoffe, dass ihr euch an den sonnigen Feiertagen gut erholen werdet. Jeder Augenblick ist zu wertvoll und unwiederbringlich, als dass man ihn einfach so verschwinden lassen sollte. Aber was können wir tun, um die schönen Momente festzuhalten?

Ganz gleich was du denkst, es ist sofort verflogen. Stattdessen atme tief ein und langsam aus – und achte einmal genau darauf, was jetzt gerade ist. Und dann sag ein langanhaltendes „Jaaa“! In diesem „Ja“ kostest du den gegenwärtigen Augenblick voll aus.

Das „Ja“ verfliegt nicht, wie das flüchtige „Jetzt“. Es bleibt bei dir. Das „Ja“ ist stärker als die Zeit. Ist hat Teil an dem, was nicht vergeht. In dem „Ja“ wohnt ein Augenblick Ewigkeit. Du kannst es fühlen.

 

14. Woche

TIEFES SPÜREN

Meditation bietet eine hervorragende Gelegenheit, den hektischen Alltag hinter sich zu lassen und in einen Zustand emotionalen Wohlbefindens einzutauchen. Dabei steht nicht unbedingt die spirituelle Ebene im Vordergrund, sondern vor allem die Umwandlung der Gedankenwelt von einem stressgeplagten in einen entspannten Modus. Diese Erfahrung kann sich wie das Abwerfen einer schweren Bürde anfühlen und sogar Glücksgefühle hervorrufen.

Mit der richtigen Anleitung kannst du dein Bewusstsein wie eine „Wünschelrute“ verwenden, um bestimmte Emotionen aufzuspüren und besser zu kontrollieren. Indem du dich mit zunehmender Aufmerksamkeit auf das Empfinden des Lebens in deinem Innersten fokussierst, entwickelst du ein dynamisches Spürbewusstsein, das dir ermöglicht, dich frei in deinem gesamten Körper zu bewegen.

Meditation kann eine beeindruckende Wirkung auf unseren physischen und psychischen Zustand haben. Dadurch kannst du die heilsame Kraft deines Bewusstseins nicht nur bis in die entlegensten Körperteile lenken, sondern auch emotionale Verletzungen behutsam versorgen. Es ist eine gute Möglichkeit, um sich von negativen Gedanken und Gefühlen zu befreien.

Durch die Verbindung von Atemtechnik und Körperhaltung kann diese Methode sogar zu einer heilsamen Meditationspraxis werden. Dabei geht es nicht nur um Wohlbefinden, sondern auch um das Kultivieren deiner inneren Stärken. Probiere es aus und erlebe selbst, wie Meditation dein Leben bereichern kann.

 

13. Woche

ÜBER DIE LIEBE

Liebe – das wohl tiefgründigste Thema, das uns Menschen bewegt. Doch was bedeutet Liebe überhaupt? Meist wird sie mit intensiven Emotionen, körperlicher Anziehung, Besitzansprüchen, Kontrolle, Sucht, und Erotik assoziiert.

Die „romantische Liebe“ ist ein Modell unter vielen anderen, bei dem vor allem die Verbindung von Sex und Liebe im Vordergrund steht. Leider sind die Erwartungen oft zu hoch und diese Idee daher selten von längerer Dauer. Was wir auch über Liebe zu wissen glauben, es ist letztendlich nur eine Vorstellung.

Eine weit verbreitete Auffassung besagt, dass sich enttäuschte Liebe in Hass verwandeln kann. Doch das ist ein Irrtum, denn Hass entspringt aus Stolz und nicht aus Liebe. In einer Beziehung, in der es nur um süchtig machende Sentimentalität geht, hat es wahrscheinlich nie echte Liebe gegeben.

Wirkliche Liebe hingegen ist bedingungslos, unwandelbar und beständig. Sie schwankt nicht, da ihr Ursprung in der Person liegt, die liebt, und nicht von äußeren Faktoren abhängig ist. Liebe ist nicht intellektuell und geht nicht vom Verstand aus. Echte Liebe ist ein Zustand des Seins und strahlt vom Herzen aus.

Liebe bedeutet wahres Glück, aber obwohl jeder danach strebt, zeigen Umfragen, dass nur wenige diese Bewusstseinsebene erreichen. Wer jedoch den natürlichen Rhythmus von leidenschaftlichen Höhen und alltäglichen Niederungen akzeptiert, kann trotz aller Schwierigkeiten eine liebevolle und stabile Partnerschaft aufbauen, die dauerhaft besteht.

 

12. Woche

BEWUSSTES SEHEN

Manchmal haben wir das Gefühl, dass das Leben einfach an uns vorbeirauscht und wir gestresst von einem Termin zum anderen eilen. In solchen Momenten sehnen wir uns oft danach, aus diesem Schnellzug des Lebens auszusteigen und einfach nur zu sein. Die „Notbremse“ dafür ist die Achtsamkeit.

Achtsamkeit bedeutet, im gegenwärtigen Moment bewusst wahrzunehmen, was um uns herum passiert. Leider nutzen wir diese Fähigkeit viel zu selten. Wie oft schauen wir, ohne wirklich zu sehen? Hören wir, ohne wirklich zuzuhören? Essen wir, ohne wirklich zu schmecken? Reden wir, ohne wirklich etwas zu sagen?

Wirkliches Sehen (bewusstes Wahrnehmen) kann Einsicht, Durchblick und auch Verstehen bedeuten. Hast du zum Beispiel schon einmal ein Gänseblümchen aus der Nähe betrachtet? Es hat in der Mitte einen sonnigen Blütenwirbel. Genau diese radiärsymmetrische Windung taucht auch in der DNA unserer Zellen und in den Sternwirbeln der Galaxien auf, die Milliarden von Lichtjahren von uns entfernt sind.

Wenn du also ein Gänseblümchen wirklich siehst, dann siehst du von hier bis in die Unendlichkeit. In jedem noch so kleinen Teil der Schöpfung liegt die gesamte Geschichte des Universums verborgen. Wie im Kleinen, so im Großen. Sehen ist die Kunst, die Welt wirklich wahrnehmen zu können. Darin liegt das Geheimnis der Achtsamkeit.

 

11. Woche

AUF DEM SPIRITUELLEN WEG

Nur wenn jeder von uns seinen Beitrag für den Erhalt unseres Planeten leistet, können wir gemeinsam etwas erreichen. Durch ein meditatives Leben zum Beispiel kannst du die Welt aus einer anderen Perspektive betrachten und so dazu beitragen, sie zu einem besseren Ort zu machen. Wenn du das erkannt hast, worum es in deinem Leben geht, zögere nicht, es in die Tat umzusetzen.

Viele Menschen verschwenden ihre Energie, um die Illusion eines separaten Selbst aufrechtzuerhalten. Diese Energie steht uns zur Verfügung, wenn wir den Prozess der Wandlung von einem egozentrischen zu einem sich verbunden fühlenden Menschen durchleben. Die Praxis der Meditation und Achtsamkeit in einer spirituellen Gemeinschaft gibt uns Mut und Kraft, dies zu tun.

Allerdings erfordert es schon etwas Selbstdisziplin und Durchhaltevermögen, um auf dem spirituellen Weg voranzukommen. Doch wenn du dich auf das Wesentliche konzentrierst, kannst du deine Sicht auf die Wirklichkeit vertiefen und dein wahres Potenzial an Mitgefühl und Demut zum Wohle aller Wesen entfalten.

Indem wir die kleinen Dinge schätzen lernen, erkennen wir, wie wenig man eigentlich braucht, um ein selbstbestimmtes Leben zu führen und seine Sehnsucht nach Ruhe und Gelassenheit zu erfüllen. Dann können wir die Welt, die Erde, die Menschen, Tiere und Pflanzen mit anderen Augen sehen – und entdecken, wie alles um uns herum voller Wunder ist.

 

10. Woche

MEDITATIVES ERLEBEN

In schwierigen Zeiten suchen viele Menschen Zuflucht in der Stille. Vor allem wohl deswegen, weil uns das eigene Leben immer unwirklicher erscheint. Wir fühlen uns verunsichert und fremdbestimmt. Das Problem liegt in unserer Wahrnehmung. In Gedanken leben wir entweder in der Vergangenheit oder Zukunft und verpassen dabei das wirkliche Leben.

Unruhe ist eine geistige Gewohnheit und Meditation ein natürliches Mittel dagegen. Denn in allen Weisheitstraditionen dient Meditation als unübertroffenes Instrument der Selbsterforschung – als Weg zur inneren Umkehr. Durch regelmäßiges Praktizieren lernen wir, den normalen Gedankenfluss zu beruhigen und uns von negativen Vorstellungen sowie destruktiven Einflüssen zu befreien.

Schließlich kann es uns mit einem gewissen Maß an Selbstdisziplin und Geduld gelingen, in tiefere spirituelle Schichten des Bewusstseins zu gelangen. Frei von Gedanken zu sein bedeutet, in diesem Moment ganz leer zu sein und die Grenzen unseres engen Geistes zu überschreiten, d.h. mit dem Universellen in uns Kontakt aufzunehmen.

Was während der Versenkung in uns auftaucht, geschieht von selbst und löst bei uns keinerlei Reaktion aus, weil es in der Leerheit keine Bewusstheit gibt. Erst wenn das meditative Erleben vorbei ist und das bewusste Denken wieder einsetzt, spüren wir Freude und Gelassenheit. Denn der Geist, der sich selbst erkannt hat, ist frei davon, sich dauernd beschäftigen zu müssen – er ist unabhängig.

 

09. Woche

IM STILLEN GEWAHRSEIN

Durch Meditation lernen wir, unseren Geist und die damit einhergehenden Lebensprozesse besser zu verstehen. Ein gelehriger Geist, der sich beobachtet fühlt, wird von selbst damit beginnen, seine egozentrischen Verhaltensweisen zu hinterfragen und abzustellen.

