Zen-Impuls der Woche

41. Woche 

DER WEG ZUR WEISHEIT

„Gestern war ich klug, also wollte ich die Welt verändern. Heute bin ich weise, also ändere ich mich selbst.“ Diese Gedanken des Sufi-Mystikers Rumi spiegeln eine wichtige Erkenntnis wider, die gerade in der heutigen Zeit von großer Bedeutung ist.

Oft erleben wir das Leben als chaotisch und konfliktbeladen. Wir suchen Wege, die äußeren Umstände zu verändern. Doch der wahre Schlüssel zum Frieden könnte darin liegen, bei uns selbst zu beginnen.

Rumi beschreibt einen universellen Prozess: den Übergang von Klugheit zu Weisheit. In der Jugend glauben wir oft, durch unser Handeln die Welt verbessern zu können. Diese Überzeugung ist inspirierend, doch mit der Zeit merken wir, dass Veränderungen im Außen oft flüchtig sind.

Weisheit entwickelt sich durch Erfahrung. Wenn wir nach innen schauen, erkennen wir, dass die äußere Welt oft ein Spiegel unseres inneren Erlebens ist. Anstatt die Verantwortung für unsere Umgebung abzugeben, könnten wir uns bewusst machen, dass wir die Gestalter unserer Realität sind.

Aus der Zen-Perspektive betrachten wir die Welt durch die Brille unseres Geistes. Um Veränderungen in unserem Leben zu erfahren, ist es hilfreich, unseren Geist zu klären. Achtsamkeit und Meditation bieten uns die Möglichkeit, unsere Gedanken und Emotionen beobachtend wahrzunehmen.

Wenn wir uns verändern, verändert sich auch unsere Wahrnehmung der Welt. Oft sind es kleine Schritte, die große Auswirkungen haben. Selbstreflexion unterstützt uns dabei, uns selbst besser kennenzulernen – unsere Ängste, Wünsche und Verhaltensmuster.

Oft entdecken wir, dass die Wurzeln unseres Leidens in den Anhaftungen und Illusionen liegen, die wir selbst erschaffen. Wenn wir uns von diesen mentalen Fesseln befreien, können wir die Wirklichkeit klarer und unverzerrt wahrnehmen.

Rumis Gedicht erinnert uns daran, dass wahre Weisheit nicht im Streben nach Kontrolle oder Einfluss liegt. Vielmehr besteht sie in der Fähigkeit, uns selbst zu erkennen und zu transformieren. Wenn wir den inneren Weg gehen, begegnen wir nicht dem Starken in uns, sondern dem Suchenden, dem Zweifelnden, dem Nichtwissenden, dem Hilflosen . . .

Diese innere Reise kann der Schlüssel zu einem friedvollen und erfüllten Leben sein. Denn genau dann, wenn wir unserer Ohnmacht begegnen, nicht weglaufen, sondern wenn wir unsere Verletzlichkeit, unser Nichtwissen, unsere Hilflosigkeit zulassen und es mit uns aushalten, dass dann uns von innen her Kraft zufließt

Aber es ist nicht die Kraft des Egos, sich durchzusetzen, in den Kampf zu ziehen und die Dinge zu verändern. Es ist genau der umgekehrte Weg.

Verletzlichkeit ist der Schlüssel zu einem selbst und damit für gute Beziehungen zu anderen. Wir Menschen brauchen einander. Unsere Gehirne und Nervensysteme, unser Fühlen und Handeln erwachsen aus Verbindungen mit anderen.

Spirituelles Wachstum ist nur möglich, wenn ich den tragenden Grund in mir erfahre, wenn ich eine neue Verbindung zu mir finde, die tiefer geht – zu meinem wahren Selbst – erkenne ich mein Gegenüber als meinen Verbündeten, als meinen Gefährten – als mich selbst.

Die Mystik sagt: Liebe deinen Nächsten – du bist es selbst. Ich selber bin der Andere. Und wie gehe ich mit dem Anderen um, der ich selber bin. Das heißt, wenn ich ihn verletze, spiegelt es nur den Umgang mit mir selber.

 

40. Woche

VON GEIST ZU GEIST

Im Zusammenhang mit dem Thema des Zen-Impulses der vergangenen Woche „Im Einklang mit dem Kosmos“ erscheint folgende Frage noch interessant: Hat die Geist-zu-Geist Übertragung eines Zen-Meisters auf seinen Schüler etwas mit dem Resonanzgesetz zu tun?

Ja, die Geist-zu-Geist-Übertragung vom Meister auf den Schüler kann in gewisser Weise mit dem Resonanzgesetz in Verbindung gebracht werden. Hier sind einige Ansätze, um die Parallelen zwischen diesen beiden Konzepten zu verdeutlichen:

Im Zen wird angenommen, dass Meister und Schüler nicht nur auf intellektueller, sondern auch auf energetischer Ebene miteinander verbunden sind. Diese energetische Verbindung kann als eine Art Resonanz betrachtet werden, bei der die Schwingungen und Frequenzen des Meisters und des Schülers aufeinander abgestimmt sind.

Das Resonanzgesetz besagt, dass zwei Systeme in Resonanz gehen, wenn sie ähnliche Frequenzen haben. Wenn ein Schüler im Achtsamkeits- oder Meditationszustand mit dem Meister in Kontakt tritt, kann es zu einer Synchronisation ihrer energetischen und geistigen Zustände kommen, was zu einem tieferen Verständnis und einer Übertragung von Einsicht führt.

Die Übertragung von Wissen und Einsicht in der Zen-Praxis geschieht oft jenseits von Worten und konventioneller Kommunikation. Diese nicht-verbale Übertragung kann als eine Art energetische Resonanz betrachtet werden, bei der der Schüler die subtile Energie und die Einsichten des Meisters aufnimmt, ähnlich wie Resonanz durch Schwingungen und Frequenzen funktioniert.

Um die Geist-zu-Geist-Übertragung zu empfangen, muss der Schüler in einem Zustand innerer Stille und Offenheit sein, was dazu führt, dass er empfänglich für die Energien und Einsichten des Meisters ist. Diese Offenheit kann als Voraussetzung für die Resonanz zwischen Meister und Schüler gesehen werden.

Insgesamt lässt sich sagen, dass die Geist-zu-Geist-Übertragung, wie sie in der Zen-Praxis verstanden wird, parallele Konzepte zu dem hat, was im Resonanzgesetz beschrieben wird, insbesondere in Bezug auf energetische Wechselwirkungen, Harmonisierung und die Übertragung von Wissen und Einsicht auf subtile Weise.

 

39. Woche

IM EINKLANG MIT DEM KOSMOS

Viele von uns im Westen empfinden es als ungewöhnlich, dass spirituelle Entwicklung und wahre Weisheit nicht aus dem Anhäufen von Wissen und Informationen resultieren, sondern vielmehr aus dem Gegenteil: aus Stille, Loslassen und innerer Leere.

In der Meditation versuchen wir daher, den aktiven Denkprozess zu stoppen, den Geist zu beruhigen und die Illusion des Ichs hinter uns zu lassen. Dies ist der erste Schritt in Richtung spiritueller Entwicklung.

Im nächsten Schritt lernen wir, durch Achtsamkeit unsere Gedanken und Emotionen zu beobachten, ohne sie zu bewerten oder zu verurteilen. Dieses bewusste Wahrnehmen ermöglicht es uns, in den gegenwärtigen Moment einzutauchen und eine tiefere Verbindung zu uns selbst und unserer Umwelt herzustellen.

Das Erlangen von Erkenntnissen und Weisheit geschieht dann im Einklang mit dem Resonanzgesetz. Ähnlich wie eine Stimmgabel, die eine andere ohne physischen Kontakt zum Schwingen bringt, so zielt auch unser Geist darauf ab, mit dem universellen Geist oder dem kosmischen Bewusstsein im Einklang zu sein.

Das Resonanzgesetz lehrt uns, dass unsere inneren Zustände und Überzeugungen die Realität um uns herum beeinflussen. Wenn wir in Frieden, Liebe und Mitgefühl schwingen, ziehen wir ähnliche Frequenzen an und schaffen dadurch ein harmonisches Umfeld.

Diese Resonanz wirkt auf unsere Beziehungen, unsere Umwelt und unsere Lebensumstände. Indem wir unsere eigene Energie auf eine positive Weise kultivieren, können wir die Welt um uns herum transformieren und inspirieren. Die wahre Erkenntnis findet in der Resonanz mit allem, was ist, statt.

In Momenten der Achtsamkeit und des tiefen Zuhörens können wir die Schwingungen des Lebens wahrnehmen und uns mit ihnen verbinden. Diese Resonanz ermöglicht es uns, über den einfachen Austausch von Worten und Gedanken hinauszugehen. Wir verstehen, dass jede Handlung, jeder Gedanke und jedes Gefühl eine Welle erzeugt, die in den Kosmos hinausgeht und dort Widerhall findet.

Somit ist das Resonanzgesetz nicht nur ein Prinzip der Physik, sondern auch eine tiefere Wahrheit des Lebens, die uns auffordert, bewusst zu wählen, was wir in die Welt senden. Wenn wir in Resonanz mit der Essenz des Göttlichen leben, öffnen wir uns für tiefe Einsichten, die uns leiten und stärken.

Nur das Göttliche in uns kann das Göttliche im Absoluten erkennen. Diese Sehnsucht, die in uns brennt, setzt eine innere Verbundenheit voraus – eine Wesensähnlichkeit, die uns anzieht. In diesem Einklang erfahren wir die universelle Verbundenheit, die uns alle durchdringt und uns zu einem größeren Ganzen führt.

 

38. Woche

LIEBE ZUR NATUR

Wer weiß noch, wann er das letzte Mal im normalen Alltagstrubel innegehalten hat, um die Schönheit um sich herum wahrzunehmen: Die Natur, in ihrer unendlichen Vielfalt, ist ein lebendiges Gedicht, das darauf wartet, gelesen zu werden. Jeder Baum, jedes Blatt, jede Blume erzählt eine Geschichte von Wachstum, Wandel und Vergänglichkeit.

Wenn wir uns auf den Weg machen – sei es durch einen ruhigen Wald, in die Berge oder im Urlaub am Meer – sind wir eingeladen, in den gegenwärtigen Augenblick einzutauchen.

Stell dir vor, du stehst an einem stillen See und der Himmel spiegelt sich in der glatten Oberfläche des Wassers. Während du die frische Luft einatmest, nimmst du das sanfte Rauschen der Blätter wahr und das entfernte Rufen eines Vogels.

Jedes Geräusch, jede Farbe und jede Bewegung ist Teil eines harmonischen Spiels – ein Erinnerungsstück an die Verbundenheit zwischen dir und der Welt um dich herum.

Auf unserem Zen-Weg geht es nicht nur um die traditionellen Meditationsübungen in Innenräumen, sondern auch um die bewusste Zeit im Freien, um die Natur zu genießen, sich zu erden und die Verbindung zur Umwelt zu stärken.

Das kann eine Vielzahl von Aktivitäten umfassen, wie zum Beispiel das Pflanzen der eigenen Kräuter oder Blumen sowie das Kultivieren von Obst und Gemüse im Garten.

Oder auch Spaziergänge mit „Waldbaden“ und Wanderungen mit meditativem Nordic Walking und Eintauchen in natürliche Gewässer oder einfach nur das Betrachten des Sternenhimmels bei Nacht.

Doch mit diesen schönen Erlebnissen kommt auch die Verantwortung. Die Natur ist nicht nur ein Ort der Erholung und Inspiration, sondern sie benötigt unser aktives Bemühen, um zu gedeihen. Durch die Einbindung von Naturerlebnissen in die Zen-Praxis wird eine tiefere Verbindung zur Umwelt und ein gesteigertes Bewusstsein für die eigene Rolle im Ökosystem gefördert.

Indem wir die Natur pflegen und schützen, uns für den Erhalt der Artenvielfalt einsetzen und Unrat entfernen, zeigen wir unsere Wertschätzung für diese lebendigen Räume. Wir sind nicht von der Natur getrennt; wir sind Teil ihres großen Ganzen.

Lasst uns also gemeinsam in den Wald gehen, die Berge erklimmen und am Wasser verweilen — aber lasst uns auch in unseren Herzen und Taten die Natur ehren. Wenn wir achtsam sind, können wir die feinen Nuancen des Lebens wahrnehmen, die oft im Rauschen des Alltags verloren gehen.

Indem wir uns für die Pflege der Natur einsetzen, legen wir einen Grundstein für die Zukunft. Jedes kleine Handeln zählt, jeder Schritt in die Natur kann zur Quelle der Inspiration werden. Zusammen können wir Großes bewirken.

Die Natur spricht in sanften Tönen, und wenn wir lauschen, können wir die Weisheit erkennen, die in ihr verborgen ist. Lass uns lernen, ihrer Sprache zuzuhören, und uns daran erinnern, dass die Pflege unseres Lebensraums eine Handlung der Liebe ist — für uns selbst und für kommende Generationen.

 

37. Woche

GIPFELERFAHRUNG  

Die Ankunft auf dem Gipfel beim Bergsteigen und der Moment höchster Konzentration beim Meditieren sind beides tiefgreifende Erlebnisse, die im Kern eine ähnliche Essenz teilen, obwohl sie in unterschiedlichen Kontexten stattfinden.

Der Berg und die Meditation sind Spiegel des Lebens. Jeder Schritt beim Aufstieg zum Gipfel, jede Minute im stillen Sitzen, ist ein Schritt zu dir selbst.

Der Weg zum Gipfel erfordert Ausdauer, Geduld und oft auch die Überwindung von Widrigkeiten. Doch die Mühe wird belohnt, sobald du oben angekommen bist. Dann eröffnet sich dir eine atemberaubende Aussicht. Die weite Landschaft erstreckt sich direkt vor dir, und du bist für einen Moment über den Dingen, ganz in der Stille und Schönheit der Natur.

Auch in der Meditation ist der Weg zum Gipfel mit Ausdauer und Geduld verbunden. Denn es kann eine Weile dauern, bis man in eine so tiefe innere Stille gelangt. Diese Ruhe ist nicht nur Abwesenheit von Lärm, sondern ein Zustand des Seins, in dem alle Geistesaktivitäten ruhen und das Herz sich mitfühlend öffnen kann.

Der Gipfel ist ein Ort der Stille, abseits des Trubels und der Hektik des Alltags. Hier kannst du innehalten und tief durchatmen. Hier fühlst du dich eins mit der Natur: Du hörst den Wind, spürst die Kühle der Höhe und nimmst die Schönheit um dich herum intensiv wahr – es ist ein Gefühl, Teil von etwas Größerem zu sein.

Während der Meditation, insbesondere in Momenten vollkommener Sammlung (Samadhi), kannst du dasselbe Gefühl der Einheit empfinden. Es gibt dann keine Trennung mehr zwischen dir und dem Rest der Welt – du bist Teil des Universums. Ein tiefes Gefühl der Verbundenheit, des Friedens und der Freude erfüllt dich.

Dieses Meditationserlebnis ist jedoch nicht zu verwechseln mit der anfänglichen Erleuchtungserfahrung (Kensho) oder der vollständigen Erleuchtung (Satori), die allerdings sehr selten erreicht werden.

Zen erfordert eine langfristige Praxis, nicht sofortige Ergebnisse. Statt zu sehr auf utopische Wünsche fixiert zu sein, setze lieber realistische Ziele und sei geduldig mit deinem Fortschritt.

Konzentriere dich darauf, deine inneren Kräfte durch Meditation ins Gleichgewicht zu bringen, den Geist zu vertiefen und Weisheit zu entwickeln sowie Achtsamkeit im Alltag zu praktizieren.

So gestaltet sich die Zen-Praxis als kontinuierliches Fortschreiten der persönlichen Entfaltung, bei der der Weg das Ziel ist und jeder Schritt zählt.

 

36. Woche

VERZERRTE REALITÄT

Atemfluss, Herzschlag, Gedanken und Gefühle – nichts steht einen Moment still. All diese Aspekte bilden den natürlichen Lebensstrom, in dem es kein „Ich“ gibt.

Die Idee, dass wir das sind, was wir haben oder was wir tun, ist eine verschrobene Sichtweise des Egos. Wer sich mit dieser Ego-Illusion identifiziert, übersieht oft das wahre Wesen seines Seins.