Achtsamkeit kann dazu beitragen, dass die Intensität des Leidens abnimmt oder Leiden gar vermieden wird, da uns dessen Entwicklung früher bewusst wird. Wenn wir verstehen, wie Gefühle in unserem Bewusstsein entstehen, können wir unsere Haltung ihnen gegenüber ändern.

Denn Wut, Gier und Angst müssen nicht immer eine Quelle des Leidens sein. Sie kommen aus unserem Innersten, und anstatt sie zu bekämpfen, zu leugnen oder uns mit ihnen zu identifizieren, können wir uns bemühen, diese Bewusstseinszustände wohlwollend zu beobachten.

Im meditativen Gewahrsein ist es einfacher, die emotionalen Zustände  ihrem natürlichen Lauf zu überlassen und sie ganz bewusst kennenzulernen. Wenn das geschieht, werden diese Erscheinungen immer seltener und verschwinden schließlich. Beim Meditieren geht es letztlich darum, dass alles zu seinem Ursprung zurückkehrt. – Alles entsteht aus der Stille und kehrt in die Stille zurück.

 

08. Woche

DIE INNERE STIMME

„Sitz nicht so krumm da und beweg dich nicht dauernd.“ Wie oft erlebst du solche Ermahnungen deiner inneren Stimme, während du dich um gute „Haltungsnoten“ beim Meditieren bemühst? „Nein, entspanne mehr. So kannst du doch nicht die ganze Runde überstehen – undenkbar. Nun übst du das schon seit Wochen und kannst nicht mal fünf Minuten ruhig bleiben.“

Diese fortlaufenden Kommentare und Bewertungen deines Egos wollen dir nur die Meditation vermiesen, weil das „kleine Ich“ um seine Daseinsberechtigung fürchtet. Wer kennt nicht solche Situationen? Kaum hat man sich hingesetzt, dann meldet sich die innere Stimme.

Und wenn du versuchst, sie zum Schweigen zu bringen, wird sie nur hartnäckiger. Gib es auf, sie zu beschwichtigen, das endet nur in endlosen Dialogen und verscheucht jedes Meditationsgefühl. Wie aber kann man diese Stimmen verstummen lassen?

Eine alte tibetische Anweisung sagt: „Körper auf dem Kissen, Geist im Körper, Entspannung im Geist.“ Hier wird nichts davon erwähnt, keine Gedanken und kein Geplapper in Kopf zu haben. Sei einfach in deinem Körper und ruhe genau da. Ein ruhender Geist ist das Ergebnis der Praxis, nicht der Methode. Die Methode besteht darin, immer wieder zum Erleben des Atems zurückzukehren und dort zu ruhen. Zurückkehren, ruhen, zurückkehren, ruhen, zurückkehren, ruhen . . .

 

07. Woche

EGO-PLÄDOYER
Ist unser allgegenwärtiges Ego in Wirklichkeit keine Illusion sondern ganz real? In dem „Buch der Geheimnisse“ des zeitgenössischen Autors spiritueller Literatur, Deepak Chopra, habe ich ein Plädoyer für unser Ego gefunden:

S.42 „Ich habe nicht vor, das Ego schlecht zu machen. Ego-Schelte sucht nach einem Sündenbock, dessen Aktivitäten es verhindern, dass die Menschen ihr Glück finden. Denn angeblich ist das der eigentliche Grund, weshalb die Menschen leiden, weshalb sie weder ihr wahres Selbst noch Gott oder die Seele finden. Das Ego, so hören wir, blende uns mit seinen ständigen Forderungen, seiner Gier, seiner Selbstsucht und seiner Unsicherheit. Das ist eine beliebte, aber falsche Anschuldigung, denn wenn wir das Ego in ein dunkles Verlies verbannen, machen wir es zum Feind, und das führt zu noch mehr Trennung und Zersplitterung. Wenn es die eine Wirklichkeit gibt, muss sie alles umfassen. Wir können uns des Egos ebenso wenig entledigen wie des Verlangens.“

S.44 „Ich habe Verständnis für die Menschen, die sich mit dem Ego beschäftigt haben und es so abstoßend fanden, dass sie darauf verzichten möchten. Doch ein Angriff auf das Ego ist am Ende nur ein raffinierter Angriff auf uns selbst. Es hätte keinen Sinn, das Ego zu zerstören, selbst wenn es gelänge. Wenn unser gesamter Schöpfungsapparat intakt bleiben soll, können wir auf das Ego nicht verzichten. Wenn man das Ego seiner hässlichen, angstvollen, gewalttätigen Träume entkleidet, ist es nicht mehr hässlich, angstvoll und gewalttätig. Dann nimmt es seinen natürlichen Platz als Teil des Mysteriums ein.“

 

06. Woche

WAHRE WIRKLICHKEIT
Wenn wir in tiefe Meditation versinken, kann das zu allen möglichen Arten von Erscheinungen führen. Was auch immer in deinem Geist vorgehen mag, lass dich nicht beunruhigen. Meditiere einfach weiter im absoluten Vertrauen. Wenn du nicht anhaftest, werden diese Prozesse, die beim Lösen von physischen Blockaden u.a. als Visionen oder Reflexe auftreten können, bald wieder vergehen.

Alle Aspekte dieser Welt sind mit einer geheimnisvollen Quelle verbunden. Himmel und Erde, Leben und Tod, Pflanzen und Tiere, man selbst und andere Menschen sind so wie Berg und Tal nicht voneinander getrennt. Durch regelmäßiges Meditieren wirst du mit der Zeit deine Sinneswahrnehmungen so verfeinern und deinen Geist so weit beruhigen, dass du dies in dir selbst beobachten kannst.

Es gibt ein schwingendes Energiefeld im Universum, das alles durchdringt. Dieses Feld geschieht nicht um dich herum, es geschieht durch dich. Wenn wir den Prozess der Reinigung durchlaufen haben und in der Lage sind, uns besser zu konzentrieren, können Körper, Geist und Raum als lichterfüllt oder lichthaft wahrgenommen werden. Je weniger Widerstand vorhanden ist, umso leichter kann die Energie fließen. Wenn du Gelassenheit und Gleichmut entwickelst, wird dir die wahre Wirklichkeit bewusst.

 

05. Woche

ALLES KLAR?

Altern ist kein Zustand, der plötzlich da ist, sondern ein ständiger Prozess lebenslanger Vergänglichkeit. Selbst wenn hauptsächlich der Körper altert, muss die Geistesfähigkeit nicht in gleichem Maße abnehmen.

Allerdings ein mit Gier, Hass und Verblendung behafteter Mensch altert geistig oft schon relativ vorzeitig, weil er ausschließlich egoistische Ziele verfolgt und sich von seinen Trieben versklaven lässt. Ein gefangener Geist verfällt ähnlich schnell wie der Körper, wenn man ihn vernachlässigt.

Gesunde Ernährung, körperliche Bewegung sowie geistige Hygiene sind die besten Voraussetzungen für mehr Zufriedenheit und Gelassenheit im Alter. Dabei kann auch regelmäßiges Meditieren sehr heilsam sein. Es rückt nicht nur den Moment, das Hier und Jetzt, in den Fokus, sondern macht uns mit unseren Emotionen, Widerständen und Wünschen vertraut und reinigt so den Geist.

In Kombination mit entsprechender Achtsamkeitspraxis kann es dann gelingen, unsere ich-bezogenen Verhaltensweisen zu verändern. So braucht sich ein anhaftungsfreier Mensch vor dem Alter nicht zu fürchten. Denn ein klarer Geist wird nicht vorzeitig vergreisen, weil er im Einklang mit dem Kosmos lebendig bleibt.


04. Woche

ANGST HAT WAS

In den vergangenen drei Jahren ist eine Krise auf die andere gefolgt und hat bei den meisten von uns viel Angst erzeugt. Was mit der Pandemie begonnen hatte, setzte sich mit dem Ukraine-Krieg fort. Dann beschäftigt uns die  Energiekrise Und nach wie vor fühlt sich die Menschheit vom Klimawandel bedroht.

Angst macht Angst und irgendwann handlungsunfähig. Wenn du die Angst bekämpfen willst, wird sie stärker und baut sich zu einem unüberwindbaren Hindernis auf. Solange du die Angst loswerden willst, bist du mit ihr identifiziert.

Angst kann dich jedoch zu einem tieferen Verständnis führen, wenn du sie als Herausforderung annimmst und zu deinem Lehrmeister machst.  Bitte denke daran, dass es den meisten Menschen genauso geht wie dir. Angst ist die natürliche Wachsamkeit im Hinblick auf potenzielle Gefahren, der Kern unseres Überlebensinstinkt. Hab also keine Angst vor der Angst!

Denn neben ihrer Warnfunktion hat sie auch eine Botschaft für dich. Wenn du in der Meditation nach den Ursachen „deiner Angst“ forschst, wirst du vielleicht Antworten finden, die dir gar nicht gefallen. Vertraue aber auf die Weisheit deines Herzens, wenn es dir zu gewissen Veränderungen in deinem Verhalten rät, um dich von Ängsten zu befreien und dir dein Leben zu erleichtern.


03. Woche

BÖSES ERWACHEN

Weisst du noch, was du vor zehn Minuten gedacht hast? Wenn der normale Gedankenstrom uns überflutet, ist es kaum möglich, sich irgendetwas zu merken. Oder war es etwas Wichtiges, das deine Aufmerksamkeit gefordert hat?

Waren es deine eigenen Gedanken oder die Meinungen von anderen? Übernommene Ansichten werden häufig zu eigenen Überzeugungen und damit irrtümlich für die Wahrheit gehalten. Dabei sind Standpunkte meistens nichts weiter als Interpretationen und haben mit der wahren Wirklichkeit nichts zu tun.

Wenn du dich mit deinen Gedanken identifizierst, begibst du dich in die Abhängigkeit des Egos, das ständig  nach neuen Anreizen verlangt. Das führt in der Regel dazu, dass wir dauernd Zerstreuung suchen oder an materiellen Dingen kleben und unseren „Hunger“ durch maßlosen Konsum zu stillen versuchen –  gefolgt von einem bösen Erwachen.

Die Alternative dazu ist das spirituelle Erwachen, das im tiefsten Inneren des Menschen etwas grundlegend verändert, so dass wir unbeschwerter durchs Leben gehen können , weil vieles ohne Widerstand im Einklang mit dem Kosmos verläuft.

Wer danach strebt, lässt sich nicht länger vom engstirnigen Ego sein Leben diktieren, sondern geht über das Denken hinaus. Durch konsequente Meditationspraxis finden wir zu innerer Ruhe und Gelassenheit, lernen das Wesen der Dinge und unsere eigene Natur zu erkennen sowie Sinn und Bedeutung des Lebens zu erfassen. Weisst du noch, was du vor zehn Minuten gedacht hast? Wenn der normale Gedankenstrom uns überflutet, ist es kaum möglich, sich irgendetwas zu merken. Oder war es etwas Wichtiges, das deine Aufmerksamkeit gefordert hat?

Waren es deine eigenen Gedanken oder die Meinungen von anderen? Übernommene Ansichten werden häufig zu eigenen Überzeugungen und damit irrtümlich für die Wahrheit gehalten. Dabei sind Standpunkte meistens nichts weiter als Interpretationen und haben mit der wahren Wirklichkeit nichts zu tun.

Wenn du dich mit deinen Gedanken identifizierst, begibst du dich in die Abhängigkeit des Egos, das ständig  nach neuen Anreizen verlangt. Das führt in der Regel dazu, dass wir dauernd Zerstreuung suchen oder an materiellen Dingen kleben und unseren „Hunger“ durch maßlosen Konsum zu stillen versuchen –  gefolgt von einem bösen Erwachen.

Die Alternative dazu ist das spirituelle Erwachen, das im tiefsten Inneren des Menschen etwas grundlegend verändert, so dass wir unbeschwerter durchs Leben gehen können, weil vieles ohne Widerstand im Einklang mit dem Kosmos verläuft.

Wer danach strebt, lässt sich nicht länger vom engstirnigen Ego sein Leben diktieren, sondern geht über das Denken hinaus. Durch konsequente Meditationspraxis finden wir zu innerer Ruhe und Gelassenheit, lernen das Wesen der Dinge und unsere eigene Natur zu erkennen sowie Sinn und Bedeutung des Lebens zu erfassen.


02. Woche

INNEN UND AUSSEN  

Das größte Geschenk, das man durch die Zen-Praxis erlangen kann, ist die Erleuchtung. Allerdings wenn wir nur meditieren, bleibt die Praxis eine halbe Sache. Der Zen-Weg führt zwar über die Meditation nach innen, aber danach über die Achtsamkeitspraxis auch wieder nach außen. Nur wenn sich Innen und Außen ergänzen, kann sich das Leben weiterentwickeln.

Achtsamkeit bedeutet, im gegenwärtigen Moment alles wahrzunehmen, was gerade passiert. Doch leider nutzen wir diese menschliche Fähigkeit viel zu wenig. Wie oft schauen wir, ohne wirklich zu sehen – hören wir, ohne wirklich zuzuhören – essen wir, ohne wirklich zu schmecken – reden wir, ohne wirklich etwas zu sagen?

Dabei steht Achtsamkeit praktisch immer zur Verfügung, wenn wir unsere Alltagsroutine unterbrechen. Ein paar Mal tief durchatmen, den eigenen Atemfluss spüren und sich fragen: Wie fühle ich mich in diesem Moment? Was geht mir gerade durch den Kopf? Das Leben wirklich im Hier und Jetzt wahrnehmen zu können, darin liegt das Geheimnis der Achtsamkeit.

Den Zen-Weg zu gehen, bedeutet nicht, abzuheben und herabzuschauen oder vor dem Leben zu flüchten und ins Nirvana auszuweichen, sondern: sich auch seinen Alltagspflichten zu stellen. Den Geist reinigen und das Geschirr spülen sind die zwei Seiten einer Medaille.

 

01. Woche 2023

NUR FÜR HEUTE

Auch gute Vorsätze unterliegen dem Naturgesetz der Vergänglichkeit. Erfahrungsgemäß werden viele Vorhaben die ersten beiden Wochen des neuen Jahres nicht überleben. Wer nicht gleich scheitern möchte, sollte sich nicht zu viel vornehmen, aber konsequent umsetzen, Schritt für Schritt.

Am erfolgreichsten sind Vorsätze für einen überschaubaren Zeitraum. Es genügt die friedliche, ruhige Suche nach dem Guten an jedem Tag, zu jeder Stunde – ohne Übertreibung, aber mit Geduld. Im Zen heißt es: Jeder Tag ein guter Tag. Probiert es am besten heute einmal aus. Hier ein paar praktische Beispiele, die jeder schaffen kann:

Nur für heute werde ich mich bemühen, den Tag besonders achtsam zu erleben, ohne alle meine Probleme auf einmal lösen zu wollen. Nur für heute werde ich eine gute Tat vollbringen oder auf meine „kleinen Sünden“ verzichten – und ich werde es niemandem erzählen. Nur für heute werde ich mir vornehmen, niemanden zu kritisieren oder zu verbessern.

Nur für heute werde ich alle von mir erzeugten Selbstbilder ablegen, einschließlich dem des „bescheidenen Menschen“, des „spirituellen Menschen“ oder dem des „edlen Wohltäters“. – Und schließlich noch etwas für uns alle: Nur für heute werde ich nicht versäumen, an der gemeinsamen Fernmeditation der Lotos Sangha um 19 Uhr teilzunehmen.

 

 

Schwerpunkt-Thema

B e w u s s t e s   S e i n

 

Meditationsabend am 10. September 2023

IM HARA LIEGT DEINE MITTE

In Fernost hat man immer schon den Bauch für den Sitz menschlichen Lebens gehalten. Wenn man in früheren Zeiten Japan besuchte, konnte man Leute finden, die, wenn man sie fragte: „Wo denken Sie?“, auf ihren Bauch gezeigt hätten. Heute würde kein Mensch mehr sagen, dass man im Bauch dächte – es klänge so töricht. Inzwischen haben sie angefangen, im Kopf zu denken.

Aber die Betonung des Bauches ist wichtig. Der Bauch ist die Quelle des Lebens. Du warst mit deiner Mutter durch den Nabel verbunden: erst von diesem Punkt aus begann das Leben in dir zu pulsieren. Der Kopf ist der entfernteste Winkel deiner Existenz, die Mitte bildet der Bauchraum. Deine Existenz, dein Dasein ist dort zu Hause.

Dein Denken mag sich im Kopf abspielen, aber Denken ist eine Spezialisierung. Genauso, wie man seine Hände für bestimmte Zwecke benutzt, seine Beine für andere Zwecke benutzt, die Augen für gewisse andere Zwecke benutzt und Ohren und Nase … genauso benutzt man seinen Kopf, seinen Hirnmechanismus, zum Denken.

Aber wer bedient sich all dessen? Wer bedient sich der Beine zum Gehen, wer bedient sich der Hände und wer bedient sich der Augen? Wer bedient sich dann also des Hirns? Inzwischen schöpft man sogar in der Psychologie des Westens Verdacht, ob die alte Vorstellung stimme, dass der Sitz des Geistes das Gehirn sei. Heute sind große Zweifel laut geworden, dass dem vielleicht gar nicht so sei. Heute haben ein paar Leute zu denken begonnen, dass das Gehirn etwas anderes sei als der Geist.

Wo also ist der Sitz des Geistes? Zen zufolge sitzt er im Bauch, sitzt er unterhalb des Nabel – genau dort, von woher der erste Pulsschlag kam. Man kann dieses ,,Kopf oder Bauch“ auf vielerlei Art und Weise ausdrücken: Intellekt oder Intuition; Logik oder Liebe; Bewusstsein oder Unbewusstsein; der Teil oder das Ganze; Tun oder Geschehenlassen; Tod oder Leben; Haben oder Sein. Diese sieben Variationen sind möglich, und jede ist bedeutsam.

Der Intellekt ist sehr begrenzt; die Intuition ist grenzenlos. Intuition kommt immer aus dem Bauch. Wann immer du das Gefühl hast, dass dir eine Intuition kommt – eine Ahnung – kommt sie immer exakt aus dem Bauch. Dein Bauch spürt es sofort. Wenn du dich verliebst, geschieht das nie vom Kopf her. Das ist der Grund, warum Kopfmenschen sagen: ,,Liebe ist blind“. Das ist sie auch, denn sie hat nichts mit dem Gehirn zu tun. Wenn du dich verliebst, entspringt es einer anderen Quelle.

Wenn man große Wissenschaftler, große Dichter, große Kreative befragt, werden sie ebenfalls sagen, dass, wenn sie ein Aha-Erlebnis haben, es niemals aus dem Kopf kommt, es niemals dem Gehirn entspringt. Es kommt irgendwo von jenseits. Buddha hatte sich sechs Jahre lang abgemüht, hatte alles Erdenkliche unternommen, um zur Erleuchtung zu gelangen, aber es ging nicht. Eines Abends gab er das ganze Vorhaben auf. Er sagte: Die Reise geht nirgends hin und nichts wird passieren und ich gebe jetzt die ganze Sache auf. An diesem Abend schlief er entspannt ein – und nachts wurde er erleuchtet.

Am Morgen, als er die Augen aufschlug, war er ein vollkommen anderer Mensch. Irgendwas war über Nacht geschehen. Von woher? Warum geschieht es gerade dann, wenn du alles Menschenmögliche getan hast? Ja, nur dann geschieht es. Erst wenn alle Kapazitäten deines Gehirns erschöpft sind, beginnt deine Intuition ihr Werk. Das ist eine höhere Energie. Dadurch, dass du dein Gehirn restlos eingebracht hast, wirst du fähig, sie einzusetzen – nur von dort aus kannst du zur Intuition weitergehen.