Wenn wir die Welt nur durch die Brille des Egos betrachten, sehen wir alles verzerrt und unklar. Um uns von dieser Sichtweise zu befreien, müssen wir den Ego-Zustand zumindest ein Stück weit loslassen. Das ist jedoch nicht so leicht, weil wir seit unserer frühesten Kindheit mit unserem Ego verwoben sind.

Um sich von den Fesseln des Egos zu lösen, kann es hilfreich sein, in der Meditation einmal den Drang zu analysieren, alles vergleichen oder bewerten zu wollen. Ein zentrales Element dieser Praxis ist das Üben von Nicht-Urteil. Versuche, dich vollkommen auf den Moment zu konzentrieren und eine tiefe Dankbarkeit zu entfalten.

Diese Übung hilft, das Ego zu entspannen und das Bewusstsein für die Verbundenheit mit allem Leben zu stärken? Darüber hinaus sollten wir uns dazu ermutigen, immer wieder in den Raum des Bewusstseins einzutauchen, der frei von „Ich“ und „Mein“ ist.

Mit der Zeit wird unser Glaube an ein separates „Ich“ sanft erschüttert, und die Isolation, die diese Selbstbezogenheit mit sich bringt, beginnt zu schwinden.

Sei geduldig mit dir selbst auf diesem Weg, denn der Prozess der Entfaltung des Bewusstseins ist keine einmalige Aufgabe, sondern eine fortlaufende Reise. Jede kleine Einsicht, jeder Moment der Achtsamkeit bringt uns näher zu der tiefen Erkenntnis, dass wir weit mehr sind als unser Ego.

Denn je mehr wir uns öffnen und dem Fluss des Lebens hingeben, desto klarer erkennen wir, dass ein Menschenleben nicht dazu da ist, die Wünsche eines Egos zu erfüllen, sondern dazu, das Leben in seiner ganzen Tiefe und Schönheit zu erfahren.

 

35. Woche

EINFACH LÄCHERLICH

Es könnte dich überraschen, dass Zen und Humor Hand in Hand gehen können. Im Kern steht beim Zen die Kunst, inneren Druck und Stress sinnvoll zu bewältigen.

Nehmen wir an, jemand verhält sich ungeschickt – in dem Moment, in dem er versucht, sein Gesicht zu wahren, kann er kaum über sich selber lachen. Wenn er jedoch in der Lage ist, die peinliche Situation aus der Perspektive der Zuschauer zu betrachten, verwandelt sich der Moment in einen Anlass zum Schmunzeln.

Das ist oft gar nicht leicht, denn unser Ego kann es gar nicht leiden, wenn wir uns über die eigene Person lustig machen. Diese Fähigkeit zur Selbstironie ist ein Schlüssel zu einem gelösteren Leben.

Humor ist eine bemerkenswerte Eigenschaft, die uns Menschen auszeichnet und nicht in der Natur der Dinge, Pflanzen oder Tiere zu finden ist. Auch nicht bei jenen Zeitgenossen, die in ihren eigenen Konflikten gefangen sind.

Je mehr Gelassenheit wir entwickeln, desto mehr Raum bleibt für Humor. Studien haben gezeigt, dass humorvolle Menschen besser mit Herausforderungen, Anhaftungen und sogar gesundheitlichen Problemen umgehen können.

Lachen ist eine wunderbare Entspannungstechnik. Mit dem Abstand, den Humor schafft, ist es leichter, die Absurditäten und Eitelkeiten des Lebens zu erkennen. Es ist, als würde unser höheres Selbst die Szene mit einem wissenden Lächeln beobachten, während wir unsere eigene göttliche Komödie aufführen.

Lass uns also die Leichtigkeit des Seins umarmen und die ernsthaften Momente des Lebens mit einem Hauch von Humor betrachten. Denn oft sind es gerade die unerwarteten Wendungen, die uns zum Lachen bringen und uns daran erinnern, dass das Leben nicht immer so ernst genommen werden muss. Indem wir lachen, erlauben wir uns, die Schönheit und das Spiel des Lebens zu erleben.

Humor spielt eine fundamentale Rolle in der Stärkung unserer sozialen Bindungen und dem Aufbau von Resilienz, also die Fähigkeit, mit Rückschlägen umzugehen und uns anzupassen. Wenn wir gemeinsam lachen, entstehen besondere Momente der Verbindung und Intimität, die den Alltag auflockern und das Gefühl von Gemeinschaft fördern.

Solche gemeinsamen Erfahrungen schaffen eine positive Dynamik in Beziehungen, egal ob in Freundschaften, familiären Beziehungen, am Arbeitsplatz oder in der Sangha. Das Teilen von Humor ermöglicht es uns, auch in schwierigen Zeiten zusammenzuhalten, da wir durch das Lachen eine gemeinsame Perspektive auf Herausforderungen finden können.

Letztlich stärkt ein gesunder Sinn für Humor nicht nur unsere zwischenmenschlichen Verbindungen, sondern auch unsere innere Stärke, so dass wir den Stürmen des Lebens mit mehr Zuversicht entgegentreten können. Zen ohne Humor? Das wäre einfach lächerlich.


34. Woche

DIE KUNST DES FINDENS

„Ich suche nicht – ich finde.“ Dieses bemerkenswerte Zitat von Pablo Picasso öffnet ein Fenster zu einer tiefgreifenden Erkenntnis über das Wesen des Schaffens und des Lebens. In einer Welt, in der wir oft dem Drang unterliegen, Antworten zu suchen und vorgegebene Pfade zu verfolgen, lädt uns Picasso ein, die Kunst des Findens zu erlernen.

Beim Suchen bewegen wir uns innerhalb vertrauter Grenzen. Wir bauen auf Bekanntem auf und versuchen, das Altbekannte in neuen Kontexten wiederzufinden. Es ist ein Spiel der Familiarität, ein Nachlaufen von Schatten der Vergangenheit.

Doch wahres Finden passiert erst, wenn wir mutig genug sind, diese Grenzen zu überschreiten. Wenn wir loslassen und uns dem Fluss des Unbekannten anvertrauen.

Findet man das Neue, begegnet man einem Abenteuer – einem heiligen Abenteuer, wie Picasso es nennt. Dieses Abenteuer erfordert Mut. Es fordert uns auf, uns von unseren vorgefassten Meinungen zu befreien und uns selbst im Ungewissen zu erlauben, geleitet zu werden.

Hier kommen wir zur Essenz des Zen-Weges: das Vertrauen in den gegenwärtigen Moment, das Akzeptieren unserer Unzulänglichkeiten und das Offenbleiben für die Möglichkeiten, die sich uns ohne unser Zutun präsentieren.

Das Offensein für neue Erkenntnisse, sowohl im Äußeren als auch im Inneren, ist der Schlüssel zur Entfaltung unseres authentischen Selbst. Inmitten aller Ängste, die mit dem Loslassen einhergehen, erkennen wir die Gnade des Gehaltenseins. Dieses Gehaltensein ist nicht starr, sondern ein dynamisches Ballett von Möglichkeiten, das uns auf unerwartete Wege führt.

In der Tat liegt im Finden das Potenzial für wahres Wachstum. Lassen wir los, vertrauen wir dem Geheimnisvollen, und entdecken wir die Schätze, die im Unbekannten auf uns warten.

Sie sagten: Du wirst es finden – an einem bestimmten Ort – zu einer bestimmten Zeit.  – Wie immer, wo immer ich es fand, war es kein es, noch war ich ein ich.  Es gab kein Innen und es gab kein Außen – und das Selbst war nicht mein. –  Und da war kein Ort, nur Raum – und Gewahrsein – und Ehrfurcht und Stille – und der Wind in den Bäumen und das Prasseln des Regens.

Beim Meditieren können wir eine Erweiterung des Bewusstseins und ein Gefühl der Einheit mit der Umgebung finden. Dieses Zitat aus unserer Meditationsanleitung scheint genau das zu beschreiben – das Auflösen der Grenzen zwischen dem Selbst und der Welt, um ein tiefes Gefühl von Frieden und Verbundenheit zu erreichen.

 

33. Woche

DER WEG ZUR INNEREN FREIHEIT

Meditation kann uns in Zustände führen, die sowohl verwirrend als auch erleuchtend sind. Die Herausforderungen, die wir beim Meditieren erleben, sind Teil einer tiefen Transformation, die uns letztendlich zur Klarheit führt.

Wenn wir in tiefe Meditation versinken, kann das zu allen möglichen Arten von Erscheinungen führen. Außergewöhnliche Szenarien und Angstzustände sind dann keine seltenen Phänomene.

Durchaus möglich, dass wir uns als andere Wesen in anderen Körpern, anderen Zeiten und Bereichen erleben. Wir können auf dem Sitzkissen auch Raubtieren, Engeln, Göttern und Dämonen begegnen, Hitzewallungen und Kältegefühle erfahren.

Dabei handelt es sich jedoch nicht um Gefühle der Alltagsebene, sondern um das Öffnen des gesamten Emotionskörpers. Man begegnet dem höchsten Entzücken und der tiefsten Dunkelheit der Einsamkeit, und jedes dieser Gefühle, die unser ganzes Bewusstsein ausfüllen, scheint real.

Was auch immer in deinem Geist vorgehen mag, es spielt keine Rolle. Sitz einfach weiter im absoluten Vertrauen auf Zazen, ohne dir darüber den Kopf zu zerbrechen. Wenn du nicht anhaftest, werden diese Zustände, die beim Lösen von physischen Blockaden u.a. als Visionen oder Reflexe auftreten können, bald wieder vergehen.

In diesem Prozess der Selbstentdeckung sollten wir uns immer wieder kleine Pausen der Achtsamkeit gönnen, um dem echten Leben Raum zu geben, das sich in jedem Augenblick manifestiert. Sich zwischendurch fünf Minuten Zeit zu nehmen, ist für die Renegation sehr wichtig.

An die frische Luft zu gehen oder am geöffneten Fenster durchzuatmen, kann auch im normalen Alltag hilfreich sein. Versuche in stressigen Situationen ganz bewusst länger auszuatmen als einzuatmen und die Nackenmuskulatur zu entspannen. So kannst du dein vegetatives Nervensystem positiv beeinflussen.

Oder wenn du dich zum Beispiel darauf konzentrierst, ganz besonders achtsam einen Apfel zu essen und dabei den Prozess beobachtest, wie die Frucht in deinem Mund zu einem Teil von dir selbst wird, kann es dir helfen, Energie zurückzugewinnen.

Der Schlüssel zur inneren Freiheit liegt in der Hingabe an den gegenwärtigen Moment. Indem wir voll und ganz im Hier und Jetzt leben, können wir uns von Selbsttäuschung befreien und zur wahren Wirklichkeit zurückkehren.

 

32. Woche

EIN KLARER GEIST ALTERT NICHT

Für viele Menschen spielt sich das ganze Leben wie auf einem Markt ab, wo alles sich um Kaufen und Verkaufen, Geben und Nehmen dreht. Mit Geld ist alles möglich. Die Erfolgreichen genießen in der materiellen Welt hohes Ansehen. Ihnen fehlt nur noch zum Glück, immer jung bleiben zu dürfen.

Dieser Wunsch ist verständlich, wirkt sich aber auf Dauer verhängnisvoll aus, weil er gegen das Naturgesetz verstößt. Denn wenn die Vergänglichkeit nicht mehr mit finanziellen Mitteln aufzuhalten ist, erwächst daraus eine Angst vor dem Altwerden, die Viele unglücklich macht. So betrachtet, sollten rüstige Senioren, die ständig beweisen müssen, was sie noch alles draufhaben, kein Vorbild für uns sein.

Altern ist kein Zustand, der plötzlich da ist, sondern ein ständiger Prozess lebenslanger Vergänglichkeit. Selbst wenn hauptsächlich der Körper altert, muss die Geistesfähigkeit nicht in gleichem Maße abnehmen.

Allerdings ein mit Gier, Hass und Verblendung behafteter Mensch altert geistig oft schon relativ vorzeitig, weil er ausschließlich egoistische Ziele verfolgt und sich von seinen Trieben versklaven lässt. Ein gefangener Geist verfällt ähnlich schnell wie der Körper, wenn man ihn vernachlässigt.

Wer sich jedoch im gereiften Alter von der Vorstellung verabschiedet, immer noch etwas leisten zu müssen, und stattdessen die Grenze seiner natürlichen Kräfte demütig akzeptiert, muss sich nicht vor dem großen Finale fürchten.

Das Geheimnis der weisen Alten hat nichts mit Können und Haben zu tun, sondern eher mit Einsehen und Loslassen, mit Verzeihen und Versöhnen, mit liebender Güte und Dankbarkeit.
Dabei kann auch regelmäßiges Meditieren sehr heilsam sein. Es rückt nicht nur den Moment, das Hier und Jetzt, in den Fokus, sondern macht uns mit unseren Emotionen, Widerständen und Wünschen vertraut und reinigt so den Geist.

In Kombination mit entsprechender Achtsamkeitspraxis kann es dann gelingen, unsere ich-bezogenen Verhaltensweisen zu verändern. So braucht sich ein anhaftungsfreier Mensch vor dem Alter nicht zu fürchten. Denn ein klarer Geist wird nicht vorzeitig vergreisen, weil er im Einklang mit dem Kosmos lebendig bleibt.

 

31. Woche

SANFTE DISZIPLIN

Glück und Zufriedenheit entstehen niemals aus der Befriedigung von Wünschen. Denn, sobald ein Wunsch erfüllt ist, folgt der nächste – eine endlose Spirale. Um uns aus diesem Zyklus zu befreien, sollten wir den echten Bedarf vom Konsumzwang unterscheiden.

Ein Blick nach innen zeigt, wie sehr Bedürfnisse und Zwänge miteinander vermischt sind. Wir brauchen ein gesundes Maß an Lebensbedingungen, aber viele Wünsche haben gar nichts mit unseren natürlichen Bedürfnissen zu tun.

Wie oft essen wir, wenn wir müde, deprimiert oder gestresst sind, ohne überhaupt wirklich Hunger zu verspüren. Heutzutage wird es immer offensichtlicher, dass viele Menschen kaum noch in der Lage sind, ihr unbändiges Verlangen zu zügeln.

Selbsteinschränkung ist ein Weg, die Kraft und Stärke des Geistes zu nutzen, um Begierden entgegenzuwirken. Durch eine sanfte Form der Disziplin erkennen wir die Verbindung zwischen Selbsteinschränkung und Freiheit und befreien uns letztendlich selbst.

Für diejenigen, die von Wünschen und Emotionen beherrscht sind, ist es schwierig, einen klaren Kopf zu bewahren. Achtsamkeits- und Meditationsübungen können helfen, einen nimmersatten Geist zur Ruhe zu bringen. Ziel der spirituellen Praxis ist es, zu erkennen, wer wir sind und was wir wirklich brauchen.

Zen mag zuerst verwirrend erscheinen, da wir nicht an diese Einfachheit gewöhnt sind. Räume deinen Geist auf, um die Lösung in der Einfachheit zu finden. Schaffe Klarheit, um innezuhalten und dich auf das Wesentliche zu konzentrieren – die Antwort liegt oft in der Stille. Zen zeigt uns den Weg zur inneren Ruhe und Zufriedenheit – durch die Erkenntnis, wer wir wirklich sind.

 

30. Woche

ENTSPANNTES STREBEN

Oftmals streben wir in unserem Leben danach, etwas Besonderes zu erreichen, indem wir alles daran setzen, unser Bestes zu geben. Doch dabei vergessen wir oft, wie sehr wir uns in diese Sache verbeißen und ungesunde Anspannung und Angst in uns aufbauen. Etwas um jeden Preis erreichen zu wollen, kann uns anfällig machen für Scheitern und Enttäuschungen.

Die beste Methode, um unsere Ziele zu verwirklichen, ist die Kunst des „entspannten Strebens“. Das bedeutet, den Druck abzulassen und unsere ehrgeizigen Ziele zu hinterfragen. Paradoxerweise können wir manchmal etwas leichter erreichen, wenn wir loslassen und uns für das öffnen, was kommen mag.

Der chinesische Philosoph Tranxu verdeutlicht dies mit einem Beispiel: Ein Bogenschütze kann seine ganze Kunst entfalten, wenn er schießt, ohne an den Erfolg zu denken. Wenn er jedoch auf eine bestimmte Medaille oder einen Preis abzielt, wird er von seinem „kleinen Ich“ getrieben und verliert so in entscheidenden Momenten seine Fähigkeit zur Konzentration.