Intuition arbeitet nicht einfach so. Du kannst nach Bodh Gaya fahren, wo der Nachkömmling des Baumes, unter dem Buddha erleuchtet wurde, noch am gleichen Ort steht, und du kannst dich entspannt unter ihn setzen und sagen: ,,Ich gebe es auf.“ Nichts wird passieren; denn was gibt es da groß aufzugeben? Ohne diese sechs Jahre läuft gar nichts. Es gehört eine enorme Mühe dazu, um zur Mühelosigkeit zu gelangen.

 

Meditationsabend am 13. August 2023

DER MITTLERE WEG

Warum sind wir so unzufrieden? Oberflächlich sagen wir uns vielleicht, unser Unglück entstamme einem Bedürfnis oder Verlangen, das noch nicht erfüllt wurde. Forschen wir nicht tiefer nach, werden wir niemals damit aufhören, unser endloses Verlangen stillen zu wollen. Wenn wir uns wirklich anschauen, was wir zu brauchen glauben, werden wir ein Muster erkennen: Wir schaffen uns einen sehr schmalen Pfad zwischen dem, was wir als gut und akzeptabel beurteilen, und dem, was wir schlecht und inakzeptabel finden.

Wir stellen uns vor, dass es irgendwo zwischen der Liebe und dem Hass dafür, wie die Dinge sind, einen netten Ort der Zufriedenheit und des Behagens geben müsse. Also setzen wir uns dieses Ideal zum Ziel, selbst wenn es nur eine hauchdünne Linie ist. Hin und wieder einmal können wir uns zufrieden fühlen, sobald es uns gelingt, dieses Ideal zu streifen, doch dies geschieht selten und hält nie sehr lange. Die meiste Zeit über fühlen wir uns unzufrieden, und wir hoffen, dass die Dinge besser sein könnten.

Das Problem liegt in unserer Wahrnehmung. Solange wir denken, dass die Unzufriedenheit existiert, weil irgend etwas fehlt, werden wir natürlich weiter nach einem Weg suchen, diesen Mangel auszugleichen. Wir machen damit weiter, zu suchen und uns das nächste Ding anzueignen, und das nächste Ding, und das nächste Ding, von dem wir hoffen, dass es uns den idealen Zustand der Zufriedenheit beschert.

Wie wäre es, wenn wir die Dinge so akzeptierten, wie sie sind? Wenn wir lernen könnten, mit allem, was ist, in Frieden zu sein, dann wäre jeder Tag ein guter Tag. Für das Leben ist es natürlich, Höhen und Tiefen zu haben, und wir sollten damit rechnen, gute Momente und auch schlechte Momente zu erleben. Wenn wir das einfach akzeptieren könnten, würden wir damit aufhören, uns weitere Probleme zu erschaffen. Doch stattdessen schaffen wir unseren sehr schmalen Pfad, unsere eigene Messerschneide der Zufriedenheit.

Buddha erkannte, dass unser Grundproblem in dieser Sichtweise des Lebens liegt. Stets sehen wir die Dinge aus einer selbstbezogenen Perspektive. Indem Buddha sich von der Illusion des Egos befreite, war er fähig, das Leben aus der Perspektive des Großen Geistes zu betrachten, der die Einheit aller Dinge erkennt.

Die Heilung für unser Problem scheint möglich zu sein: Wir müssen nur unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit verändern. Der erste Schritt besteht darin, einzusehen, dass wir das Leben nicht so wahrnehmen, wie es wirklich ist – und das ist, für sich betrachtet, schon sehr schwer.

Es fällt nicht leicht, unsere Perspektive loszulassen, die Art, wie wir die Wirklichkeit sehen, weil all dies damit verknüpft ist, wie wir uns selbst sehen, mit unserer eigenen Identität. Wenn wir unsere Perspektive loslassen, verlieren wir auch unsere Identität – zumindest die Identität, die wir kennen, und darauf sind wir nicht gerade begierig. Das wäre so, als ob wir ganz von vorne anfangen müssten.

Der Buddha lehrte, dass wir Frieden und Zufriedenheit finden können, wenn wir dem Mittleren Weg, traditionell bekannt als der „Edle Achtfache Pfad“ https://zen-weg.de/der-edle-achtfache-pfad/  bzw. als Basis im „Leitbild der Lotos-Sangha“ https://zen-weg.de/unser-leitbild/ verankert. Buddha bezog sich damit jedoch nicht auf einen mittleren Weg, wie ihn sich der Verstand als irgendeine Strategie vorstellt, die dünne Linie zwischen dem, was wir mögen und nicht mögen, zu begehen. Der Mittlere Weg hängt nicht von Urteilen und Vorlieben ab. Er ist in keiner Weise vom Verstand abhängig. Wenn wir versuchen, diejenigen Teile des Lebens auszuschließen, die uns missfallen, wird uns etwas fehlen.

Den Mittleren Weg zu praktizieren, bedeutet weit mehr als nur die Extreme von Genusssucht und Selbstkasteiung zu vermeiden. Er ist vielmehr eine Metapher für eine ganzheitliche Lebensweise, die auf alle metaphysischen Verabsolutierungen verzichtet. Durch eine regelmäßige Meditationspraxis ist es möglich, eine geregeltere Gewohnheit zu entwickeln, den Mittleren Weg zu finden und eine breitere Sicht auf die Dinge zu erhalten. Meditation ist kein Selbstzweck, aber sie verfügt über eine einzigartige Direktheit, Kraft und Erfahrung, was sie vermutlich zum besten Ausgangspunkt für die Praxis des Mittleren Wegs macht.

Leben wir den Mittleren Weg, dann schließen wir überhaupt nichts aus, selbst unsere Unzufriedenheit und das Leiden nicht. Wir lernen, wie wir alle Erfahrungen des Lebens umfassen können, auch Trauer, Schmerz, Streben und Bedürftigkeit. All dies sind Aspekte des Lebens. Wieso sollte man das Leben sezieren, in Stücke schneiden und nur bestimmte Teile für gut befinden?

Wir beurteilen aus Gewohnheit alles, was wir sehen, wenn wir die Welt betrachten. Die täglichen Nachrichten erinnern uns regelmäßig daran, dass sich überall auf der Welt schreckliche Dinge ereignen. Wir sind Zeugen von Krisen und Kriegen, von Terror und Fremdenhass. Wie können wir all dies umfassen? Ist es überhaupt möglich, Frieden und Zufriedenheit zu finden, solange es so viel Leid auf Erden gibt?

In gewisser Weise ist es gut, dass wir so stark auf das Leiden der Welt reagieren. Das bedeutet, dass wir unsere selbstbezogene Sicht abgelegt haben – ganz gleich, wie kurz dies auch sein mag – und unsere Herzen für den Schmerz anderer geöffnet haben. Wenn wir einfach nur bei diesem Schmerz bleiben könnten, anstatt in unsere Gedanken und Urteile zu flüchten, dann bräuchten wir das Leben nicht in akzeptable und inakzeptable Stücke zu zerlegen. Wir könnten das Ganze umfassen, das Leben, wie es wirklich ist. Stattdessen fühlen sich die meisten von uns von dem Schmerz und dem Leiden anderer überwältigt.

Indem wir meditieren und uns einfach mit uns selbst konfrontieren, schaffen wir die Möglichkeit, die Welt zu verändern und sie allmählich zu einem besseren Ort zu machen. Wir verbrauchen enorm viel Energie damit, die Illusion eines separaten Egos aufrechtzuerhalten. Diese ganze Energie steht uns zur Verfügung. Von den Ketten der Selbstbezogenheit befreit, kann unser Herz-Geist sich zu seinem wahren Potenzial ausdehnen, und wir können unser Leben zum Wohle der Welt leben.

 

Meditationsabend am 30. Juli 2023

BEWUSSTES UND LEERES SEIN

Es gibt drei Zustände des Geistes. Der erste ist Bewusstsein mit Inhalt. Dein Verstand beschäftigt sich ständig mit irgendeinem Inhalt – ein Gedanke regt sich, ein Wunsch taucht auf, Ärger, Gier, Ehrgeiz. Ständig sind irgendwelche Inhalte in deinem Bewusstsein. Das Bewusstsein ist nie leer, nie unbeschäftigt. Es ist ständig in Betrieb – Tag und Nacht. Wenn du wach bist, nennst du es Denken, wenn du schläfst, nennst du es Träumen, aber es ist der gleiche Vorgang. Das Träumen ist nur ein bisschen schlichter; es ist ein Denken in Bildern.

Es benutzt keine Konzepte, es benutzt Bilder. Es ist unkomplizierter – wie bei kleinen Kindern; sie denken in Bildern. Darum haben die Bücher für kleine Kinder große, bunte Bilder. Durch Bilder lernen sie die Wörter. In der Nacht wirst du wieder ursprünglicher. Dann vergisst du deine ganze Kultivierung vom Tag und fängst wieder an, in Bildern zu denken – aber es ist das Gleiche. Und die Einsichten des Psychoanalytikers haben ihren Wert – er betrachtet deine Träume. Darin ist mehr Wahrhaftigkeit, weil du im Traum primitiver bist und niemandem etwas vorzumachen versuchst; darin bist du authentischer.

Am Tag umgibst du dich mit einer Persönlichkeit, hinter der du dich versteckst – Schichten um Schichten von Persönlichkeit. Es ist sehr schwierig, den echten Menschen zu finden. Man muss sehr tief danach graben; es tut weh, und die Person leistet Widerstand. Aber in der Nacht legst du mit deinen Kleidern auch die Persönlichkeit ab. Du bist nicht mehr draußen in der Welt, du bist in deinem absolut privaten Bereich. Dort hast du es nicht nötig, dich zu verstecken oder etwas vorzutäuschen.

Darum versucht der Psychoanalytiker, in deine Träume zu schauen, weil sie viel deutlicher zeigen, wer du bist. Es ist das gleiche Spiel des Verstandes, nur in verschiedenen Sprachen. Das Spiel unterscheidet sich nicht. Dies ist der gewöhnliche Zustand des Bewusstseins – Bewusstsein mit Inhalt, Verstand plus Inhalt.

Der zweite Zustand des Geistes ist Bewusstsein ohne Inhalt – das ist Medita-tion. Du bist vollkommen wach und aufmerksam, und es entsteht eine Lücke, eine Pause, in der kein Gedanke auftaucht. Du bist ohne Gedanken. Du schläfst nicht, du bist wach – aber da ist kein Gedanke. Das ist Meditation. Den ersten Zustand nennen wir „denken“, den zweiten „meditieren“.

Und dann gibt es noch einen dritten Zustand. Wenn der Inhalt verschwunden ist, wenn alle Objekte aus dem Bewusstsein verschwunden sind, kann das Subjekt nicht lange weiter existieren, denn Subjekt und Objekt gehören zusammen; sie bedingen sich gegenseitig. Wenn das Subjekt allein übrig ist, kann es noch ein bisschen verweilen, einfach weil es noch Energie hat.

Aber ohne Inhalt kann die Bewusstheit nicht länger bestehen; sie wird nicht mehr benötigt, denn Bewusstheit ist immer Bewusstheit von etwas. Wenn jemand sagt, er sei sich bewusst, kann man fragen, worüber oder wessen er sich bewusst sei. Dann wird er sagen, dass er sich dieser oder jener Sache bewusst sei. Ein Objekt ist nötig, damit das Subjekt existieren kann. Sobald die Objekte verschwunden sind, verschwindet bald auch das Subjekt.

Zuerst verschwinden die Inhalte, dann verschwindet das Bewusstsein darüber. Dieser dritte Zustand heißt Samadhi – kein Inhalt, kein Bewusstsein von irgendetwas. Du musst aber wissen, dass dieser Zustand ohne Inhalt, dieses Bewusstsein ohne Objekt keine Bewusstlosigkeit ist. Es ist ein Zustand von Überbewusstsein, von transzendentalem Bewusstsein. Darin ist sich das Bewusstsein nur noch seiner selbst bewusst. Das Bewusstsein ist auf sich selbst gerichtet – der Kreis ist geschlossen. Du bist nach Hause gekommen. Dies ist der dritte Zustand, Samadhi. Und diesen dritten Zustand hat Buddha Shunyata genannt, die Leere.

Zuerst gibst du die Inhalte auf – du wirst halb leer. Dann gibst du die Bewusstheit auf – du wirst vollkommen leer. Und diese Voll-Leere ist das Schönste, was dir zuteil werden kann, der allergrößte Segen. In dieser Nichtheit, in dieser Leere, in dieser Ichlosigkeit, dieser Shunyata, ist vollkommene Sicherheit und Stabilität.

Sicher wundert dich das: Vollkommene Sicherheit und Geborgenheit, wenn du nicht bist? Alle Ängste verschwinden – denn was ist die Grundangst? Die Grundangst ist die Angst vor dem Tod. Alle anderen Ängste nur spiegeln diese Grundangst wider. Alle anderen Ängste lassen sich auf diese eine Angst zurückführen – die Angst vor dem Tod, vor der Nicht-Existenz: Eines Tages werde ich nicht mehr da sein, eines Tages muss ich sterben.

Jetzt existiere ich, doch der Tag kommt, an dem ich nicht mehr existiere. Das fürchtet jeder, das macht Angst. Um diese Angst zu vermeiden, fangen wir an, uns so zu verhalten, dass wir möglichst lange am Leben bleiben. Wir versuchen, unser Leben sicher zu machen. Wir gehen Kompromisse ein, sichern uns mehr und mehr ab. Wir schützen uns, wo wir nur können – alles wegen dieser Angst. Sie lähmt uns. Denn je mehr du dich schützt, desto weniger lebendig wirst du sein.

Das Leben besteht aus Herausforderungen, in Krisen, und das Leben braucht Unsicherheit. Leben gedeiht auf dem Nährboden der Unsicherheit. Wenn du ungesichert bist, erlebst du dich lebendiger und wacher. Wenn du deine innere Leere erfahren hast, verschwindet alle Angst; denn der Tod hat sich bereits ereignet. In dieser Leere bist du „gestorben“. In dieser Leere hast du dich aufgelöst. Wie könntest du jetzt noch Angst haben? Wovor? Vor wem? Wenn alles verschwunden ist, bleibt nur ein klarer Himmel übrig. Dieser klare Himmel ist Samadhi, das ist Nirvana.

Auszüge aus „Angst“ von Osho, Goldmann Arkana

 

Meditationsabend am 02. Juli 2023

KEIN ICH, KEIN PROBLEM

Die spirituelle Praxis konfrontiert uns mit dem Geheimnis unserer Identität. Wir sind in einem menschlichen Körper geboren. Was ist das für eine Kraft, die unser Leben ermöglicht und uns Form gibt? Die großen spirituellen Lehren der Welt behaupten, dass wir nicht seien, was wir zu sein glauben. Persische Mystiker sagen, wir seien Funken des Göttlichen, und christliche Mystiker sagen, wir seien von Gott erfüllt. – Wir seien eins mit allen Dingen, sagen andere.

Als der Buddha in der Nacht seiner Erleuchtung auf die Frage nach der Identität stieß, kam er zu der radikalen Erkenntnis, dass wir nicht als getrennte Wesen existieren. Er durchschaute die menschliche Neigung, sich mit einer begrenzten Wahrnehmung der Existenz zu identifizieren, und entdeckte, dass dieser Glaube an ein individuelles kleines Ich oder Selbst eine Grundillusion ist, die Leiden erzeugt und uns von der Freiheit und dem Mysterium des Lebens fernhält.

In seinen Lehren beschrieb der Buddha uns Menschen als ein Bündel von fünf Prozessen, deren Charakteristikum ständige Veränderung ist: die Vorgänge im Körper, Gefühle, Wahrnehmungen, Reaktionen und schließlich das Bewusstseins, das all dies erlebt. Unser Gefühl von einem Ich entsteht immer dann, wenn wir uns mit den Mustern dieser Abläufe identifizieren. Dieser Prozess der Identifikation, um von »ich«, »mir« und »mein« sprechen zu können, entzieht sich üblicherweise unserer Wahrnehmung.

Wir können uns mit unserem Körper, unseren Gefühlen oder Gedanken identifizieren oder auch mit Vorstellungen oder Verhaltensweisen. So identifizieren wir uns etwa mit der Rolle des Mannes oder der Frau, mit der des Elternteils oder der des Kindes. Wir benützen unsere Familiengeschichte, unsere Gene und unser Erbe, um zu sein, wer wir sind.

Ebenso können wir uns auch auf unseren Intellekt beziehen oder unser astrologisches Zeichen als Identität setzen. Wenn Taoisten und Hindus davon sprechen, mit dem Wahren Selbst jenseits aller Identität zu verschmelzen, wenn Buddha von Leerheit und Nicht-Selbst spricht, was meinen sie dann damit?

Es gibt viele Möglichkeiten, um die Leerheit des Selbst zu erkennen. Wenn wir still und aufmerksam sind, können wir ganz unmittelbar wahrnehmen, dass nichts in der Welt wirklich unser eigen sein kann. Ganz offensichtlich besitzen wir keine äußeren Dinge; wir haben eine bestimmte Beziehung zu unserem Auto, unserem Heim, unserer Familie, unserem Beruf.

Doch wie immer diese Beziehung sein mag, wir »haben« sie auf jeden Fall nur für eine bestimmte Zeit. Am Ende werden die Dinge, Menschen oder Aufgaben sterben bzw. sich verändern, oder wir verlieren sie. Nichts ist davon ausgenommen.

Auch unser Körper folgt seinen eigenen Gesetzen. Er ist ein „Sack voller Knochen und Flüssigkeiten“, den man nicht besitzen kann. Er altert, wird krank oder verändert sich, weil es seiner Natur entspricht — auf eine Weise, die uns vielleicht gar nicht wünschenswert erscheint. Je genauer wir hinschauen, desto deutlicher sehen wir, dass wir nichts besitzen, innen wie außen.

Einem anderen Aspekt der Leerheit begegnen wir, wenn wir beobachten, wie alles aus dem Nichts entsteht, aus dem Leeren kommt und ins Leere zurückkehrt. Alle unsere Worte von gestern sind verschwunden. Und wohin sind die vergangene Woche, der vergangene Monat, unsere Jugend gegangen?

Sie entstehen, tanzen ein bisschen, und nun sind sie verschwunden, wie die achtziger Jahre, das neunzehnte Jahrhundert, die alten Römer, die Pharaonen und so weiter. Jede Erfahrung vollzieht sich in der Gegenwart, führt ihren Tanz auf und verschwindet wieder. Sie tritt nur vorübergehend in Erscheinung, in einer bestimmten Form und für kurze Zeit; dann endet diese Form und eine neue Form ersetzt sie, von einem Augenblick zum anderen.

Wenn wir in der Meditation unsere Aufmerksamkeit auf unseren Körper oder unseren Geist richten, erleben wir immer mehr Raum und immer weniger Verfestigung. Dann ist Erfahrung etwas Ähnliches wie die Partikel in der modernen Physik, ein Muster, das nicht ganz fest ist, das sich ständig verändert. Sogar die Wahrnehmung, die der Beobachter von sich selbst hat, verändert sich; unsere Perspektiven verschieben sich von einem Augenblick zum anderen.