Allein schon die Tatsache, dass der Schütze sich des Sieges sicher ist, gefährdet den Erfolg. Bei einem solchen Selbstbewusstsein hat sein Ich längst die Regie übernommen und er verspannt sich. Es kommt also darauf an, dass kein Hauch von falschem Ehrgeiz mit im Spiel ist, sonst ist alles verdorben. Dies gilt insbesondere auch für die Meditationspraxis.

Deshalb ist es wichtig, eigennütziges Denken und selbst erzeugten Druck zu unterlassen. Zen lehrt uns, wie wir unser Ego auf verschiedene Arten überwinden können: Zum einen indem wir die Kraft unseres „kleinen Ichs“ erschöpfen, dadurch dass wir z.B. Koan-Aufgaben nicht mit logischem Denken lösen können. Zum anderen indem wir unser Selbst aus allen Aktivitäten zurückziehen und unserem Geist in tiefer Meditation zu Ruhe und Klarheit verhelfen.

Darüber hinaus können auch körperliches Training in altjapanischen Kampfsportarten (wie dem Bogenschießen) oder rituelle Handlungen bei der Teezeremonie oder Mentaltraining in der Hara-Praxis entsprechende Wirkung haben. Immer wieder geht es darum, dass der Mensch in ständiger Übung einer Kunst lernt, sein ängstliches Streben nach Erfolg loszulassen und sich von seinem egozentrischen Denken zu befreien.

Dadurch wird er zu einem Werkzeug einer tieferen Kraft, die dann ohne sein bewusstes Zutun die vollendete Leistung hervorbringt, wie eine reife Frucht, die von allein vom Baum fällt. Die Bereitschaft, unsere Ich-Illusion ernsthaft in Frage zu stellen und jeden Tag als eine neue Chance zu begreifen, sind wichtige Schritte auf dem Weg zur inneren Stärke.

 

29. Woche

DIE LETZTE WIRKLICHKEIT

„Das reine Selbst ist immer-gegenwärtiges Bewusstsein, auch wenn wir dessen Existenz bezweifeln. In dieser einfachen Wahrnehmung erkenne ich: Ich bin mir meines Körpers bewusst, also bin ich nicht nur mein Körper; ich bin mir meines Geistes bewusst, also bin ich nicht nur mein Geist; ich bin mir meines Selbst bewusst, also bin ich nicht nur mein Selbst. Vielmehr nehme ich meinen Körper, meinen Geist, mein Selbst wahr.

Das ist wahrhaft faszinierend: Ich kann meine Gedanken sehen, also bin ich nicht diese Gedanken; ich bin mir der Körperempfindungen bewusst, also bin ich nicht diese Empfindungen; ich bin mir meiner Gefühle bewusst, also bin ich nicht nur diese Gefühle. Irgendwie bin ich das Subjekt, das dies alles wahrnimmt. Doch wer oder was nimmt wahr?

Die Traditionen behaupten, das, was wahrnimmt, ist Geist, ist Gott, ist Buddha-Natur in ihrer Ganzheit. In anderen Worten: Die letzte, unbedingte Wirklichkeit ist nichts, was gesehen werden kann, sondern ist das, was immer-gegenwärtig sieht. Und also ist dieses Bewusstsein nicht schwer zu erreichen, aber unmöglich zu vermeiden. Das, was sieht, kann nicht gesehen werden. Hören wir also auf, uns mit diesem oder jenem zu identifizieren. Dann bekommen wir eine Ahnung von der unendlichen Freiheit.

Wir werden bemerken, dass diese einfache, immer-gegenwärtige Wahrnehmung vollkommen mühelos ist. Keinerlei Mühe macht es, Laute zu hören, Dinge zu sehen, die kühle Brise zu fühlen. Wir ruhen einfach in dieser mühelosen Wahrnehmung.

Dinge, die gesehen werden, sind angenehm oder schmerzhaft, beglückend oder traurig, heiter oder beängstigend. Aber das, was diese Dinge sieht, ist weder beglückend noch traurig, weder heiter noch beängstigend, sondern einfach frei. – Wenn ich ruhe als das, was zeitlos wahrnimmt, ist es um die große Suche geschehen.

Die große Suche ist die Suche nach einer letzten Erfahrung, nach einer großartigen Vision, einem Paradies der Freuden, einer nie-endenden guten Zeit, einer machtvollen Einsicht, eine Suche nach Gott, nach der Göttin, nach dem Geist – aber Geist ist kein Objekt: Geist kann nicht begriffen, erreicht, gesucht oder gesehen werden – Geist ist das, was immer-gegenwärtig sieht.

Es geht darum, die immer-währende Bewusstheit klar zu erkennen. Das kostet keine Mühe. Ich bemerke einfach, dass es immer eine Wahrnehmung des Himmels gibt, dass es immer Wahrnehmung der Wolken gibt und dass das immer-währende Wahrnehmen nicht schwer zu erreichen ist, aber unmöglich zu vermeiden. – Wenn du dies verstehst, ruhe in dem, was versteht – und genau das ist Geist. Wenn du nicht verstehst, ruhe in dem, was nicht versteht – und genau das ist Geist.“
Ken Wilber, Bewusstseinsforscher

 

28. Woche

IM HARA LIEGT DEINE MITTE

In Fernost hat man immer schon den Bauch für den Sitz menschlichen Lebens gehalten. Wenn man in früheren Zeiten — noch vor 100 Jahren – Japan besuchte, konnte man noch Leute finden, die, wenn man sie fragte: „Wo denken Sie?“, auf ihren Bauch gezeigt hätten. „Wir denken hier.“ Heute würde niemand das sagen, weil es so töricht klingt.

Aber die Betonung des Bauches ist wichtig. Der Bauch ist die Quelle deines Lebens. Du warst mit deiner Mutter durch den Nabel verbunden: erst von diesem Punkt aus begann das Leben in dir zu pulsieren. Der Kopf ist der entfernteste Winkel deiner Existenz, die Mitte bildet der Nabel. Deine Existenz, dein Dasein ist dort zu Hause.

Dein Denken mag sich im Kopf abspielen, aber wer bedient sich des Gehirns? Inzwischen schöpft man sogar in der Psychologie des Westens Verdacht, ob die alte Vorstellung stimme, dass der Sitz des Geistes das Gehirn sei.

Heute haben ein paar Leute zu denken begonnen, dass das Gehirn etwas anderes sei als der Geist. Wo also ist der Sitz des Geistes? Zen zufolge sitzt er im Bauch, sitzt er unterhalb des Nabel – genau dort, von woher der erste Pulsschlag kam.

Man kann dieses ,,Kopf oder Bauch“ auf vielerlei Art und Weise ausdrücken: Intellekt oder Intuition; Logik oder Liebe; Bewusstsein oder Unbewusstsein; der Teil oder das Ganze; Tun oder Geschehenlassen; Tod oder Leben; Haben oder Sein. Diese sieben Variationen sind möglich, und jede dieser sieben Variationen ist bedeutsam.

Der Intellekt ist sehr begrenzt; die Intuition ist grenzenlos. Intuition kommt immer aus dem Bauch. Wann immer du das Gefühl hast, dass dir eine Intuition kommt – eine Ahnung – kommt sie immer exakt aus dem Bauch. Dein Bauch spürt es sofort.

Wenn du dich verliebst, geschieht das nie vom Kopf her. Das ist der Grund, warum Kopfmenschen sagen: ,,Liebe ist blind“. Das ist sie auch, denn sie hat nichts mit dem Gehirn zu tun. Wenn du dich verliebst, entspringt es einer anderen Quelle.

Wenn man große Wissenschaftler, große Dichter, große Kreative befragt, werden sie ebenfalls sagen, dass, wenn sie ein Aha-Erlebnis haben, es niemals aus dem Kopf kommt, es niemals dem Gehirn entspringt. Es kommt irgendwo von jenseits.

Genau das Gleiche widerfuhr Buddha. Er hatte sich sechs Jahre lang abgemüht, hatte alles Erdenkliche unternommen, um zur Erleuchtung zu gelangen, aber es ging nicht. Er sagte: Die Reise geht nirgends hin und nichts wird passieren und ich gab jetzt die ganze Sache auf.
An diesem Abend schlief er entspannt ein, und als er am Morgen die Augen aufschlug, war er ein vollkommen anderer Mensch. Irgendwas war über Nacht geschehen.

Warum geschieht es gerade dann, wenn du erst alles Menschenmögliche versucht hast? Ja, nur dann geschieht es. Erst wenn alle Kapazitäten deines Gehirns erschöpft sind, beginnt deine Intuition ihr Werk. Das ist eine höhere Energie. Dadurch, dass du dein Gehirn restlos eingebracht hast, wirst du fähig, sie einzusetzen – nur von dort aus kannst du zur Intuition weitergehen.

Intuition arbeitet nicht einfach so. Du kannst nach Bodh Gaya fahren, wo der Nachfahre des Baumes, unter dem Buddha erleuchtet wurde, noch am Leben ist, und du kannst dich entspannt unter ihn setzen und sagen: ,,Ich gebe es auf.“ – Wahrscheinlich wird nichts passieren; denn was gibt es da groß aufzugeben? Es gehört eine enorme Mühe dazu, um zur Mühelosigkeit zu gelangen.

 

27. Woche

DAS KOPFKINO ABSTELLEN

Im Zen lernen wir, im gegenwärtigen Augenblick zu leben und uns von der Vergangenheit, die nicht mehr existiert, und der Zukunft, die noch nicht begonnen hat, zu befreien. In der Meditation betrachten wir unsere Gedanken und Vorstellungen einfach nur, ohne ihnen Energie zu geben, so dass sie verblassen.

Als neutrale Beobachter des Geschehens müssen wir uns nicht mit dem endlosen Gedankenstrom identifizieren, sondern können ihn als fließenden Strom von der Brücke aus betrachten.

Vielleicht erkennen wir irgendwann, dass sich alles wiederholt – ein Kreislauf, der uns ständig denselben Ärger und dieselben Wünsche, Erwartungen, Sehnsüchte, Bewertungen, Vorlieben und Abneigungen bringt.

Erst wenn wir in der Meditation den „Projektor“ abschalten, verschwindet mit der „Leinwand“ in unserem „Kopfkino“ auch der ganze Spuk wie in einer Traumwelt, und wir können einen Blick auf die wahre Wirklichkeit erhaschen.

„Ein wirklich bewusst lebender Mensch lebt in dieser Welt wie eine Biene,“ sagte Buddha einst. „Er stört nie die Schönheit der Welt und zerstört nie ihren Duft. Er lebt ruhig im Hier und Jetzt, ohne überladen zu sein, und bekommt nur, was er wirklich braucht. Sein Leben ist einfach. Er geht seinen Weg entspannt und ohne Hast.“

Der Zen-Weg bedeutet eine Lebensweise, die auf Einfachheit, Achtsamkeit, Mitgefühl und innerer Ruhe basiert. Es geht darum, ein Leben im Einklang mit der Natur, den Mitmenschen und sich selbst zu führen, um ein tieferes Verständnis des eigenen Seins und des Universums zu erlangen.

 

25. Woche

INNEREN FRIEDEN FINDEN

Kennst du noch die Gedanken von vor zehn Minuten? In unserer hektischen Welt werden wir oft von einem ständigen Gedankenstrom überflutet, der es schwer macht, sich wirklich zu erinnern.

Aber was, wenn diese Gedanken gar nicht deine eigenen sind, sondern von außen auf dich einwirken? Oft übernehmen wir Meinungen und Ansichten anderer als unsere eigenen, ohne zu hinterfragen, ob sie der wirklichen Wahrheit entsprechen.

Wenn wir uns zu sehr mit unseren Gedanken identifizieren, geraten wir in die Abhängigkeit des Egos, das ständig nach Anerkennung und Ablenkung verlangt. Das führt in der Regel dazu, dass wir dauernd Zerstreuung suchen oder an materiellen Dingen kleben und unseren „Hunger“ durch „Ersatzbefriedigungen“ zu stillen versuchen –  gefolgt von einem bösen Erwachen.

Doch es gibt einen Ausweg: das spirituelle Erwachen, was im tiefsten Inneren des Menschen etwas grundlegend verändert. Indem wir über das Denken hinausgehen und unsere wahre Natur erkennen, können wir den Sinn und die Bedeutung des Lebens besser verstehen.

Anstatt uns von oberflächlichen Bedürfnissen und materiellen Gütern leiten zu lassen, können wir durch Meditation das Ego überwinden und unseren inneren Frieden finden – und so zu einem tieferen Verständnis von uns selbst und der Welt gelangen.

 

24. Woche

FOLGE DEINEM HERZEN

Wer möchte nicht unbeschwert durchs Leben gehen und mit Gleichmut den Geschehnissen der Welt begegnen? Das Geheimnis der Gelassenheit erschließt sich allerdings nicht durch Bücher und Seminare. Gehe in dich und höre auf dein Herz: sei mutig und tu einfach, was du gerne möchtest, und lass sein, wovon du nicht überzeugt bist.

Es ist zwar sehr schwierig, sein Glück bei sich selbst zu finden, aber vollkommen aussichtslos, woanders danach zu suchen. Wichtig ist, dass du dein Leben – fest verankert in dir selbst – lebst. Vor allem mach dich frei von den Ansichten und Erwartungen der anderen.

Viele der großen religiösen und spirituellen Traditionen haben uns glauben lassen, dass man beispielsweise das Begehren auf irgendeine Art und Weise überwinden oder bekämpfen kann. Eine derart machtvolle Kraft – wie das Begehren – bekämpfen zu wollen, kann viel Leid verursachen.

Denn wenn eine im Menschsein zugrunde liegende Energie unterdrückt wird, wird die Lebenskraft ebenfalls unterdrückt und führt zu einer Versteifung des ganzen Wesens, physisch, emotional und psychisch. Damit würde sich das Leben viel zu sehr verengen.

Wenn es dem Verlangen nicht erlaubt wird, in uns zu brennen, erlöscht unser inneres Feuer. Viele Menschen – insbesondere in repressiven Gesellschaften und Religionen – lassen sich so zum Verzicht auf manche Lebensfreude drängen.

Begehren und Sehnen sind jedoch ganz natürliche menschliche Bedürfnisse und gehören zum Leben wie Hunger und Durst. Ehrgeiz z. B. muss nicht die Quelle für menschliches Leid sein. Im Gegenteil: Sie kann auch die Ursache für Glück und Zufriedenheit sein. Wo wären wir heute ohne Forscherdrang und Entdeckergeist?

Allerdings führt die Kraft der Begierde traditionell die Liste der Unruhe auslösenden Energien im Geiste an. Sinnesbegierde z. B. ist eine der regelmäßig wiederkehrenden Energien, die den Geist ausfüllen und volle Aufmerksamkeit beanspruchen.

Denn unser Geist funktioniert so, dass wir bei der Begegnung mit gewissen Erfahrungen eine Art Drang spüren – eine Energie der Sehnsucht. Wenn das Begehren zuträglich ist und der Zeitpunkt der richtige ist, dann können wir entsprechend handeln. Das alles ist absolut in Ordnung.

Aber wenn wir erkennen, dass eine Begierde nicht zuträglich ist und der Zeitpunkt der falsche ist, wäre es ratsam, uns zu beherrschen. Denn unsere innere Stimme sagt, dass es nur eine verführerische Kraft, aber keine unausweichliche Forderung ist. Selbstbeherrschung heißt jedoch nicht, auf alles zu verzichten, sondern sich freizumachen von der zwanghaften Vorstellung, dass man nicht anders handeln kann.

Es gibt so viele Wege wie Menschen. Manche sind steinig und voller Hindernisse, andere sind zwar mühsam aber durchaus lohnend. Wenn wir reifer werden, erkennen wir, dass unser Leben selbst der ultimative Weg ist. Wer der inneren Balance seines Herzens folgt, wird im Einklang mit dem Kosmos leben.

 

23. Woche

OHNE TOLERANZ KEIN FRIEDEN

Spiritualität und Toleranz sind zwei wichtige Themen, die untrennbar miteinander verbunden sind. In der heutigen Welt, die von Konflikten und Unverständnis geprägt ist, ist es umso wichtiger, dass wir uns auf spiritueller Ebene öffnen und die Ansichten und Überzeugungen anderer Menschen tolerieren.

Das ist ein wesentlicher Bestandteil unserer spirituellen Praxis. Indem wir lernen, anderen Menschen mit Respekt und Verständnis zu begegnen, können wir unseren eigenen geistigen Fortschritt fördern. Wir erkennen, dass Unterschiede in Glauben, Kultur und Lebensweise uns bereichern und uns helfen, über unseren eigenen begrenzten Horizont hinauszublicken.

Wichtig: Toleranz ist nicht gleichbedeutend mit Nachgeben oder Nachsicht, sondern erfordert eine bewusste Entscheidung, die Rechte und Überzeugungen anderer anzuerkennen, ohne dabei die eigenen Überzeugungen aufzugeben. Sie ist die Basis für Pluralismus und Demokratie und trägt dazu bei, Hass und Gewalt durch eine Kultur des Friedens zu ersetzen.

Wahre Toleranz kann nur aus einem tiefen Verständnis und Mitgefühl für alle Lebewesen entstehen. Indem wir unsere Herzen öffnen und uns von Vorurteilen und Urteilen befreien, können wir den Raum schaffen, wo die Essenz der Spiritualität erblühen kann.

Denn wahre Spiritualität ist nicht nur die Suche nach innerem Frieden und Erleuchtung, sondern beinhaltet auch die Fähigkeit, andere in ihrer Einzigartigkeit anzuerkennen und zu achten. Durch die Metta-Meditation (s. Schwerpunkt-Thema)  können wir dafür die Voraussetzungen schaffen:

Erst wenn wir gelernt haben,  uns selbst und andere besser zu verstehen, können wir unsere Verbindung zum Universum stärken und im Einklang mit dem Kosmos leben. Dann erkennen wir, dass wir Teil eines größeren Ganzen sind und dass wir alle unterschiedliche Wege haben, um zur Wahrheit zu gelangen.

Spiritualität und Toleranz dürfen keine leeren Worte sein. Um das zu ändern, erfordert es konkrete Handlungen. Letztendlich geht es darum, unsere eigene Engstirnigkeit und Vorurteile zu überwinden und unsere Mitmenschen so zu akzeptieren, wie sie sind. Nur so können wir wahre spirituelle Erfüllung erreichen und mit allen in Frieden leben.

 

22. Woche

BEDINGUNGSLOSE LIEBE
Negative Gefühle wie Wut, Ablehnung, Zorn oder Enttäuschung kommen und gehen. Zeitweise fühlt man sich so, als wäre man unter einer Welle dieser Emotionen verloren, doch sie lassen auch immer wieder nach.

Mit Hilfe der Metta-Meditation könntest du solche negativen Empfindungen annehmen, symbolisch umarmen, beruhigen und anschließend wieder ziehen lassen. Diese Vorstellung mag dir noch suspekt erscheinen, mit etwas Übung wird dir die Akzeptanz jedoch leichter fallen.

Im ersten Schritt der Metta-Meditation lernst du, dich selbst anzuerkennen, anzunehmen und zu lieben. Sich selbst bedingungslos zu akzeptieren ist die Voraussetzung, um auch andere Lebewesen bedingungslos akzeptieren zu können. Diese Bedingungslosigkeit ist von zentraler Bedeutung.

Solange man der Vorstellung anhängt, Mitmenschen nur annehmen oder lieben zu können, wenn sie bestimmte Bedingungen erfüllen (z.B. etwas tun oder nicht tun), ist Metta als innere Haltung nicht möglich. Metta bedeutet also bedingungsloses Wohlwollen. Du nimmst andere Menschen, wie auch dich selbst, mit allen Fehlern, Unzulänglichkeiten und Schwächen an, ohne sie deswegen weniger zu mögen.

Studien haben gezeigt, dass die regelmäßige Praxis der Metta-Meditation uns dabei unterstützen kann, unser emotionales Wohlbefinden zu verbessern, unsere mentale Gesundheit zu stärken und unsere zwischenmenschlichen Beziehungen zu vertiefen. Wenn wir uns selbst und anderen mit Mitgefühl begegnen, können wir Stress reduzieren und unser Selbstwertgefühl stärken.

Indem wir in den nächsten Schritten den Personenkreis erweitern und unser Mitgefühl auf uns nahestehende Menschen, dann auf neutrale Personen aus unserem Alltag übertragen, schaffen wir eine Atmosphäre der Verbundenheit und des Vertrauens in unseren Beziehungen.

Selbst Menschen, die wir nicht mögen oder mit denen wir Schwierigkeiten haben, sollten wir – auch wenn es sehr schwerfällt – in unsere Metta-Praxis mit einbeziehen.

Insgesamt kann die Metta-Meditation einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, unsere Beziehungen zu verbessern, Konflikte friedlich zu lösen und eine Atmosphäre von Respekt und Verbundenheit zu schaffen.

 

21. Woche

DER SPIRITUELLE WEG

Die Vielfalt der Religionen in der Welt mag faszinierend sein, doch viele ihrer strengen Regeln und Lehren können uns davon abhalten, das wahre spirituelle Potential zu erkennen. Der Dualismus, die Vorstellung von Sünde und Schuld, die Betonung einer fernen Ewigkeit anstelle des Hier und Jetzt, die Verurteilungen und Bekehrungsversuche – all das kann einschränkend wirken.

Spiritualität hingegen ist das, was übrig bleibt, wenn wir den engen Rahmen der meisten Religionen verlassen. Es ist das, was schon da war, bevor wir uns einer Konfession angeschlossen haben. Spiritualität ist das Verbindende zwischen den verschiedenen Religionen und geht oft sogar über die Tiefen der Psychologie und Therapie hinaus.

Während Religionen uns in enge Strukturen drängen, erweitert Spiritualität unser Bewusstsein für das Heilige und Transzendente, für Licht und Liebe, das allen Menschen innewohnt. Während Religionen oft Trennungen schaffen und zu Kriegen führen, ob in der Vergangenheit oder auch heute, verbindet Spiritualität die Menschen durch Liebe und Akzeptanz.

Die Auswirkungen von Spiritualität auf das individuelle Wohlbefinden können enorm sein. Spirituelle Praktiken wie Meditation, Achtsamkeit und Verbundenheit mit anderen können zu einem tieferen inneren Frieden, einer größeren Widerstandskraft in stressigen Situationen und einer insgesamt positiven Lebenseinstellung führen.

Spirituelle Menschen berichten oft von einem Gefühl der Erfüllung, einer höheren Lebenszufriedenheit und einem stärkeren Sinn für Zweck und Bedeutung in ihrem Leben. Durch das Streben nach spiritueller Entwicklung und persönlichem Wachstum entfalten sie ein tieferes Verständnis für sich selbst und ihre Umgebung, was letztendlich zu einer verbesserten geistigen, emotionalen und körperlichen Gesundheit führen mag.

Indem wir spirituelle Praktiken in unseren Alltag integrieren, können wir beispielsweise eine tiefe spirituelle Verbundenheit zur Natur empfinden und spirituelle Aktivitäten im Freien praktizieren. Spiritualität bedeutet Liebe – Liebe zur Schöpfung, zu ihrem Geheimnis und ihrer Heiligkeit, zu jedem einzelnen Lebewesen. Sie bedeutet Staunen, Berührtsein, Akzeptanz, Loslassen von Kontrolle.

Viele Menschen sehen die gegenwärtigen Pfingstfeiertage als eine Zeit der Spiritualität, in der sie die Gegenwart Gottes in ihrem Leben besonders spüren und sich mit der inneren Kraft und Weisheit verbinden können. Dabei spielt der Heilige Geist eine zentrale Rolle, indem er die Verbindung zwischen dem Göttlichen und den Menschen herstellt, sie mit spiritueller Kraft und Inspiration versorgt und sie auf ihrem spirituellen Weg unterstützt und führt.

 

20. Woche

ANFÄNGER-GEIST

Der „Anfänger-Geist“ spielt im Zen eine bedeutende Rolle. Dieser Begriff stammt vom japanischen Zen-Meister Shunryu Suzuki, der betonte, wie wichtig es sei, stets mit einem offenen und interessierten Geist an die Dinge heranzugehen. Der Anfänger-Geist bedeutet, frei von Vorurteilen, Erwartungen und festen Überzeugungen zu sein und stattdessen die Dinge so zu betrachten, wie sie sind, ohne vorgefasste Meinungen.

Die Idee hinter dem Anfänger-Geist ist, dass wir uns oft von unseren Erfahrungen, Kenntnissen und angelernten Denkmustern einschränken lassen. Anstatt mit einer offenen Haltung und frischem Blick auf neue Situationen zuzugehen, reagieren wir häufig automatisch und aus Gewohnheit heraus. Dies kann dazu führen, dass wir die Wunder und Möglichkeiten des Lebens übersehen und uns in unserem Denken und Handeln versteifen.

Der Anfänger-Geist ermutigt uns, uns darin zu üben, wie ein Kind die Welt immer wieder neu zu entdecken. Ein Kind betrachtet die Dinge ohne vorgefertigte Meinungen oder Bewertungen und ist voller Neugierde und Begeisterung. Dieser Geist der Offenheit und Unvoreingenommenheit ermöglicht es uns, auch als Erwachsene wachsam, flexibel und kreativ zu bleiben.

Wenn wir mit einem Anfänger-Geist meditieren, sind wir bereit, uns von unseren Gedanken und Emotionen zu lösen und uns dem gegenwärtigen Moment hinzugeben. Diese Haltung ermöglicht es uns, tiefer in die Stille und Klarheit unseres Geistes einzutauchen und uns mit unserer wahren Natur zu verbinden.

Der Anfänger-Geist fordert uns heraus, uns von unseren Annahmen und Begrenzungen zu befreien und die Welt mit frischen Augen zu sehen. Es ist eine Praxis, die uns daran erinnert, dass das Leben ein ständiger Prozess des Lernens und Wachsens ist, und dass wir offen sein sollten für neue Erfahrungen und Erkenntnisse. Indem wir uns dem Anfänger-Geist öffnen, können wir unsere inneren Grenzen überwinden und uns einem Zustand der reinen Präsenz und Achtsamkeit hingeben.

Möge der Anfänger-Geist uns lehren, mit einer offenen, interessierten und liebevollen Haltung durch das Leben zu gehen und uns daran erinnern, dass jede Erfahrung eine Gelegenheit zur Erkenntnis und Transformation bietet. Weisheit liegt in der Bereitschaft, immer wieder von Neuem zu beginnen und uns auf den Fluss des Lebens einzulassen.

Mit einem Anfänger-Geist können wir die Welt mit neuen Augen sehen und erfahren, dass jede Erfahrung eine Gelegenheit zum Wachstum und zur Entwicklung bietet.

 

19. Woche

GEBEN & NEHMEN 

Ein Zen-Koan ist meist eine kleine, rätselhafte Geschichte, die zu einem inneren Verstehen anregen soll. Der Zen-Meister stellt eine Aufgabe, die nicht durch Denken gelöst werden kann. Es gibt also keine logische Antwort und doch lohnt es sich, der Frage wirklich auf den Grund zu gehen. Wenn sich das Denken erschöpft, kann es sogar zu einer echten Einheitserfahrung kommen. 

Hier ein Koan-Beispiel: Eine Zen-Schülerin, die schon längere Zeit erfolglos meditiert hatte, suchte einen Meister auf und bat um Unterweisung. „Meditieren ist mehr als nur in der Zazen-Haltung zu sitzen,“ klärte sie der Meister auf, „Meditation ist wie das Leben: Ein Geben und Nehmen.“ Die Schülerin war irritiert: „Aber was soll ich denn geben.“

Der Meister: „Geben heißt, sich hinzugeben.“ Nachdem sie eine Weile meditiert hatte, wurde sie langsam unruhig. Schließlich schaute sie den Meister fragend an, worauf dieser lakonisch feststellte: „Nichts wird passieren, solange du dein kleines Ich nicht auflöst. Das ist alles.“

Kommentar: Hinter dem „kleinen Ich“ verbirgt sich das Ego, das nach dem Motto lebt „Nehmen macht seliger als Geben“, gern unverbindlich bleibt und das sich besonders beim Hingeben schwertut. Dafür fällt es ihm umso leichter, selbst bei kleinen Problemen schnell aufzugeben.

Es ist eine Lehre, die weit über die Meditation hinausreicht und uns ermutigt, auch im Alltag mehr von uns selbst zu geben und mit offenem Herzen zu empfangen. Zen ist kein einzelner Moment der Stille, sondern ein kontinuierlicher Prozess des Gebens und Nehmens (Reihenfolge!), der das eigene Bewusstsein erweitert und zu innerer Harmonie führt.

 

18. Woche

ZEN & YOGA

Im Strom der Stille fließen Zen und Yoga zusammen. Diese beiden Quellen der Achtsamkeit entspringen der unendlichen Tiefe des Seins, wo das Ewige ruht und das Namenlose atmet. Sie sind zugleich verschieden und eins, wie Flüsse, die sich teilen und wieder vereinen. Jeder Strom trägt seine eigene Melodie, doch zusammen ergänzen sie sich auf wundersame Weise.

Achtsamkeit ist das sanfte Gewebe, das Zen und Yoga in einer meditativen Praxis des Zen-Yoga verbindet. Achtsamkeit ist das Werkzeug, das uns lehrt, gegenwärtig und vollkommen bewusst in jedem Augenblick des Übens zu sein.

Zen ist der klare Spiegel des Geistes, die Innenschau, die in tiefes Verstehen mündet. Wie ein stiller Teich reflektiert Zen die Wahrheit ohne Worte. Es lehrt uns, jeden Moment vollständig zu leben und dabei frei von jeglichen Anhaftungen zu sein. Das Erwachen entspringt in der simplen Direktheit des Jetzt – im einfachen Atemzug, im Klang einer Glocke, im Lächeln einer Blüte.

Yoga ist die Vereinigung von Körper, Geist und Seele. Auf der Matte und im Leben verwebt Yoga Atem und Bewegung, Absicht und Vollendung zu einer tänzerischen Umarmung. Hier, in der Balance von Asana und Pranayama, zwischen Stille und Energie, strebt Yoga danach, die Dualität zu überwinden und Einheit zu schaffen.

Zen spricht nicht. Yoga erwidert im Schweigen. Ihre Verbundenheit ist die Praxis des Spürens. Atme ein und berühre den Himmel der Klarheit. Atme aus und kehre zurück zur Erde der Innerlichkeit. Spüre den Herzschlag im Einklang mit dem Kosmos; fühle die Hingabe in jeder Dehnung, jeden Moment ganz bei dir und doch vollständig eins mit allem, was ist.

Im Zen-Yoga wird mit intensiver Achtsamkeit praktiziert. Dabei konzentrieren wir uns voll und ganz auf ein paar meditative Übungen. Wir bewegen uns sehr bewusst in die ausgewählte Asana hinein, indem wir die Kontrolle über den Atem sowie alle Gedanken loslassen.

Der Atem nimmt sich mehr und mehr zurück, wird immer ruhiger, bis wir spüren, dass Es in uns vollkommen eigenständig weiter atmet. Gleichzeitig erleben wir, wie unser Bewusstsein allmählich gedankenleer wird. Erst dann sind wir wirklich in der Asana angekommen.

Der natürliche Atemfluss ist der Schlüssel zur tiefen Meditation. Atem und Achtsamkeit begleiten uns auf dem spirituellen Pfad. Auf diese Weise können wir durch Yoga mit den Impulsen des Zen zu uns selbst finden und im Einklang mit dem Universum mehr Lebensqualität entwickeln.

 

17. Woche

VON KAT-ZEN LERNEN

Seit Jahresbeginn bekommen wir täglich Besuch von einem kleinen Kater, manchmal zum Frühstück, mal zum Abendbrot. Er hat uns anscheinend ausgewählt, weil er „etwas an uns gefressen“ hat. Manchmal kommt er erst spät in der Nacht und schläft sich draußen auf der Bank in „seinem Karton“ aus.

Der kleine Kater liebt seine Freiheit, kommt und geht, wann und wohin er will, und denkt nicht im Traum daran, sich bei uns einzunisten. Er ist unabhängig und benötigt nicht ständig unsere Aufmerksamkeit oder Zuneigung.

Wenn er mal keinen Appetit hat und sein Futter nicht beachtet, wissen wir nicht, ob er gerade einen Fang gemacht hat oder ob es ihm heute bei uns nicht schmeckt. Vielleicht hat er in der Nachbarschaft noch andere Stützpunkte. Neulich entdeckte ich ihn in Lauerstellung nebenan vor einem Gebüsch.