Wir sind ein sich ständig verändernder Prozess, keine festen Wesen. Innere Reinigung, Freundlichkeit und Aufmerksamkeit können unsere Gewohnheiten bessern, aber keine noch so große Selbstverleugnung oder Selbstkasteiung kann uns von unserem Ego befreien, weil es ein solches nie gegeben hat, nur unsere Identifikation lässt uns das glauben.

Als der amerikanische Psychologe und Meditationslehrer Jack Kornfield einmal in Sri Lanka einen alten Meister nach der Essenz des Buddhismus fragte, lachte der und wiederholte dreimal: „Kein Ich, kein Problem.“

Auszüge aus „Frag den Buddha und geh den Weg des Herzens“ von Jack Kornfield

 

Meditationsabend am 18. Juni 2023

IM LICHTE DES BEWUSSTSEINS

Man kann Meditation als formale Praxis betreiben, ein- oder zweimal am Tag für jeweils eine halbe Stunde, aber das eigentliche Ziel ist es, frisches Bewusstsein in alles hineinzutragen, was wir tun. Ob ich gehe oder stehe, sitze oder liege, ausruhe oder arbeite, allein oder in Gesellschaft bin – stets versuche ich diese gleiche Aufmerksamkeit walten zu lassen. Wenn ich also Brötchen hole, werde ich das Rascheln der Blätter auf dem Gehsteig ebenso wahrnehmen wie meinen verletzten Ärger über eine respektlose Bemerkung in der U-Bahn.

Bewusstheit ist ein Prozess des zunehmenden Annehmens unserer selbst. Sie ist weder kühle Zergliederung des Lebens noch das Mittel, mit dem man sich vollkommen macht. Was sie wahrnimmt, das umfängt sie. Es gibt nichts, was dieses Annehmens unwürdig wäre.

Das Licht des Bewusstseins wird zweifellos auch auf Dinge fallen, die wir lieber nicht sehen würden. Erst wenn wir in der Meditation ganz bewusst auf den Atem achten, merken wir, wie komplex und subtil die damit verbundenen Empfindungen sind, und tauchen bei jedem Ein- und Ausatmen tiefer in die filigrane Vielfältigkeit dieses Geschehens ein.

Wenn wir ruhig und gesammelt und gänzlich empfänglich für den Atem sind, können wir unser Gewahrsein auf andere Körperregionen ausdehnen, z.B. vom Scheitel, über den ganzen Schädel, den Hals, dann durch Rumpf und Gliedmaßen bis zu den Zehenspitzen.

Stellen wir uns die Dinge nicht bildhaft vor, sondern erleben sie sinnlich, als Wärme oder Kälte, Schweregefühl, Spannung, Bewegung, Kribbeln, Jucken. Beachten wir empfindungslose Zonen und erkunden auch diese.

Das mentale Bild unseres Körpers kann idealisiert und fixiert sein (ungefähr unserer Selbstdarstellung im Spiegel entsprechend), aber die sinnliche Erfahrung des Körpers besteht aus einem komplexen Geflecht von Prozessen, das sich keinen Augenblick lang gleichbleibt. Und das sind nicht einfach physische Prozesse.

Zusammengenommen spiegeln sie unsere augenblickliche emotionale Verfassung wider – zufrieden, traurig, obenauf, deprimiert. An bestimmten Stellen (Herz, Kehle, Unterbauch, Sonnengeflecht) pflegen sich die Emotionen ganz besonders zu konzentrieren.

Jede geistige Verfassung ist auch an entsprechenden körperlichen Empfindungen zu erkennen – als wäre der Körper ein Baum voller huschender Gefühle, flüchtiger Gedanken und überraschender Ideen.

Und dann – plötzlich haben wir zu all dem keine Verbindung mehr. Eine Erinnerung, eine Fantasie, eine Befürchtung hat uns ins lockende Halbdunkel der Nichtbewusstheit entführt. Ein innerliches Blinzeln, und schon ist der ganze faszinierende Zauber der Empfindungen verschwunden.

Ein winziger Augenblick der Unachtsamkeit lässt eine Welle von Impulsen herein, die uns wegspült. Minuten vergehen, bevor uns auch nur auffällt, dass wir uns „in einem anderen Film“ befinden.

Mit einem Ruck kommen wir zurück: Die Gedanken stieben nur so (obwohl wir möglicherweise schon vergessen haben, weshalb), das Herz pocht, die Stirn ist feucht. Verunsichert tasten wir uns zum Atem zurück.

Hat der Atem sein Gleichmaß gefunden, können wir die Bewusstheit wieder auf Körperempfindungen, Gefühle, Emotionen, Gedanken ausdehnen, bis wir innerlich so ruhig und klar sind, dass wir schon die ersten Anzeichen ablenkender Impulse bemerken.

Doch das Bemerken genügt nicht. Wir müssen uns entschlossen alles Schwelgen in Erinnerungen und Fantasien versagen, und sei es auch nur für ein paar Sekunden. Sobald wir uns der Ablenkung für einen kurzen Moment überlassen, wird sie uns mitreißen.

Achtsamkeit richtet sich nicht nur nach innen. Wenn wir ruhig und klar genug sind, weiten wir die Aufmerksamkeit auf unsere Umgebung aus: das Gewirr der ständig dem Ohr präsenten Laute; das selbst durch geschlossene Lider wahrnehmbare Spiel von Licht, Schatten und Farbe; Gerüche, die der Nase zugeweht werden; ein noch am Gaumen haftender Geschmack.

Halte bei deinem täglichen Tun gelegentlich inne; lass los von den Sorgen, Fantasien und Plänen, die dich gerade beschäftigen mögen, und nimm die sinnliche Unmittelbarkeit des Augenblicks in dich auf: das tiefe Rumpeln eines Lastwagens, durchschnitten vom erschreckten Zetern einer Amsel.

Meditieren heißt nicht, den Geist leer machen und die Dinge in tranceartiger Erstarrung anglotzen. Nichts von Bedeutung wird sich je zeigen, wenn man irgendeinen Gegenstand nur leeren Blickes anstarrt, wie lange auch immer. Meditieren heißt, mit höchster Sensibilität jeder Wahrnehmung nachzuspüren, jedem Geräusch, jedem Lufthauch und jedem Lichtschimmer.

Je stiller der Geist ist, desto hautnäher wird die Fülle des Lebens. Vom Aufsprudeln der Gedanken bis zum Zusammenbruch von Weltreichen – stets im Wandel und unaufhaltsam bewegt sich diese Welt weiter, getrieben von Umständen, Richtungswechseln aufgrund von Entscheidungen vollziehend, durch Zu- und Zwischenfälle aufgehalten.

Wenn sich die Bewusstheit jedem Detail der Erfahrung mit dem gleichen forschenden Blick zuwendet, macht sie mir sichtbar, dass ich auch ein Teil davon bin: dass es nirgendwo etwas gibt, worauf ich bauen kann, nichts, was ich als »ich« und »mein« bezeichnen könnte.

Auszüge aus „Buddhismus für Ungläubige“ von Stephen Batchelor

Einfach genügsam

Das Streben nach Macht, Reichtum, Ruhm oder sinnlichem Vergnügen macht das Leben sehr kompliziert und geht fast immer auf Kosten anderer. Frieden finden hat viel mit Einfachheit zu tun. Wenn der Geist zu verworren, zu komplex ist, zu viel Strategie bewältigen muss, haben wir kaum eine Chance für Frieden. Frieden und Liebe sind ganz einfache Dinge. Wir sind immer wieder verblüfft, wenn wir irgendwo auf der Welt einem schlichten Menschen begegnen und sogleich spüren: Hier ist gelebte Liebe. Du bist willkommen, du wirst bewirtet, bekommst ein Bett, es ist alles ganz unkompliziert.

Buddhas Botschaft lautet: Setzt euer Verstehen ins alltägliche Leben um! Lernt, mit offenen Händen zu geben! Seid unkompliziert, richtet euch das Leben so ein, dass ihr nicht viele Kühe braucht, auf die ihr aufpassen müsst! Richtet euch ein Leben ein, das einfach von der Hand geht! Das ist die Botschaft der monastischen Lebensweise: wenig Besitz, aus alten Flicken gefertigte Kleidung, keine Haare, die wir täglich pflegen müssen, keine komplizierten Beziehungen.

Kein Frieden ohne Zufriedenheit

Das Streben nach Macht, Reichtum, Ruhm oder sinnlichem Vergnügen macht das Leben sehr kompliziert und geht fast immer auf Kosten anderer. Frieden finden hat viel mit Einfachheit zu tun. Wenn der Geist zu verworren, zu komplex ist, zu viel Strategie bewältigen muss, haben wir kaum eine Chance für Frieden. Frieden und Liebe sind ganz einfache Dinge. Wir sind immer wieder verblüfft, wenn wir irgendwo auf der Welt einem schlichten Menschen begegnen und sogleich spüren: Hier ist gelebte Liebe. Du bist willkommen, du wirst bewirtet, bekommst ein Bett, es ist alles ganz unkompliziert.

Buddhas Botschaft lautet: Setzt euer Verstehen ins alltägliche Leben um! Lernt, mit offenen Händen zu geben! Seid unkompliziert, richtet euch das Leben so ein, dass ihr nicht viele Kühe braucht, auf die ihr aufpassen müsst! Richtet euch ein Leben ein, das einfach von der Hand geht! Das ist die Botschaft der monastischen Lebensweise: wenig Besitz, aus alten Flicken gefertigte Kleidung, keine Haare, die wir täglich pflegen müssen, keine komplizierten Beziehungen.

Die meisten von uns befinden sich jedoch in komplexeren Lebenssituationen. Wir haben einen fordernden Beruf, der auch sehr interessant sein kann. Wir haben eine Familie oder leben in Partnerschaft mit all ihren Schönheiten und Komplikationen. Wir essen und trinken und brauchen ein Dach über dem Kopf – daran ist ja nichts schlecht. Leidvoll wird es dann, wenn wir krampfhaft versuchen, noch mehr zu erreichen und anzuhäufen oder gar vorwiegend auf Kosten anderer unsere Ansprüche auszuweiten, nicht nur um unsere eigene Existenz zu sichern, sondern um unsere Träume zu verwirklichen.