Obwohl der Kater kaum mit uns „redet“, haben wir schon viel von ihm gelernt. Katzen gelten tatsächlich als Profis für Achtsamkeit und Gelassenheit, weshalb man sie auch scherzhaft Ka-Zen-Meister nennt. Sie leben ständig im Hier und Jetzt, machen sich keine Sorgen über Vergangenheit oder Zukunft.

Katzen sind unglaublich fokussiert und haben eine einzelne Aufgabe fest im Blick. Dies ist vergleichbar mit der Zen-Praxis der Konzentration auf den gegenwärtigen Moment. Sie sind Meister der Stille und Beobachtung, können stundenlang stillsitzen und ihre Umgebung im Auge behalten.

Auch unser Kater ist vollständig in das eingebunden, was er gerade tut, sei es sich zu putzen oder die Fasane, Enten oder Singvögel zu belauern. Aber er macht keine Anstalten, sie zu jagen. Wie es scheint, lässt er sich durch nichts vom gegenwärtigen Moment abbringen.

Zusammenfassend können wir jetzt schon sagen: Der kleine Kater hat uns gelehrt, dass es wichtig ist, sich auf das zu konzentrieren, was wir wirklich brauchen, sowie im gegenwärtigen Moment zu leben und die Kunst der Stille zu entwickeln.

Also das nächste Mal, wenn wir den Kater wieder mal selbstvergessen in der Sonne liegend „meditieren“ sehen, nehmen wir uns ein Beispiel an ihm, ganz spontan den Moment der Stille zu genießen und das Leben mit Hingabe und Staunen zu betrachten.

 

16. Woche

GENUG IST GENUG

In einer Welt des ständigen Strebens nach immer mehr ist das Konzept „Genug ist genug“ revolutionär. Das heißt, wenig Ansprüche zu haben und sich mit dem zu begnügen, was man zum Leben wirklich braucht. Jemand, der weiß, dass er genug hat, ist selbst in Armut reich.

Immer mehr Menschen neigen heute dazu, Essen und Trinken nicht nur als Nahrung, sondern oft als Trost zu verwenden, ohne echten Hunger oder Durst zu spüren. Viele versuchen auch zu schlafen, ohne wirklich müde zu sein, um eine schmerzhafte Wirklichkeit auszublenden oder in Träume zu entfliehen? Diese Verwechslung von tiefen Bedürfnissen mit kurzlebigen Ersatzbefriedigungen wirft uns aus dem natürlichen Gleichgewicht.

Zen-Meister Rinzai, der Begründer einer großen Zen-Tradition, erklärte: „Wenn ich hungrig bin, esse ich. Wenn ich müde bin, schlafe ich. Die Narren lachen über mich, aber die Weisen verstehen es. Iss, wenn du hungrig bist.“ Dieser simple Satz ist die Grundlage allen wahren Übens. Er stellt beim Menschen wieder eine natürliche Balance her, um im Einklang mit dem Universum zu leben.

Wer partout die Wünsche seines Egos erfüllt haben möchte, der reitet auf einer Welle von Zufriedenheit und Enttäuschung. Mal ist er glücklich, ein anderes Mal todunglücklich. Echter Frieden jedoch entsteht aus einem Geisteszustand, der darüber hinaus geht.

Buddha lehrte: Zufriedenheit mit wenig zu finden, führt zu innerer Freiheit. Dies ist der Zustand von Nirwana – wo man nicht leidet, weil man nichts begehrt, wo wahre Fülle in der Einfachheit liegt und selbst in Armut ein Reichtum erfahren wird, der über materiellen Besitz hinausgeht.

Buddha hat seinen Anhängern immer wieder Genügsamkeit ans Herz gelegt: „Ihr solltet gut verstehen, dass einer, der viele Ansprüche hat, auch viel Mühe und Not hat. Denn er versucht, viel zu erlangen. Wer wenig Ansprüche hat, braucht sich nicht zu verstellen, um die Gunst anderer zu gewinnen, und er wird auch nicht von seinen Sinnen hin- und hergerissen.

Wer sich mit wenig Ansprüchen begnügt, ist gelassenen Geistes und kennt weder Sorge noch Neid. Er hat genug an den Dingen, die ihm begegnen. Ein Mensch, der weiß, dass er genug hat, ist zufrieden und glücklich, selbst wenn er auf dem Erdboden schläft.“

Das geistige Prinzip des „Wissens, dass es genügt“, ist eine sichere Zuflucht inmitten der Fülle. Indem wir dieses Wissen pflegen, können wir Zufriedenheit in jeder Situation finden. So leben wir nicht in Entbehrung, sondern entdecken den Reichtum in der Bescheidenheit. Weniger zu wollen, führt nicht zu weniger Lebensqualität, sondern zu einem tieferen Verständnis von Fülle und Freiheit.

Die Kunst, ein glückliches und zufriedenes Leben zu führen, besteht darin, das rechte Maß in allem zu finden und die Wahrheit dieser einfachen Worte zu verkörpern: Genug ist wirklich genug.

 

15. Woche

WENIGER IST MEHR

Alte Sprichwörter können sehr direkt, aber auch heilsam sein. Denn meist spiegelt sich in ihnen ein tieferer Sinn. So mögen die beiden Sprüche „Zeig mir, was du isst, und ich sage dir, wer du bist“ oder „Weniger ist mehr“ auf den ersten Blick urteilend und pauschalisierend erscheinen, doch in ihrem Kern bergen sie eine stille Aufforderung zur Achtsamkeit.

Sie können uns dazu inspirieren, sowohl unser physisches als auch unser spirituelles Wohlergehen zu betrachten und die feinen Muster unserer alltäglichen Entscheidungen zu erkennen.

Jeder Bissen, jede Mahlzeit wird zu einem Akt der Selbstfürsorge, der Gestaltung des eigenen Körpers und der Gesundheit. Doch ebenso bedeutend ist unsere geistige Speise: die Sinneseindrücke, die wir aufnehmen, und die Medien, die wir konsumieren, dann die Gedanken, die wir uns darüber machen, und die Gefühle, die wir nähren. Sie formen unser Innenleben und definieren, wie wir mit der äußeren Welt zurechtkommen.

Lassen wir uns also von diesen Leitsätzen anregen, einen Schritt zurückzutreten und unsere Lebensgewohnheiten – die sichtbaren und die unsichtbaren – aus der Distanz zu betrachten. Nicht um uns zu beurteilen oder in eine Schublade zu legen, sondern um bewusst und liebevoll zu prüfen, was uns tatsächlich nährt und bereichert.

Welche Nahrung wählen wir für unser Herz und welche Anregungen für unseren Verstand? Es ist diese sanfte Reflexion, die uns dazu führt, unsere Ernährung körperlich wie geistig bewusst zu gestalten, d.h. in Wachstum, Lebensfreude und Tiefe zu investieren.

Wenn du das nächste Mal meditierst, sei dir bewusst über die Qualität der Gedanken, die durch deinen Geist ziehen. Ob du sie wählst, ihnen nachhängst oder sie einfach loslässt – diese Entscheidungen sind deine tägliche „Ernährungsweise“.

In der Stille spricht die Nahrung zu uns von der Verantwortung, die wir für unsere eigene Erhaltung tragen. Sie ermahnt uns, wachsam zu sein für die Samen, die wir in unser inneres Feld pflanzen. Denn jeder Gedanke, jeder Moment der Konzentration, ist wie ein Samenkorn, das wächst und unsere Realität formen kann.

Lass es neben der Meditation zur täglichen Zen-Übung werden, sowohl deine physische als auch deine geistige Nahrungsaufnahme besonders achtsam zu praktizieren. Konsumiere nur, was du brauchst und verdauen kannst. Achte auf die Substanz und den Ursprung deiner Nahrung – körperlich und geistig.

Möge jeder von uns den Pfad der gesunden Ernährung in allen Dimensionen unseres Daseins beschreiten.  Sich von den Gaben der Natur sowie von heilsamen und liebevollen Gedanken zu nähren, fördert ein Leben voller Weisheit und echten Glücks.

 

14. Woche

DAS GEHEIMNIS DER LEERE

Eine tiefgründige Weisheit, die auf den ersten Blick paradox erscheinen mag, hat Lao-tse im elften Vers des Tao Te King verfasst. Die folgenden Zeilen illustrieren, dass sowohl die materiellen Aspekte unseres Lebens (was da ist) als auch immaterielle, leere Räume (was nicht da ist) ihren eigenen Wert und Zweck haben:

„Dreißig Speichen teilen eine Nabe,
in ihrem Nichts besteht des Wagens Werk.
Man höhlt Ton und bildet Gefäße,
in ihrem Nichts besteht des Gefäßes Werk.
Man bricht Fenster und Türen für das Haus,
in ihrem Nichts besteht des Hauses Werk.
Darum: Was da ist, dient zum Besitz,
was nicht da ist, dient zum Gebrauch.“

Die materiellen Dinge, die wir besitzen – wie z.B. Haus, Wagen und Gefäße – geben uns Sicherheit, Mobilität und Zusatznutzen. Sie repräsentieren das Feste, das Greifbare – all das, was wir „haben“ können.

Andererseits ist es das Immaterielle, die Leere, was die Dinge nutzbar macht. Die Zwischenräume der Räder, das Fassungsvermögen der Behälter und die Fenster und Türen in den Wänden ermöglichen erst die Funktionalität: das Transportieren von Menschen und Gütern, das Aufbereiten und Speichern von festen und flüssigen Stoffen sowie das Bewohnen von Räumen. Ohne diese immateriellen Aspekte hätten die materiellen Formen wenig bis keinen praktischen Nutzen.

In einem tieferen philosophischen oder spirituellen Sinne betont Lao-tse hiermit, dass wahre Nützlichkeit und Funktionalität nicht nur im physischen „Haben“ oder in der Anhäufung liegen, sondern viel mehr im leeren Raum – im „Nicht-Haben“. Es ist eine Einladung, unsere Sichtweise zu verschieben: Statt immer mehr anzusammeln, könnten wir unser Leben bereichern, indem wir genau das Gegenteil tun und Raum schaffen.

Wo in unserem Leben schaffen wir bewusst Raum für Leere? Wie oft nehmen wir uns Zeit für Stille, für das Nicht-Tun, um den Raum zu öffnen für das, was sich zeigen möchte? Es geht darum, eine Ausgewogenheit zwischen dem „Etwas“ und dem „Nichts“ zu schaffen, um Form und Leere, Fülle und Raum in Einklang zu bringen.

In der Zen-Praxis wird die Leere oft missverstanden als ein Zustand des Mangels, doch tatsächlich schafft sie Raum für unbegrenzte Möglichkeiten. Es ist das „Nichts“, das der Funktion Raum gibt und die Fülle des Lebens erst möglich macht.

Entsprechendes können wir beim Meditieren erleben, wo das Leerwerden des Geistes von all den Gedanken und Konzepten die Voraussetzung für Einsicht und Erleuchtung bildet. Durch das Loslassen entsteht jene Leere, um das Leben in seiner ganzen Fülle erfahren und nutzen zu können.

 

13. Woche

GANZ NATÜRLICH

Überschwemmungen, Waldbrände, und Orkane sind für die meisten von uns furchtbar und unverständlich, aber für unsere Erde ebenso nötig wie Frühlingsregen, warmer Sonnenschein, und frische Brisen. Schöpfung und Zerstörung sind zwei Seiten derselben Medaille. Ein Jahreszyklus umfasst Entstehen, Wachstum, Vergehen und Transformation. Alle Jahreszeiten sind einmalig wunderbar, keine ist besser oder schlechter als die andere.

Enge Verbundenheit mit der Natur führt dazu, ihre scheinbare Grausamkeit ebenso zu schätzen wie ihre liebende Güte, und damit zu einem besseren Verständnis des kosmischen Plans. Die Natur ist perfekt und lehrt uns, das Richtige zu tun, d.h. nach ihren Gesetzen zu leben.

In Krisenzeiten wie heute tut es besonders gut, durch Felder, Wälder und Landschaften zu streifen und hierüber nachzusinnen – mit Offenheit und Toleranz für alles, was geschehen mag: Denn das hilft uns, einen Geisteszustand voller Gelassenheit und Demut zu entwickeln, für den wir sehr dankbar sein können, wenn wir es in unserem Leben einmal selbst mit Rückschlägen zu tun bekommen.

Wer durch tiefe Versenkung zu den Geheimnissen des Seins vordringt, kann in jeder Veränderung eine vollkommene Manifestation des universellen Wirkens erkennen. In der Meditation spüren wir die Verbundenheit mit der Natur, indem wir uns auf den gegenwärtigen Augenblick konzentrieren. Doch das ist nicht einfach, denn unser Denken dreht sich ständig um Dinge, die längst vergangen oder noch gar nicht geschehen sind. –

Wer regelmäßig meditiert, kann mit der Zeit seine Liebe zur Natur entdecken. Denn je näher wir uns selbst kommen, desto mehr fühlen wir uns mit allen Wesen und natürlichen Daseinsformen verbunden. Da wird vielen klar, dass der Mensch Teil der Natur ist. Nur das Ego lebt in der Illusion, als wären wir getrennt von der Umwelt.

Zen lehrt uns die Kraft der Einfachheit mit gleichzeitiger Wertschätzung der Vielfalt aller Erscheinungsformen. Aber Einfachheit bedeutet nicht nur Genügsamkeit, sondern auch Natürlichkeit. Die Natur folgt dem Ruf des Lebens, sie wächst einfach im Einklang mit dem Kosmos.

 

12. Woche

DIE KUNST DES LOSLASSENS

In der Zen-Tradition bedeutet Loslassen, sich von allen Gedanken, Emotionen und Bewertungen zu befreien und einfach im gegenwärtigen Moment zu verweilen, ohne den Geist zu kontrollieren oder irgendetwas zu unterdrücken. Es geht darum, alle inneren Widerstände und Anhaftungen aufzugeben und sich auf die Erfahrung im Hier und Jetzt zu fokussieren.

Immer wenn unser Geist beim Meditieren allmählich zur Ruhe kommt, steigen aufgeladene Emotionen, Gedanken und Visionen vom Unterbewusstsein ins Bewusstsein auf. Dort versuchen sie dich zu besetzen und fortzutragen. Um diese Ablenkungen zu überwinden, mache sie einfach zum Objekt deiner Achtsamkeit.

Es ist nicht wichtig, darüber nachzudenken, warum wir solche Gedanken haben oder woher sie kommen. Eine Analyse würde nur vom Meditieren ablenken. In dem Fall ist es besser, nichts tun. Wann immer wir beurteilen, statt nur zu beobachten, ist die Achtsamkeit weniger effektiv.

Lasse Gedanken und Gefühle ruhig aus dem Unbewussten hochkommen, indem du nur beobachtest und nicht reagierst. So werden alle fehlgeleiteten Ideen, falschen Glaubenssätze, destruktiven Erinnerungen und negativen Prägungen aufgespürt, die wir im Lauf unseres Lebens angesammelt haben.

Es fällt uns jedoch oft schwer, loszulassen. Wir klammern uns an Vergangenes, aus Angst vor der Unsicherheit des Neuen. Denn Loslassen ist kein einfacher Prozess. Es erfordert Achtsamkeit, Geduld und Übung. Hier sind einige Tipps, wie du das Loslassen üben kannst:

· Sei beim Meditieren stets im gegenwärtigen Moment präsent und beobachte alle Aktivitäten deines Geistes (Gedanken, Vorstellungen, Gefühle), ohne an ihnen festzuhalten oder sie zu bewerten.

· Im Hintergrund all dieser einzelnen Geistesregungen steht immer die umfassende Frage nach dem „Ich“. Dieses „Ich“ mag die erste menschliche Regung überhaupt sein und auf dein wahres Wesen* hindeuten. Wenn du dich also darauf konzentrierst und dir mental mantramäßig die Frage stellst „Wer bin ich?“ oder lautlos „So-ham“ (Ich bin Es*) rezitierst, werden dich keine anderen Regungen mehr belästigen.

· Lasse auch alle konkreten Vorstellungen von einem Selbst los und befreie dich von ich-bezogenen Gedanken. Denn hinter all den Selbstbildern und Identifikationen versteckt sich nur dein Ego.

· Vermeide alle Erwartungen. Erkenne, dass sie oft Enttäuschungen und damit Leiden verursachen. Lass die Vorstellung los, wie die Dinge sein sollten, und akzeptiere, wie sie sind.

· Die Kunst des Loslassens kann nur durch kontinuierliche Achtsamkeitspraxis erlernt werden. Es ist ein Prozess, der dich auf dem Zen-Weg begleitet.

Sei geduldig mit dir selbst und erlaube dir, diesen Prozess zu durchlaufen, um den Fluss des Lebens von Begrenzungen zu befreien und den gegenwärtigen Moment in seiner ganzen Tiefe zu erleben.

 

11. Woche

EIN ERFÜLLTES LEBEN

Das Streben nach Jugend und immerwährender Leistungsfähigkeit ist in unserer Gesellschaft allgegenwärtig. Doch wer ständig dem Druck ausgesetzt ist, immer mehr zu leisten und sich zu beweisen, verliert oft den Blick für das Wesentliche im Leben. Denn die Vergänglichkeit ist ein natürlicher Teil des Lebens.

Wenn wir uns vom Zwang lösen, immer noch etwas leisten zu müssen, und stattdessen die Grenzen unserer natürlichen Kräfte akzeptieren, können wir uns von der Angst vor dem Altern befreien. Denn Altern ist kein plötzlicher Zustand, sondern ein ständiger Prozess lebenslanger Veränderung.

Allerdings ein mit Gier, Hass und Verblendung behafteter Mensch altert geistig oft schon relativ vorzeitig, weil er ausschließlich egoistische Ziele verfolgt und sich von seinen Trieben versklaven lässt. Ein gefangener Geist verfällt ähnlich schnell wie ein vernachlässigter Körper.

Durch gesunde Ernährung, viel körperliche Bewegung und regelmäßiges Meditieren können wir unsere mentale und physische Gesundheit stärken und mehr Zufriedenheit im Alter finden. Um den Zen-Weg unter den heutigen Bedingungen zu gehen, brauchen wir Motivation und Ausdauer.

Die Meditationspraxis ist zwar anfangs – weil es bergauf geht – etwas anstrengend, aber wenn wir die ersten Hindernisse hinter uns haben und im Übungsmodus bleiben, werden wir durch wertvolle Erkenntnisse belohnt.

Achtsamkeit und die Bereitschaft, unsere egoistischen Verhaltensweisen zu ändern, sind entscheidend, um ein erfülltes und gelassenes Leben im Alter zu führen. Ein klarer Geist wird nicht vorzeitig vergreisen, sondern sich lebenslang weiterentwickeln und bis ins hohe Alter lebendig bleiben.

Der aufgezeigte Weg kennt kein Ende und muss von jedem selbst gegangen werden. Die stille Hoffnung, dass es im Himmel jemand gibt, der sich ständig um uns sorgt, ist und bleibt ein frommer Wunsch.

Unsere Transformation müssen wir schon selbst betreiben. Doch mit der angestrebten inneren Balance brauchen wir uns vor dem Älterwerden dann nicht mehr zu fürchten. Der weise Mensch folgt seiner Wahren Natur.

 

10. Woche

MEHR ALS UNSERE SCHEINWELT

Unser Bewusstsein bestimmt, was für uns Wirklichkeit ist. Doch was wir wahrnehmen, ist nichts weiter als eine Interpretation der Realität – die Erschaffung einer eigenen verstandesmäßigen „Scheinwelt“. Denn unser Gehirn entscheidet sofort, was für uns interessant oder uninteressant ist. Solche Filter sind z.B. unsere jeweiligen Interessen, unsere Vorlieben und Erwartungen.

So erzeugen wir in jedem Augenblick unsere Scheinwelt, indem wir alle Sinneseindrücke, Empfindungen und Überlegungen in unser geistiges System einordnen. Wir können also davon ausgehen, dass jeder von uns die Wirklichkeit aus seiner Perspektive ganz anders erlebt. Ebenso verhält es sich mit der Selbstwahrnehmung. Die moderne Hirnforschung hat die schlichte Erkenntnis des Zen bestätigt: Unser Ich ist eine Illusion.

Zwar kennen wir viele verschiedene Ich-Zustände, wie beispielsweise das Körper-Ich, das moralische oder autobiografische Ich, aber alles ist vergänglich und hat somit keine endgültige Existenz. Unser gefühltes Ich ist ein unglaublich komplizierter Vorgang im Gehirn, über den wir alle nur staunen können. Dennoch ist es bisher nicht gelungen, das Ich irgendwo zu verorten. Aber wenn kein Ich da ist, wer oder was meditiert dann eigentlich?

Jetzt ist es drei Wochen her, als ich euch im Zen-Impuls die Frage gestellt habe „Wer bin ich eigentlich?“ und abschließend aufgefordert habe: „Tauche ein (in tiefe Bewusstseinszustände) erforsche und erlebe dich selbst jenseits der Illusionen des Egos!“ Wenn ihr dieser Empfehlung gefolgt ist, werdet ihr mit eurer Wahren Natur mehr oder weniger in Verbindung gekommen sein.

Ein untrügliches Anzeichen dafür ist, dass ihr euren Geist vollkommen beruhigt habt und in den grenzenlosen Raum des Bewusstseins gelangt seid. Wenn es euch dann noch gelungen ist, eure Rolle als Beobachter aufzugeben, habt ihr möglicherweise einen kurzen Blick durch das „torlose Tor“ erhaschen und euch davon überzeugen können, dass es in Wirklichkeit mehr gibt als nur unsere verstandesmäßige „Scheinwelt“.

Bitte gebt niemals auf! Die regelmäßige Meditationspraxis wird sich eines Tages lohnen. Ihr braucht nur etwas mehr Geduld – bis die Schleier vor euren Augen fallen.

 

09. Woche

DIE KUNST DER SELBSTIRONIE

Es mag euch vielleicht überraschen, dass Zen etwas mit Humor zu tun haben soll. Aber die Beziehung zwischen Lachen und Zen rührt daher, dass es sich bei Zen auch um die Frage dreht, wie man mit seinem inneren Druck sinnvoll umgeht.

Rutscht jemand aus und fällt hin, so ist er kaum imstande, darüber zu lachen, wenn er darauf bedacht ist, sein Gesicht zu wahren. Könnte er sich mit den Augen der anderen sehen und die Lage objektiv betrachten, würde er unbefangen lachen oder zumindest schmunzeln.

Durch den Blick von außen können wir leichthin die Rollen, Irrungen und Wirrungen sowie die Eitelkeiten oder das Bizarre einer Situation durchschauen. Im Grunde ist dies die Perspektive des höheren Selbst, das die Aufführung unserer göttlichen Komödie mitfühlend – und vielleicht mit einem Lächeln betrachtet. Humor ist eine göttliche und menschliche Eigenschaft; wir können sie weder bei Dingen noch bei Pflanzen und Tieren finden.

Sich nicht so wichtig zu nehmen, sich und anderen Fehler und Schwächen zuzugestehen, entspannt und macht gelassen. Je mehr Gelassenheit wir entwickeln, desto mehr Humor haben wir auch. Dabei ist Selbstironie nicht nur eine Kunst, sondern auch recht heilsam. Menschen mit Humor werden leichter mit Problemen, Anhaftungen, Verstrickungen, ja sogar Krankheiten fertig, wie jetzt die Medizinwissenschaft festgestellt hat.

Die beste Medizin gegen stressige Momente ist tatsächlich, kleinen Missgeschicken auch mal mit Heiterkeit zu begegnen. Mediziner, Psychologen und Sozialwissenschaftler sind sich mittlerweile einig, dass Humor sogar einen positiven Effekt auf das Immunsystem haben kann. Außerdem werden Schmerzen weniger intensiv wahrgenommen, wenn man lacht.

Humor und Lachen entspannen. Aber über sich selbst zu lachen, fällt nicht immer leicht. Wenn wir jedoch Teil einer vertrauten Gruppe sind, können wir die Umstände leichter objektiv betrachten und folglich viel eher lachen – sogar auf eigene Kosten. Das Lachen bringt uns in vertrautere Nähe zueinander, weil dabei unsere Egos aufgelöst werden. Denn beim Lachen fällt die Ego-Maske ab.

 

08. Woche

DAS INNERE NEIN

Stell dir vor, du bist ein großzügiger Gastgeber, der sein Zuhause für Freunde und Fremde offen hält. Jeder kann kommen und bleiben, wie er möchte. Manche Gäste sind rücksichtsvoll, während andere tun, was sie wollen. Es gibt zwar Regeln im Haus, aber niemand sorgt für ihre Einhaltung. Irgendwann kommst du an den Punkt, an dem du dich in deinem eigenen Zuhause nicht mehr wohl fühlst.

Ähnliches kann dir mit deinem Geist passieren. Die „Gäste“ sind Gedanken und Gefühle, die ungehindert eindringen, sich ausbreiten und manchmal sogar Chaos stiften. Wenn dieser Zustand beim Meditieren länger anhält, ist es ein klares Zeichen dafür, dass das Ego die Meditation beeinflusst. Auf diese Weise behält es die Kontrolle über deine Psyche.

Momente, in denen dir deine Unaufmerksamkeit bewusst wird, können erschütternd sein. Wenn du das Gefühl hast, dass dein Leben regelrecht an dir vorbeirauscht, regt sich Widerstand in dir. Am liebsten würdest du der Gedankenflut entkommen und die Meditation sofort beenden. Aber das muss nicht sein.

Alles, was du brauchst, um unerwünschte Gäste loszuwerden, ist dein „Inneres Nein“ als Schutzschild. Es ist immer verfügbar, um Ego-Einflüsterungen  – wie: „Meditieren ist für mich zu schwer.“ „Das kann ich nicht!“ „Man braucht besondere Fähigkeiten dafür“– direkt zu stoppen. Lass dich durch solche destruktiven Sätze nicht entmutigen und sprich innerlich ein entschiedenes „Nein, weg mit dir, Ego!“

Denn anstatt um „Frieden des Geistes“ zu bitten, besteht der Zweck der Meditation darin, die negativen Bilder und Glaubenssätze des Egos auszulöschen. Durch die konsequente Abgrenzung von solchen hinderlichen Denkmustern mit Hilfe des „Inneren Neins“ unterstützt du die Prozesse deines Bewusstseins, um tiefliegende, unbewusste Wahrheiten ans Licht zu bringen.

Mit Hilfe der Achtsamkeitspraxis erkennst du, was in deinem Geist passiert und welche „Gäste“ bleiben dürfen und welche gehen müssen, bevor sie größeren Schaden anrichten können. – Ein „Inneres Nein“ kann auch bei schwierigen Situationen im Alltag ganz hilfreich sein. Allerdings wird es einige Zeit dauern, um das Ego zu überwinden und wieder ungestört meditieren zu können.

 

07. Woche

WER BIN ICH WIRKLICH?

Im Laufe unserer spirituellen Reise stoßen wir oft auf die Vorstellung, dass unser Ego eine Illusion sei, die uns suggeriert, dass es unsere wahre Natur sei. Doch wer sind wir wirklich, wenn wir nicht unser Ego sind?

Buddha lehrte, dass unser Ich nur ein Zusammenspiel von folgenden fünf Daseinsgruppen ist: Körper, Gefühle, Wahrnehmung, Geistesformationen (Gedanken, Worte, Handlungen) und Bewusstsein. Hier finden wir das, was unsere psychische Persönlichkeit und unseren Charakter ausmacht, und uns als Individuum von anderen unterscheidet. Das heißt all unsere Hoffnungen, Wünsche und Sehnsüchte.

In diesem sich ständig verändernden Körper-Geist-Kontinuum (das wir sind) ist keine unveränderliche „Person“ zu finden oder etwas, das beständig ist, und als „Ich“ bezeichnet werden könnte. Durch unser Anhaften an diesem abgetrennten Ich, als einer Art von individuellem Wesen, wird viel Leid erzeugt; denn unsere Gedanken rufen Emotionen und Wünsche hervor, die Konflikte auslösen können.

Das Aufgeben des Egos kann eine Herausforderung sein, da du dich seit deiner Erinnerung damit identifizierst. Doch um wahre Befreiung, Gelassenheit und Heilung zu erlangen, ist dieser Schritt notwendig. Auch nach einem Erwachen behältst du deine Persönlichkeit und deine Fähigkeiten. Du bist einzigartig und unverwechselbar wie jeder andere Mensch auf der Welt. Aber du hast gleichzeitig die Gewissheit und Ruhe, dass dies nicht dein Ego ist.

Natürlich musst du diesen Worten nicht einfach glauben. Mach deine eigenen Erfahrungen. Es gibt keinen richtigen oder falschen Weg, diese Reise anzutreten. Erforsche die Zen-Praxis, praktiziere Meditation und Achtsamkeit. Ermögliche dir dadurch den Raum, jenseits des flüchtigen Egos deine wahre Natur zu entdecken.

Wenn du in tiefe Bewusstseinszustände eintauchst, hört das Ego auf zu existieren. Es verschwindet einfach. Aber du bist immer noch da, mit einem klaren Geist, voller Wachheit und im Hier und Jetzt. Du kannst feststellen, dass da nichts ist außer Leere. Da ist nur reines Bewusstsein ohne rationales Ego-Denken.

Indem du die Täuschung des Egos hinter dir lässt, wirst du tiefgehende Freude, Zufriedenheit und Verbundenheit mit dir selbst und der Welt um dich herum erfahren. Wenn du dich von den Begrenzungen des Egos befreist, kannst du ein erfülltes, authentisches und sinnerfülltes Leben führen.

Also worauf wartest du? Tauche ein, erforsche und erlebe dich selbst jenseits der Illusionen des Egos!

 

06. Woche

REISE IN INNERE TIEFEN

Meditation gehört zur Tiefendimension unseres Bewusstseins und stellt einen essenziellen Teil unseres Wesens dar. Deshalb kommt früher oder später in jeder Kultur und auf jedem Kontinent das Bedürfnis zum Vorschein, dem eigenen inneren Wesen auf den Grund zu gehen.

Die meditativen Erlebnisqualitäten liegen nicht alle auf der gleichen Ebene, sondern entfalten sich in einer Dimension, die sich als Meditationstiefe beschreiben lässt.

Auf Grundlage von umfangreichen Studien hat der Psychologe Dr. Harald Piron, eine traditionsunabhängige und Methoden übergreifende Dimension der Meditationstiefe untersucht und dabei fünf Tiefenbereiche mittels einer sogenannten Clusteranalyse ermittelt:

Der erste Tiefenbereich ist der flachste und beinhaltet all jene Erfahrungen, die einer Meditation zunächst scheinbar im Weg stehen. Dazu gehören beispielsweise Grübeleien, Gedankenkreisen wie im Hamsterrad, emotionale Unruhe wie Ärger oder Angst, innere Unruhe, Anspannung, Ungeduld, Langeweile und Unkonzentriertheit.

Sobald die anfänglichen Hindernisse überwunden sind, macht sich eine angenehme Entspannung des Körpers und Beruhigung des Gemüts bemerkbar. Diese kennzeichnen den zweiten Tiefenbereich. Zunehmende Geduld, Wohlbefinden und eine ruhige und fließende Atmung gehören dazu.
Durch weitere Übung entwickelt sich die Aufmerksamkeit; sie wird stabiler und wacher. Bald lässt sich eine innere, konzentrierte, starke Energie erfahren.

Weitere Früchte des Übens, die zum dritten Tiefenbereich gehören, sind Gleichmut und innerer Frieden. Gedankliche Bewegungen nehmen durch den Einfluss zunehmender Achtsamkeit ab und können die Klarheit des Bewusstseins nicht mehr beeinträchtigen.

Im vierten Tiefenbereich werden schließlich die essenzielleren Qualitäten erfahren, die nicht mehr personaler Natur sind, sich also nicht aus Selbstregulation und Aufmerksamkeitssteuerung ergeben, sondern Folge einer beginnenden Selbsttranszendenz sind. Die Grenzen von Ich und Umwelt, Raum und Zeit zerfließen. Verbundenheit, Liebe, Hingabe, Demut, Dankbarkeit, universelles Mitgefühl und unermessliche Freude werden erfahrbar.

Das letzte Cluster, der fünfte Tiefenbereich, schließt nahtlos an den vierten an und beinhaltet Erfahrungen, die sich als Erleben von Nicht-Dualität zusammenfassen lassen. Das Bewusstsein gelangt zum Seins-Grund. Da gibt es keine Grenzen mehr. Es wird in seiner grundsätzlichen Soheit erfahren, als leer, all-eins, formlos und zeitlos. – Da ist kein Subjekt und kein Objekt mehr, kein Gegenstand und kein Inhalt, kein Anfang und kein Ende, kein Gedanke und kein Denkender.