Leidvoll wird es, wenn wir von unserer Gier und unserer Aversion bestimmt werden. Da fangen all die immensen ethischen Probleme an. Wir sind ständig im Dilemma gefangen, dass wir leben wollen und uns immer auf Kosten anderer Lebensformen erhalten. Die Umsetzung unserer Einsichten beginnt da, wo Ethik nicht bloße Theorie bleibt, sondern zu gelebtem Mitgefühl wird. Die Lösung ist nicht im rein Äußeren, sondern grundsätzlich in unserer innersten Absicht zu finden. Diese Umsetzung ist ein lebenslanger Prozess und nicht selten ein Kampf gegen uralte Gewohnheiten. Wir können immer wieder von neuem schauen: Brauchen wir all das wirklich, wovon wir träumen, um glücklich zu sein.

Überall können wir uns in neue Abhängigkeiten und Kreisläufe verwickeln. Geht es tatsächlich nicht auch etwas einfacher? Wenn wir erst einmal unsere Grundbedürfnisse befriedigen können, brauchen wir nicht ständig neuen Wünschen nachzurennen, sondern könnten uns nun fragen, was denn wirklicher Luxus sei. Als der Buddha das Beispiel mit den Kühen gab, machte er seine Mönche auf die Tatsache aufmerksam, dass eine der Schönheiten des monastischen Lebens darin besteht, Zeit zu haben für die Praxis.

Brauchen wir all das wirklich?

Die meisten von uns befinden sich jedoch in komplexeren Lebenssituationen. Wir haben einen fordernden Beruf, der auch sehr interessant sein kann. Wir haben eine Familie oder leben in Partnerschaft mit all ihren Schönheiten und Komplikationen. Wir essen und trinken und brauchen ein Dach über dem Kopf – daran ist ja nichts schlecht. Leidvoll wird es dann, wenn wir krampfhaft versuchen, noch mehr zu erreichen und anzuhäufen oder gar vorwiegend auf Kosten anderer unsere Ansprüche auszuweiten, nicht nur um unsere eigene Existenz zu sichern, sondern um unsere Träume zu verwirklichen.

Leidvoll wird es, wenn wir von unserer Gier und unserer Aversion bestimmt werden. Da fangen all die immensen ethischen Probleme an. Wir sind ständig im Dilemma gefangen, dass wir leben wollen und uns immer auf Kosten anderer Lebensformen erhalten. Die Umsetzung unserer Einsichten beginnt da, wo Ethik nicht bloße Theorie bleibt, sondern zu gelebtem Mitgefühl wird. Die Lösung ist nicht im rein Äußeren, sondern grundsätzlich in unserer innersten Absicht zu finden. Diese Umsetzung ist ein lebenslanger Prozess und nicht selten ein Kampf gegen uralte Gewohnheiten. Wir können immer wieder von neuem schauen: Brauchen wir all das wirklich, wovon wir träumen, um glücklich zu sein.

Überall können wir uns in neue Abhängigkeiten und Kreisläufe verwickeln. Geht es tatsächlich nicht auch etwas einfacher? Wenn wir erst einmal unsere Grundbedürfnisse befriedigen können, brauchen wir nicht ständig neuen Wünschen nachzurennen, sondern könnten uns nun fragen, was denn wirklicher Luxus sei. Als der Buddha das Beispiel mit den Kühen gab, machte er seine Mönche auf die Tatsache aufmerksam, dass eine der Schönheiten des monastischen Lebens darin besteht, Zeit zu haben für die Praxis.

Zen ist unfassbar

Mit unserer logischen Denkweise ist es vollkommen unmöglich, unser ursprüngliches wahres Wesen zu ergründen. Deshalb halten wir im Zen nichts von abstrakten Erklärungen und mühseligen Debatten. Alle Philosophien sind nur verstandesmäßige Spekulationen. In den Augen der alten Zenmeister waren alle buddhistischen Schriften nur wertloses Papier.

Zen zeichnet sich durch Unabhängigkeit aus und lässt sich nicht durch weitschweifige Erörterungen verstehen. Es ist stets von erfrischender Direktheit, ohne alles übliche Drum und Dran, und somit eine Sache der reinen Erfahrung. Zen will unsere Verhaftungen an Worte und unsere konditionierte Vorstellung von Körper, Geist und Welt zerstören, damit wir aus dem Traum von Geburt und Tod erwachen. Zen ist unfassbar, es erhebt sich über jede Logik des sogenannten gesunden Menschenverstandes und wendet sich unmittelbar an die Intuition des Menschen.

Deshalb bleibt es für denjenigen unverständlich und rätselhaft, der glaubt, Zen ausschließlich mit seinem Verstand erfassen zu können. Aber da wir Menschen in unserem blinden Vertrauen auf unseren Verstand alles mit dem Kopf machen wollen, haben wir uns den Zugang zur Erkenntnis jenseits aller Worte selbst verbaut. Hinter jeder Antwort, die wir mit den Mitteln des unterscheidenden begrifflichen Denkens gefunden haben, erhebt sich eine neue Frage.

Das Unterwegssein ist das Ziel

Und je mehr wir auf das Ziel zugehen, umso mehr entfernen wir uns von ihm. Deshalb hat Zen auch kein Ziel, sondern verfolgt nur eine Richtung: Denn im Zen ist der Weg, das Unterwegssein das Ziel. Auf dem Weg des Erwachens zu unserem wahren Selbst, geht es vor allem darum, dass wir uns von dem verselbständigten, unterscheidenden Denken befreien, dass wie dunkle Wolken unser wahres Wesen verhüllt. Wir könnten unser wahres Wesen sofort in diesem Augenblick erfahren, aber wir können es deshalb nicht, weil unser Bewusstsein nicht im Augenblick verweilen kann, weil unsere Gedanken ständig weiter wandern.

Wir neigen im allgemeinen dazu, scheinbar einleuchtende Fragen zu stellen und uns unwirrbar in diese zu verstricken. Solange wir uns nur auf unseren Verstand verlassen, haben wir keine Möglichkeit diesem Teufelskreis zu entrinnen. Deshalb heißt es im Zen: Lass alles hinter dir, wirf deine vorgefassten Anschauungen fort und erkenne die Dinge so, wie sie sind.

Man sollte wirklich alles hinter sich lassen, selbst die buddhistische Richtung, der man sich zugehörig fühlt. Man braucht für den Zen-Weg und die Meditation nichts Äusseres! Keinen Dojo, keine Buddha-Bilder, keine Räucherstäbchen, kein Sitzkissen, keine Mönchsrobe und keinen kahl geschorenen Kopf – dies ist alles nur Anhaftung und eine Hürde auf dem Weg. Dein Dojo ist genau da, wo Du gerade stehst, und Dein Meditationsplatz ist genau unter Deinen Füssen – lass Dein gesamtes Leben Meditation sein, bei jedem Schritt.

Es mag für Anfänger einen gewissen Reiz haben, seltsame ostasiatische Riten zu erleben, Weihrauch zu riechen und sich vor einer Buddha-Statue zu verbeugen – aber das hat Buddha alles nicht so gewollt und nicht dazu geraten! Buddha wollte keine Religion gründen; im Gegenteil, er betonte die Nutzlosigkeit religiöser und ritueller Übungen.

Vieles ist nur schöner Schein

Rituale, Kleidung, Klanginstrumente, die im Laufe der Geschichte in Zen-Klöstern des Fernen Ostens eingesetzt wurden, spielen heute bei uns im Westen noch eine wichtige Rolle und verdecken oft das Wesentliche. Manche Zen-Meister haben dies schon erkannt und als Dualität und Anhaftung entlarvt.

Das, was wir hier bei unseren Meditationsabenden an Riten, Instrumenten und Funktionen übernommen haben, dient hauptsächlich der Orientierung und ist relativ stark reduziert. Aber wir müssen darauf achten, dass die Form nicht zum Selbstzweck wird und wir nicht die Anhaftung daran unterschätzen. Natürlich kann der äußere Rahmen „schön“ sein, vielleicht auch noch ein klein wenig hilfreich, aber die innere Einstellung und das innere Geschehen sind weitaus wichtiger.

Warum eine Sangha?

Wenn wir ernsthaft Meditation üben, merken wir mit der Zeit, dass wir uns auf eine Reise begeben haben, die viel Freude und Zufriedenheit, aber auch allerlei Schwierigkeiten mit sich bringen kann.

Unsere Inspiration unterliegt starken Schwankungen. Wir werden unseren oft sehr hoch gesteckten Idealen nicht gerecht, sehen immer klarer, wie sehr unser Leben durch oftmals wenig hilfreiche Gewohnheiten bestimmt wird. Und mit unserer Fähigkeit uns zu sammeln und dem Wunsch, immer öfter tiefe Einsichten in die Natur der Dinge zu erlangen, klappt es auch nicht so, wie vielleicht anfangs mal erhofft.

Schließlich müssen wir zugeben: Ohne Unterstützung kommen wir auf unserem Weg nicht weiter. Selbstverständlich können wir die von einem spirituellen Lehrer oder Meister erwarten. Doch der ist selten zur Stelle. Und entsprechende Seminare kosten Zeit und Geld.

Beistand kann aber auch in Form von Ratschlägen aus einer Sangha erfolgen. Das ist eine spirituelle Gemeinschaft, die sich im Laufe der Zeit von Menschen gebildet hat, die verbindlich einen spirituellen Weg mit anderen zusammen gehen und die dabei erlebten Freuden und Schwierigkeiten miteinander teilen wollen. Jede Gruppe von Menschen kann als Sangha praktizieren, als eine Gemeinschaft, die entschlossen ist, in Harmonie und Bewusstheit zu leben. Alles, was dafür nötig ist, ist, gemeinsam in Richtung Frieden, Freude und Freiheit zu gehen.