Auch wenn die Dimension der Meditationstiefe samt ihrer fünf Bereiche gesichert als transkulturell gelten kann, heißt das nicht, dass alle Wege gleich verlaufen und zum selben Ziel führen.

Wie die unzähligen Flüsse in ein offenes Meer münden und alle Weltmeere zusammen einen einzigen Ozean bilden, so erleben zwar alle Meditierenden im tiefsten Zustand dieses Einssein aller Meere, erreichen diesen Ozean aber an verschiedenen Stellen.

 

05. Woche

DEN DRUCK ABLASSEN

Es gibt im Leben immer wieder Situationen, in denen wir uns besonders anstrengen wollen, um etwas besonders gut zu machen. Doch oft merken wir nicht, wie sehr wir uns dabei in eine Sache verbeißen und dadurch unsere innere Gelassenheit verlieren. Die Absicht, koste es, was es wolle, etwas zu erreichen, macht uns anfällig für Scheitern und Enttäuschungen.

Manche Menschen setzen sich unrealistische oder zu viele Ziele, die schwer zu erreichen sind, was häufig zu Frustration, Burnout und Enttäuschung führt. Darüber hinaus kann eine übermäßige Fokussierung auf ein bestimmtes Ziel zu Konflikten und sozialer Isolation führen, da andere wichtige Aspekte des Lebens vernachlässigt werden, wie beispielsweise Gesundheit, Familie, Freunde, Hobbys oder persönliche Werte.

Doch es gibt eine bessere Methode, um unsere Wünsche zu realisieren – und das ist das Konzept des „entspannten Strebens“. Dabei geht es darum, den Druck abzulassen und unsere Erwartungen an unsere Möglichkeiten anzupassen oder sie sogar ganz loszulassen. Paradoxerweise können wir manchmal unsere Ziele sogar leichter erreichen, wenn wir loslassen und offen sind für das, was kommt.

Der chinesische Philosoph Tranxu verdeutlichte dieses Konzept mit einem anschaulichen Beispiel: „Erst wenn der Bogenschütze schießt, ohne an den Erfolg zu denken, kann er seine ganze Kunst entfalten. Will er eine Bronzemedaille erringen, fängt er an, unruhig zu werden.

Schießt er gar um den ersten Preis, trübt sich sein Blick, er sieht zwei Ziele und ist nicht mehr er selbst. Sein Können ist ihm nicht verloren gegangen, doch ist es durch seine Absicht, den Preis zu gewinnen, gespalten. Sein Fokus liegt mehr auf der Trophäe als darauf, die Scheibe zu treffen und seinen Geist leer werden zu lassen.“

Dieses Beispiel zeigt uns, dass es oft produktiver ist, sich auf den Prozess und nicht so sehr auf das Ergebnis zu konzentrieren. Indem wir den Druck und die Erwartungen loslassen, gelingt es, unseren Geist zu befreien und unser ganzes Können zu entfalten.

Die Idee des entspannten Strebens erinnert uns daran, dass es wichtig ist, in Harmonie mit uns selbst und unserer Umgebung zu sein. Wenn wir zu sehr nach den Ergebnissen schielen, verlieren wir oft den Blick auf das Wesentliche und blockieren unsere Fähigkeiten.

In diesem Sinne sollten wir uns immer daran erinnern, dass das Streben nach Zielen kein Kampf sein muss, sondern ein Prozess des Wachstums und der persönlichen Entwicklung.

 

04. Woche

KOAN – DIE KUNST DER INTUITION

Im Zen erscheint es völlig absurd, unser wahres Wesen mit logischem Denken zu erfassen. Abstrakte Erklärungen und endlose Diskussionen sind im Zen nutzlos. Alle philosophischen Spekulationen sind letztendlich nur intellektuelle Gedanken-Konstrukte.

Die wahre Wirklichkeit lässt sich nicht in die üblichen Denkmuster einordnen, sondern nur durch eigene Erfahrung verstehen. Denn sie spricht direkt die Intuition des Menschen an.

Durch unser blindes Vertrauen in unseren Verstand versperren wir uns den Zugang zu jenseits der Worte liegender Erkenntnis. Jede Antwort, die wir mit unserem analytischen Denken finden, wirft neue Fragen auf.

Je mehr wir uns auf das Ziel konzentrieren, desto weiter entfernen wir uns davon. Zen hat daher kein konkretes Ziel, sondern folgt einer Richtung: Der Weg selbst ist das Ziel.

Im Prozess des Erwachens geht es vor allem darum, das unterscheidende duale Denken loszulassen und unsere intuitive Fähigkeit weiterzuentwickeln.

Im Zen gibt es seit Jahrhunderten die Tradition, mittels eines Koans die Praktizierenden „zur Einsicht“ zu bringen. Beim Koan handelt es sich um  paradoxe Denkaufgaben oder rätselhafte Kurzgeschichten, die durch Meditation „gelöst“ werden können, indem man das logische Denken überwindet.

Das Koan „Das Mu von Joshu“ ist eines der bekanntesten und wird oft als erstes Koan gegeben, was ein Zen-Schüler in der Rinzai-Tradition studieren muss. Es lautet:

Ein Mönch fragte einmal Meister Joshu: „Hat ein Hund die Buddha-Natur oder nicht?“ Joshu sagte: „Mu!“

Diese Aufgabe muss von Anfängern nicht unbedingt gelöst werden, stattdessen soll sie die geistige Arbeit und damit tiefe Einblicke und Erhellungen fördern. Das Koan gilt als „gelöst“, wenn die Dualität (hier:   Sein oder Nichtsein) vom Schüler überwunden ist.

In unserem Koan-Beispiel (s. vorherigen Zen-Impuls) scheint die Aussage „NICHTS IST ALLES“ widersprüchlich zu sein, hat aber tiefgründige Bedeutung über die Natur der Realität – wie man unschwer bei der Reise durch den Makro- und Mikrokosmos ( https://youtu.be/SypY565Xmz4?feature=shared ) erkennen kann. „Wie im Großen so im Kleinen“ oder „ALLES = NICHTS“. Das ist „Ewige Gleichung“. Vielleicht hat unsere Koan-Übung jemandem intuitiv dabei geholfen, das sonst übliche duale Denken einmal auszuschalten.

 

03. Woche

NICHTS IST ALLES

Durchs Meditieren lernen wir, die Dinge so zu sehen, wie sie halt sind. Aber wie sind sie eigentlich? Manche Sachen sind ganz ähnlich wie erwartet, geplant, berechnet und verdient. Aber wie wären die gleichen Dinge und Ereignisse, wenn es niemanden gäbe, der plant, berechnet oder erwartet, und auch niemanden, der alles bewertet?

Wie wäre es, wenn es keinen geben würde, der alles durch seine eigene Wahrnehmung verfälscht und dann seine Interpretation mit der Realität verwechselt? Unsere Sicht auf die Welt ist immer nur ein kleiner Ausschnitt. So wie ein Blick durch einen Tunnel.

Dieser kleine Ausschnitt aus einer viel größeren Welt ist unser kleines „ich“, das Ego, die Schattenseite unseres ICHs. Wenn wir meditieren, meditiert zuerst dieses Ego. Und wenn das „kleine ich“ meditiert, meditiert nur ein begrenzter Ausschnitt der Welt. Und wenn unser Anreiz zum Meditieren von diesem Ausschnitt kommt, sind die Ergebnisse unserer Übung von den Erwartungen und Ängsten dieses einen Blickwinkels geprägt.

Wenn die Meditation unsere Annahmen bestätigt, sind wir glücklich. Wenn sie das nicht tut, verlieren wir das Interesse. Zum Glück ist echte Meditation viel mehr als das.

Ich meditiere geht eigentlich gar nicht. Denn das Ego, das meditieren könnte, gibt es laut Zen-Lehren als eigenständiges Wesen überhaupt nicht. Das klingt nicht gerade ermutigend. Und trotzdem scheint genau das die tiefere Motivation zu sein, die uns bewegt und inspiriert.

Irgendjemand – oder irgendetwas in uns – möchte meditieren. Nicht um das Bekannte zu bestätigen und vorher festgelegte Erwartungen zu erfüllen, sondern weil Meditation genau das nicht tut. Sie bestätigt unsere Erwartungen gerade nicht. Sie eröffnet einen Weg, der jenseits des Dualismus liegt.

Das Besondere an der Meditationsübung besteht darin, dass sie immer wieder frisch und immer wieder offen ist. Jeden Moment neu. Mit jedem Atemzug bringt sie frischen Wind in unsere muffigen Grübeleien und überholten Ansichten, klarere Sicht ins Dunkel der falschen Beurteilungen und egozentrischen Überzeugungen.

Wenn unsere Achtsamkeit dem Atem folgt, dann gibt es am Ende des Ausatmens nichts. Eine Lücke. Etwas Altes ist zu Ende und etwas Neues hat noch nicht begonnen. Ein Atemzug ist ausgeatmet und an der Wende eines neuen Einatmens ist einfach NICHTS, nur leerer Raum – der Zugang zum Jetzt. Das ist ALLES!

 

02. Woche

UNSER WAHRES WESEN

Unser Körper, unsere Begierden, Gefühle und Gedanken – all das mag uns definieren und charakterisieren, aber wir sind nicht diese Erscheinungen. Tatsächlich gibt es etwas in uns, das jenseits von allem steht – ein immer-gegenwärtiges Zentrum des Bewusstseins, das wir als unser wahres Wesen bezeichnen können.

Unser Körper ist lediglich ein Instrument, durch das wir die Welt erfahren. Wir können ihn sehen, fühlen und wahrnehmen, aber das wahre Sehende ist nicht der Körper selbst. Gleiches gilt für unsere Begierden – sie kommen und gehen, aber wir sind nicht diese Begierden. Wir können sie erkennen, aber sie berühren uns nicht in unserem Innersten.

Genauso verhält es sich mit unseren Gefühlen und Gedanken. Wir können sie fühlen, spüren und kennen, aber sie sind nicht das Wahrnehmende in uns. Sie passieren uns, doch sie berühren nicht unseren Kern.

Unsere wahre Natur ist wie „das Auge des Orkans“ – es bleibt stabil und still, selbst wenn die Ängste und das Leiden um uns herumwirbeln. Wenn wir bereit sind, als unparteiischer Zeuge das oberflächliche Treiben zu beobachten, können wir uns über das Geschehen hinwegsetzen und eine gewisse Gelassenheit empfinden.

In der Meditation ist es, als würden wir aus den stürmischen Wellen eines Meeres in die ruhigen Tiefen hinabtauchen. Anfangs mögen wir nur einige Meter unter der Oberfläche sein, aber mit Ausdauer können wir immer tiefer in die ruhigen Gründe unseres Wesens eintauchen.

Dort unten in der Tiefe können wir als neutraler Beobachter aufmerksam, aber distanziert, auf den Wirbel blicken, der uns einst gefangen hielt, als wir uns noch mit den Phänomenen und Problemen identifiziert haben.

Die Entdeckung des transpersonalen Zeugen verleiht uns die Fähigkeit, gelassen und friedlich zu bleiben – wie ein unbewegter Buddha. Selbst inmitten der stürmischsten Phasen des Lebens werden wir nicht mehr von Emotionen und Gedanken überwältigt, sondern erfahren eine neue Stabilität und Klarheit.

Im Grunde ist unser wahres Wesen, das transzendente Selbst, die Buddha-Natur oder unsere göttliche Seele von der gleichen Natur wie Gott oder des Absoluten oder des Einen Geistes (wie auch immer wir es nennen mögen). Das ist die Botschaft aller Mystiker – seien sie Christen, Hindus, Moslems, Taoisten oder Buddhisten.

 

01. Woche 2024

JEDEN TAG AUFS NEUE

Auch wenn wir hochmotiviert mit der Zen-Praxis beginnen, kann es leicht passieren, dass wir schon bald nicht mehr so regelmäßig und später immer seltener meditieren. Irgendwann merken wir, dass uns etwas fehlt. Aber ohne eine Kehrtwendung in unserem Alltagsbewusstsein kommen wir nicht weiter.

Vielleicht könnte ein neuer Anfang gelingen, wenn wir bereit sind, die folgenden Empfehlungen in die Tat umzusetzen. Eine gute Gelegenheit für einen Neubeginn bietet sich gerade jetzt zum Jahresanfang:

1. Tägliche Meditation: Setze dir das Ziel, jeden Tag etwas Zeit für deine Meditation zu finden – möglichst fünfmal pro Woche 15 -20 Minuten. Das regelmäßige Praktizieren wird dir helfen, eine tiefe Verbindung zum gegenwärtigen Moment herzustellen und deine Geisteshaltung zu kultivieren.

2. Achtsamkeit im Alltag: Bemühe dich darum, Achtsamkeit in alles, was du tust, zu integrieren. Sei präsent im Jetzt und versuche, jede Tätigkeit, sei es Kartoffel schälen, kochen, essen, im Büro arbeiten, Tee trinken oder spazieren gehen, mit vollem Bewusstsein zu erledigen.

3. Vereinfachung des Lebens: Erwäge, dein Leben zu vereinfachen, indem du dich von überflüssigen Sachen trennst und dich auf das Wesentliche konzentrierst. Durch das Loslassen von materiellen Belastungen kannst du mehr Klarheit für spirituelle Praktiken gewinnen.

4. Mitgefühl für dich selbst und andere entwickeln: Kultiviere ein Mitgefühl für dich selbst und sei geduldig mit deinen eigenen Fehlern und Unvollkommenheiten. Gleichzeitig versuche, Mitgefühl für andere zu entwickeln und ihren Leiden mit Verständnis und Freundlichkeit zu begegnen.

5. Dankbarkeit: Versuche mal eine Zeit lang, jeden Tag drei Dinge zu finden, für die du dankbar bist. Dies kann dir helfen, deine Perspektive zu ändern und dich auf die positiven Aspekte deines Lebens zu besinnen.

6. Gemeinschaft: Suche nach Möglichkeiten, dich mit anderen Praktizierenden auszutauschen und dich in einer Gemeinschaft zu engagieren. Dies kann dir helfen, deine Praxis zu vertiefen und dich mit Gleichgesinnten zu verbinden, um sich gegenseitig zu motivieren.

Bitte beachte, dass diese „guten Vorsätze“ nur Empfehlungen sind. Denn jeder Zen-Praktizierende ist einzigartig und sollte seine eigenen Ziele auf der Grundlage seiner individuellen Erfahrungen und Bedürfnisse setzen.

Wenn du dir aber noch nicht sicher bist, ob du das überhaupt willst, könntest du es wenigstens einmal ausprobieren. Veränderungen brauchen Zeit und es ist normal, dass es Rückschläge gibt. Bitte sei geduldig mit dir selbst und lasse dich nicht entmutigen. Es wird sich lohnen.

Denn durch eine konsequente Meditationspraxis wirst du erfahren, wie sich dein Konzentrationsvermögen, deine Kommunikationsfähigkeit, dein Gedächtnis und deine Intuition verbessern. Je eher du damit beginnst, desto länger bleibst du geistig fit – bis ins hohe Alter.

 

50. Woche

LIEBE SCHENKEN

Weihnachten ist wirklich ein wundervolles Fest, das die Herzen der Menschen auf der ganzen Welt berührt. Es ist eine Zeit, in der wir uns daran erinnern, wie wichtig es ist, Freude und Liebe zu teilen und unsere Beziehungen zu Familie und Freunden zu stärken.

Es ist auch eine Gelegenheit, um über die Bedeutung von Frieden und Mitgefühl nachzudenken, da diese Werte seit Menschengedenken zum „Fest der Liebe“ gehören.

Inmitten all der Herausforderungen und Probleme, mit denen wir auf der Welt konfrontiert sind, kann Weihnachten eine Oase der Zuversicht und des Glücks sein. Es ist eine Zeit, in der wir uns auf das Positive konzentrieren und unsere Herzen für alle Wesen um uns herum öffnen können.

Ganz gleich, ob du traditionell feierst oder nicht, vergiss nicht, dass es eine Zeit ist, um Freude und Liebe zu schenken und Notleidende entsprechend zu unterstützen.

Im Alltag kannst du mit kleinen Gesten Mildtätigkeit praktizieren. Das kann zum Beispiel bedeuten, einem Obdachlosen eine Mahlzeit zu spendieren oder freiwillige Arbeit zu leisten, sei es für ältere Menschen Besorgungen zu erledigen oder sich sozial zu engagieren.