Hier finden wir vielleicht Menschen, die sich in unsere Situation versetzen können und die uns helfen, unsere Meditationspraxis zu verbessern oder die spirituellen Prinzipien in unserem Leben zu üben. Auf jeden Fall gibt es dort jemanden, der uns zuhört und ein wenig emotional unterstützt, der uns hilft, die Quelle unserer Inspiration wieder zu finden oder einen Tipp gibt, wie ein zwischenmenschlicher Konflikt gelöst werden kann.

Auch spirituelle Gemeinschaften bestehen meistens aus ganz normalen Leuten mit guten und weniger guten Eigenschaften. Neben all dem Guten und Inspirierenden begegnet man auch Schwächen, unachtsamem Verhalten und Problemen aller Art – kurz gesagt, dem Leben wie es jeder kennt. Gemeinsam profitieren wir von unseren Stärken und lernen von unseren Schwächen.

Eine Sangha ist durch die Praxis der Achtsamkeit, Konzentration und Einsicht verbunden und eröffnet daher nahezu unerschöpfliche Möglichkeiten, liebevolle Güte und Einfühlungsvermögen zu kultivieren und im Umgang mit anderen zu praktizieren. Eine Sangha ist so etwas wie eine spirituelle Familie, ein lebender Organismus. Sie ist kein Verein, dem man einfach beitreten kann.

Die Meditationsabende beginnen in der Regel mit einer Tee-Zeremonie, es folgen Enspannungsübung, ein Kurzvortrag über Zen und Meditationspraxis, eine geführte Achtsamkeitsmeditation, eine Meditation in Bewegung und eine Zen-Meditation in Stille. Abschließend gibt es Gelegenheit zum Gedankenaustausch.

Da viele die gemeinsame Praxis insbesondere auch zur Stärkung ihrer individuellen Praxis nutzen, richten sich die Themen, mit denen wir uns befassen, auch sehr nach dem, was uns gerade in unserem Leben beschäftigt. Unsere Gespräche stellen damit auch eine fortgesetzte Erkundung dessen dar, was es bedeutet, an unserem Platz in dieser Welt ein Leben in Achtsamkeit zu leben.

Sangha bedeutet auch ein besonderes Kraftfeld. Wir aktivieren diese Sangha-Energie durch das gemeinsame Meditieren, aber auch durch gemeinsame Unternehmungen und durch gemeinsamen Spaß. Wichtig für uns alle ist es auch, sich immer wieder folgende Frage zu stellen: „Was kann ich geben?“ Würde man, wie es häufig in unserer Welt geschieht, die Frage „Was kann ich bekommen?“ voranstellen, wären wir weit von einer positiven Entwicklung entfernt.

Die produktive und befreiende Frage nach dem eigenen Einsatz setzt freudvolle Energie frei. Die entspannte, absichtslose Aktivität macht uns zugleich offen und der natürliche Ausgleich von Geben und Nehmen im Geist und der Welt führt immer wieder dazu, dass wir mit Glück und Freude beschenkt werden.

Denn uneigennützige Arbeit für andere führt zum Aufbau sehr guter Eindrücke im eigenen Geist: Es ist das „Verdienst“, von dem Buddha im Zusammenhang mit positiven Handlungen spricht. Zugleich bedeutet es den Aufbau von Weisheit, weil wir in der völligen Konzentration auf die Arbeit und dem Verständnis, dass wir von den anderen letztlich nicht getrennt sind, Raum immer weniger als Trennung und immer mehr als etwas Verbindendes begreifen.

 

 

Leben im Hier und Jetzt

„Das Leben ist, was die ganze Zeit real stattfindet, während wir mit anderen Dingen beschäftigt sind“, hat John Lennon einmal treffend gesagt. Die meisten Menschen leiden, weil sie ihre Arbeit, Beziehungen, Verpflichtungen und ihre ganze Identität mit dem wirklichen Leben verwechseln.

Achtsamkeit spielt im Leben eine zentrale Rolle. Sie rückt den Moment, das Hier und Jetzt, in den Fokus. Meditation ist ein Weg der Achtsamkeit – hinein ins echte Leben. Sie ist die intensivste Methode, um unsere Innenwelt kennenzulernen. Wenn ich weiß, wie ich funktioniere, wenn ich die inneren Muster und Abläufe erfahre, dann kann ich bewusst Einfluss darauf nehmen. Bei der Meditation können wir nicht nur unseren Geist beobachten, sondern auch im Laufe der Zeit durch tiefere Einsichten ganz neue Seiten in uns entdecken – eventuell sogar unsere wahre Natur.

Achtsamkeit bedeutet die Fähigkeit, die Aufmerksamkeit ganz dem gegenwärtigen Moment zu widmen und dabei die innere und äußere Realität wahrzunehmen, ohne sie zu bewerten. Den meisten Menschen fällt es heute schwer, angesichts vielfältiger und permanenter Belastungen im täglichen Leben innerlich zur Ruhe zu kommen. Die Notwendigkeit, verschiedene Anforderungen gleichzeitig zu bewältigen, verstärkt den Druck. Vor lauter Pflichten, Aufgaben und Nöten geht der Blick für den gegenwärtigen Augenblick verloren. Warum geschehen so viele Unfälle in Beruf, Verkehr und Haushalt, Ungeschicklichkeiten, Missverständnisse in der Kommunikation untereinander?

Mit Achtsamkeit voll im Trend

Gleichzeitig wächst jedoch die Sehnsucht einmal inne zu halten, wieder zu Atem zu kommen und so neue Kraft zu schöpfen. Der Begriff ,,Achtsamkeit“ ist fast zum Modewort geworden. Aber, wer übt sie im Alltag? Die Fähigkeit, sich ganz auf die Gegenwart einzulassen, ist lernbar. Es geht dabei darum, für sich einen Weg zu finden, um mit den Belastungen im eigenen Leben, mit sich selbst und mit nahestehenden Menschen, achtsam und liebevoll umzugehen.

Dabei wollen wir mit Hilfe von Meditation lernen, uns immer mehr von Gedanken an die Vergangenheit und von Sorgen um die Zukunft zu lösen, um bewusst im Hier und Jetzt zu leben. In der Stille, im Abstand vom Getriebe des Alltags wollen wir uns einüben im achtsamen Wahrnehmen des Augenblicks.

Die Aufgabe ist, die Achtsamkeit und geistige Gegenwart beständig aufrechtzuerhalten. Deshalb wollen wir heute sehr wenig sprechen, um einander nicht zu stören und uns gegenseitig nicht abzulenken. Das Hauptwerkzeug, sich in Achtsamkeit zu üben, ist der Atem. Er bildet die Brücke zwischen Körper und Gedanken. Immer, wenn unser Geist zerstreut ist, sammelt man ihn wieder mit dem bewussten Atem. Dieses Verfahren hilft, die ungeteilte Aufmerksamkeit auf die Übungen und die tiefe Innenschau zu richten.

Die Achtsamkeit ist ein Werkzeug, um mehr Herrschaft über unsere körperlichen, geistigen oder seelischen Aspekte zu erlangen. Sie kann uns helfen, mit jeder Lebenssituation bewusst und intelligent umzugehen. „Achtsamkeit ermöglicht uns, jede Minute unseres Lebens ganz zu leben. Achtsamkeit schenkt uns Leben,“ sagt Zen-Meister Thich Nhat Than. – Achtsamkeit ist der Schlüssel zu Liebe und Frieden.

 

Die große Erfahrung

Die Wurzeln der Meditation reichen 2.500 Jahre zurück bis zum historischen Buddha in Indien. Sein Leben zeigt als ältestes Vorbild der Menschheitsgeschichte, wie man aus eigener Kraft zu Erleuchtung und Vollkommenheit gelangen kann. Buddha war auch der erste, der die ursprüngliche Meditationsform aus ihrer asketischen Einengung der Weltabkehr befreite und in eine praktische Übung für jeden zur Bewältigung seiner Lebensaufgabe umwandelte.

Die Meditation dient zur Vorbereitung dieser „Großen Erfahrung“, jener mystischen Wirklichkeit von Erleuchtung bzw. Wesensschau, die gemeinhin als Ziel der Meditationsübung angesehen wird. Ein solches Ziel darf es aber eigentlich im Sinne der Selbstlosigkeit gar nicht geben. Die „Erfahrung“ kann deshalb auch nicht herbeigeführt werden – und sei es durch noch so intensives Üben.

Man darf die Erleuchtung nicht suchen, nicht erwarten, nicht erhoffen, man kann sich höchstens von ihr finden und erfassen lassen. Wo diese Erfahrung in einem Menschen stattgefunden hat, da formt und prägt sie Ausdruck und Haltung, bis sie im Leben und Sein des Einzelnen vollkommen integriert und dann in seiner Erscheinung erkennbar ist, insbesondere für einen anderen Erfahrenen.

Wer sich mit Meditation beschäftigt, wird bald erkennen, dass es ihm eine vollkommen neue Perspektive auf sich und die Welt ermöglicht. Die Einsicht in das eigene Wesen, mit der im Idealfall die Einsicht ins Wesen aller Dinge verbunden ist, das ist es, was Meditation auch für viele Menschen hier im Westen so attraktiv und wertvoll macht, auch wenn sie nur bestimmte Bereiche in ihren Alltag integrieren können.

Das Geheimnis des Zen liegt in der Praxis der Meditation: In einer Haltung tiefer Konzentration einfach nur sitzen, ohne Ziel und ohne Streben nach Erleuchtung. Die Meditation führt nicht in die Isolation, sondern wirkt sich positiv auf Körper und Geist aus. Denn sie führt beide zurück zu ihrem ursprünglichen Zustand. Das ist der Weg zu unserer wahren Natur.