Diese kleinen Gesten der Nächstenliebe können das Leben anderer und auch dein eigenes bereichern und zeigen, dass jeder von uns die Möglichkeit hat, durch milde Gaben Gutes zu tun. Denn nur, wer andere glücklich macht, kann selber glücklich werden.

Lasst uns den Zauber von Weihnachten nutzen, um auch darüberhinaus eine nachhaltige Veränderung in unserem alltäglichen Leben zu bewirken. Jede kleine Handlung der Freundlichkeit und des Mitgefühls kann dazu beitragen, dass unsere Welt zu einem besseren Ort.


49. Woche

BEFREITES AUFATMEN

Wie sich meditative Praktiken auf unseren Geist auswirken, lässt sich mit einem metaphorischen Flug über die Wolken vergleichen. Beim Rückblick nach dem Start können wir beobachten, wie das Flugzeug majestätisch über die Wolkendecke aufsteigt und uns mit nichts anderem als einem strahlend blauen Himmel zurücklässt. – Genau dieses Phänomen erleben wir auch in der Meditation: Wenn wir die Schwaden der Gedanken durchdringen und uns in die Tiefen unseres Geistes begeben, offenbart sich vor uns ein grenzenloser Raum des Bewusstseins.

Der Verstand kann jedoch ein ungezähmtes Wesen sein und es erfordert geschicktes Lenken, um nicht von der Flut der Gedanken fortgerissen zu werden. Wenn wir uns gegen diesen Strom stemmen, verhaken wir uns nur in den Sog der Ablenkungen und schaffen uns so neue Probleme.

Um eine stabile Achtsamkeit zu entwickeln, bietet sich der Atem als ideales Meditationsobjekt an: Er ist immer präsent und ermöglicht es uns, eine völlig passive Rolle als Beobachter einzunehmen. Ganz gleich, wo wir uns befinden oder zu welcher Zeit – wir können jederzeit und überall unsere Aufmerksamkeit auf den Atem richten und meditieren.

Wenn wir während der Meditation eine aufrechte Körperhaltung einnehmen und unsere Aufmerksamkeit auf ein langes, kraftvolles Ausatmen lenken, verlangsamen sich sowohl unser Atem- als auch unser Herzrhythmus. Dadurch wird unser Blut besser mit Sauerstoff versorgt und unsere inneren Organe profitieren von dieser erhöhten Sauerstoffzufuhr.

Ein optimaler Atemfluss kann unseren Alltag erheblich erleichtern. Eine kurze Einatmung gefolgt von einer tiefen, langen Ausatmung signalisiert Kraft und Vitalität. Die Luft strömt wie von selbst durch unsere Nase in den Körper und wird sanft und unhörbar mit einem leichten Druck auf unseren Unterleib wieder hinausgeleitet.

Diese wohltuende Massage auf unsere inneren Organe bewirkt, dass die Lebensenergie in uns wieder frei fließen und uns von energetischen Verspannungen und Blockaden lösen kann.

Erst wenn sich Körper und Geist in Harmonie befinden, können wir wieder befreit aufatmen und unser volles Potenzial als Mensch entfalten, indem wir uns über unsere egozentrische Begrenztheit hinaus zu höheren Bewusstseinsebenen spirituell weiterentwickeln.

 

48. Woche

GESUNDER MENSCHENVERSTAND?

Unser “gesunder Menschenverstand” kann uns glauben machen, dass wir als individuelle Ichs in einer Welt leben, in der wir von anderen Menschen und Dingen getrennt sind und unser Glück von äußeren Umständen abhängt. Doch dies ist ein tiefer verwurzelter Irrtum, der durch unser angeborenes Denkschema verstärkt und vom kollektiven Ego genährt wird.

Eine Möglichkeit, sich von solchen fehlgeleiteten Vorstellungen zu befreien, ist es, geführte Meditationen zu nutzen, um auf höhere Bewusstseinsebenen wie Liebe, Freude und Frieden zu gelangen und gleichzeitig Achtsamkeit zu praktizieren. Dadurch können wir unsere Gedanken und Emotionen besser beobachten, ohne uns von ihnen überwältigen zu lassen.

Auf diesem Übungsweg lösen wir uns von negativen Bildern, destruktiven Zellerinnerungen, falschen Glaubenssätzen und egozentrischem Denken. In dem Moment, in dem wir durch meditative Erfahrungen Hinweise darauf finden, dass die Realität anders ist als angenommen, werden unsere illusionären Vorstellungen tiefgreifend korrigiert.

Darüber hinaus hat Meditation nachweislich einen positiven Einfluss auf das allgemeine Wohlbefinden sowie auf die psychische Gesundheit. Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass regelmäßiges Meditieren dazu beitragen kann, stressbedingte Symptome wie Angstzustände, Depressionen und Schlafstörungen zu reduzieren.

Meditation hilft, uns mit unserem Körper zu verbinden und liebevoller mit unseren Bedürfnissen umzugehen. Dies führt zu einer verbesserten emotionalen Stabilität und einem Gefühl der inneren Ruhe und Gelassenheit. Durch die Stärkung des Selbstbewusstseins und des Selbstmitgefühls werden wir in der Lage sein, besser mit belastenden Herausforderungen umzugehen und ein selbstbestimmtes Leben im Hier und Jetzt zu führen.

 

47. Woche

BEWUSSTSEIN IM WANDEL

In einer Realität jenseits von Raum und Zeit existiert ein mysteriöses Geheimnis. Diese Wirklichkeit hat weder Form noch Namen und entzieht sich einer Beschreibung durch Worte. Tief in unserem Bewusstsein schlummert eine Energiequelle, die unserem Geist die Impulse zur echten Lebenskunst verleihen könnte, wenn wir sie nur entdecken würden.

Theoretisches Wissen allein wird uns nicht weiterhelfen, sondern nur lebendige Erfahrung. Eine tiefere Art des Sehens kann nur durch konsequentes meditatives Üben erlangt werden, bis uns spirituell die Augen aufgehen. Diese Keimzelle der Lebensenergie in uns zu entdecken und sie in der Stille des bewussten Seins wie ein zartes Pflänzchen zu kultivieren – das ist der Weg zu höheren Bewusstseinsebenen.

In der Meditation können wir diese Urquelle erahnen, die tief in unserem Inneren existiert. Um ein ganzheitliches Seins-Gefühl zu entfalten, ist es wichtig, alle Seins-Ebenen – Körper, Atem, Emotionen und Gedanken – miteinander zu verbinden und die Kraft unseres Bewusstseins wirklich zu erleben. Es ist eine ewige Energie der Wachheit, Liebe und Verbundenheit mit allem, was existiert.

Seit ewigen Zeiten tragen wir ein Bewusstseinspotential in uns, das jenseits des Verstandes liegt. Allerdings haben bisher nur verhältnismäßig Wenige den Weg zu dieser Wahrheit gefunden. Denn seit Menschengedenken hat sich durch fehlgeleitete Ideen und Glaubenssätze ein Bewusstsein entwickelt, in dem die meisten heute noch leben – ein Zustand der irrelevanten Trennung und gestörten Identität.

Doch die Zeit ist nun reif für ein neues Bewusstsein, das spirituell ist und die jetzige Geistesebene überschreitet. Tatsächlich tritt gegenwärtig auf der Erde bei vielen Menschen ein spiritueller Wandel in Erscheinung, der den Sinn der irdischen Evolution erkennen lässt und den Weg zur Entwicklung eines kosmischen bzw. göttlichen Bewusstseins öffnet.

Hermann Hesse hat dies in „Lektüre für Minuten“ treffend so beschrieben: „Die Dinge, die wir sehen, sind dieselben Dinge, die in uns sind. Es gibt keine Wirklichkeit als die, die wir in uns haben. Darum leben die meisten Menschen so unwirklich, weil sie die Bilder außerhalb für das Wirkliche halten und ihre eigene Welt in sich gar nicht zu Worte kommen lassen. Man kann glücklich dabei sein. Aber wenn man einmal das andere weiß, dann hat man die Wahl, nicht mehr den Weg der meisten zu gehen“.

 

46. Woche

ZURÜCK ZUR GEGENWART

Reines Bewusstsein ist der Kern unserer Existenz, das grundlegende Element, das uns als Individuen ausmacht. Es ist der Teil von uns, der sich unserer eigenen Erfahrungen und Gedanken bewusst ist – losgelöst von äußeren Einflüssen.

Das normale Alltagsbewusstsein der Menschheit ist allerdings geprägt von geistiger Abwesenheit. Wir sind oft nicht ganz da und verpassen dadurch das echte Leben. Statt im Jetzt zu leben, suchen wir die Erfüllung in einer Zukunft, die eigentlich nicht existiert.

Wenn du dich im Denken verlierst, wirst du Momente haben, in denen du in Träumereien über die Zukunft abschweifst – zum Beispiel darüber, was du am kommenden Wochenende unternehmen könntest. – Plötzlich wirst du wieder wach und bist präsent.

Dass dir dies immer wieder beim Meditieren passiert, ist anfangs ganz normal. Es ist jedoch klar, dass wir niemals in der Zukunft ankommen werden. Der Zustand des Nicht-Ganz-Daseins wird höchst selten hinterfragt, weshalb das Leben oft als frustrierend und belastend empfunden wird.

Um das Wesen des Bewusstseins zu verstehen, ist es notwendig, sich von äußeren Eindrücken und Gedanken zu lösen. In der Meditation geht es deshalb vor allem darum, ein Höchstmaß an Präsenz zu erlangen, indem man den Geist zum Schweigen bringt und das aktive Denken abstellt.

Dieser neue Bewusstseinszustand zeichnet sich im Wesentlichen dadurch aus, dass wir uns auf den gegenwärtigen Augenblick so intensiv konzentrieren, als ginge es um alles oder nichts. Um ankommende Gedanken zu ignorieren, kann es hilfreich sein, bei jedem Einatmen mental “jetzt” und beim Ausatmen “hier” zu sagen.

Wenn wir beim Meditieren in die Tiefe des Seins eintauchen, können wir die Fülle des Lebens in jedem Moment mit jeder Zelle unseres Körpers erleben. Die Kraft, die du im Jetzt spürst, ist die Kraft deines eigenen Seins. Dein Sein ist die ultimative Erfüllung. Wer es schafft, mit Geduld und Hingabe im reinen Bewusstsein der Gegenwärtigkeit zu verweilen, kann sich glücklich schätzen.

 

45. Woche

JETZT – IN DIESEM MOMENT

Das Leben im Hier und Jetzt – der Weg der Achtsamkeit – ist in vielen fernöstlichen Kulturen tief verwurzelt und findet auch bei uns im Westen in jüngster Zeit immer mehr Anhänger.

Der Buddha erklärte einst, dass ein Mensch, der wirklich bewusst lebt, in dieser Welt wie eine Biene agiert. Er berührt nie die Schönheit der Welt und zerstört nicht den Duft. Er geht seinen Weg in Stille und bittet nur um das, was er wirklich benötigt. Sein Leben ist einfach und nicht überladen. Er lebt entspannt im gegenwärtigen Augenblick.

Im Zen streben wir ebenfalls danach, jetzt – in diesem Moment zu leben, ohne von Vergangenheit oder Zukunft belastet zu sein. Denn alles ereignet sich immer nur im Hier und Jetzt. Vergangenheit und Zukunft haben keine eigene Realität, sondern sind lediglich subjektive Erinnerungen oder persönliche Vorstellungen von einer vergangenen oder künftigen Gegenwart.

Als neutrale Beobachter des momentanen Geschehens müssen wir uns nicht länger mit dem endlosen Strom der Gedanken identifizieren. Stattdessen können wir ihn wie den fließenden Verkehr von einer Brücke aus beobachten. Vielleicht verstehen wir dabei irgendwann, dass sich alles wiederholt und dies ein lebenslanger Kreislauf ist.

Dieser Kreislauf ist jedoch auch deprimierend, da er immer wieder dieselben Emotionen hervorbringt: Ärger, Hass, Wut, Gier, unaufhörliche Wünsche, Erwartungen, Sehnsüchte, ständiges Urteilen und Bewertungen sowie Vorlieben und Abneigungen.

Erst wenn wir in der Meditation das „Kopfkino“ einfach abschalten, verschwindet mit „Projektor und Leinwand“ auch der ganze Spuk wie eine Traumwelt. Dann können wir einen Blick auf die wahre Wirklichkeit erhaschen. Willkommen im Hier und Jetzt!

 

44. Woche

WIE FÜHLST DU DICH?

Jeder von uns hat ein Verstandes- und ein Spürbewusstsein. Keines ist besser oder schlechter als das andere. Du brauchst beide Zugänge, um mit dir und anderen zu kommunizieren – und dich in der Tiefe verstehen zu können.

Immer wenn Denken und Sprache im Spiel sind, ist das Verstandesbewusstsein aktiv. Das Spürbewusstsein hingegen verliert keine Worte, du erfährst dich über die direkte Einfühlung in den Körper. Weil bei den meisten Menschen das Denkbewusstsein im normalen Alltag vorherrscht, wäre vielleicht folgende Übung für dein Fühlbewusstsein einmal interessant:

Setze dich entspannt auf dein Meditationskissen und beginne das Mantra / die Silbe OM (AUM ist der Urklang des Universums) zu chanten. Erzeuge ein sanftes, möglichst ungezwungenes Summen, das eher nach innen als nach außen geht. Lasse es locker und ohne Anstrengung immer wieder von neuem durch den Körper fließen.

Mache zwischendurch kleine Pausen und wiederhole die Übung so oft du magst. Du kannst auch mit geschlossenem Mund oder mit unterschiedlichen Tonfrequenzen summen. Bitte habe keine Erwartungen, aber achte vor allem darauf, was passiert – was du dabei empfindest und wie du dich nachher fühlst. Wenn du diese Übung hin und wieder in deine Zen-Praxis aufnimmst, kann sich dein Spürbewusstsein wesentlich verfeinern.

Es geh darum, einen besseren Zugang zu uns selbst und ein natürliches Verhältnis zum eigenen Körper zu entwickeln. Jeder von uns ist ein lebendiger Prozess. In unserem Organismus wird ständig Energie produziert und im Stoffwechsel umgesetzt. Durch das „Summen“ (nach: Dr. Julie Henderson) können Körperzonen, Gewebe, Organe und Funktionssysteme aktiviert werden. Auch die Verbindung zwischen den Organen kann so gestärkt bzw. die Kooperation von Organsystemen unterstützt und zum gesünderen Funktionieren angeregt werden.

 

43. Woche

EIN SELBSTBESTIMMTES LEBEN

In einer Zeit, in der wir ständig mit den vermeintlich perfekten Leben anderer Menschen in den sozialen Medien konfrontiert werden, ist es wichtiger denn je, unrealistische Herausforderungen zu vermeiden. Denn an zu hochgesteckten Zielen zu scheitern, würde unser Selbstvertrauen langfristig untergraben.

Um dein Selbstvertrauen aufzubauen, konzentriere dich auf deine Stärken und akzeptiere deine Schwächen. Die Selbstakzeptanz ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu mehr Selbstbewusstsein. Sie ermöglicht es uns, inneren Frieden zu finden und unser volles Potenzial zu entfalten. Wenn du daran interessiert bist, dein Selbstwertgefühl zu stärken, sind hier einige Empfehlungen, die dir dabei helfen können:

  • Nimm dir Zeit, um über dich selbst nachzudenken. Was sind deine Stärken und Schwächen? Was macht dich einzigartig? Begegne all diesen Aspekten deiner Persönlichkeit mit Mitgefühl und Empathie.
  • Sei geduldig mit dir selbst. Niemand ist perfekt, und Fehler gehören zum Leben dazu. Es ist wichtig, zu akzeptieren, dass du nicht immer alles richtig machen wirst, und aus deinen Fehlern zu lernen. Gib dir selbst Raum für Wachstum und Entwicklung.
  • Kümmere dich gut um dich selbst, um deine innere Balance zu finden. Das bedeutet, auf deine physische und emotionale Gesundheit zu achten, deine Bedürfnisse zu erkennen und für sie zu sorgen. Dazu gehört eine ausgewogene Ernährung, regelmäßige Bewegung und genügend Schlaf.
  • Vermeide es, dich ständig mit anderen zu vergleichen. Jeder Mensch ist einzigartig und hat seine eigenen Talente und Fähigkeiten. Umgib dich mit Menschen, die dich unterstützen und ermutigen, statt dich herunterzuziehen.
  • Praktiziere möglichst regelmäßig Meditation und Achtsamkeit, um dich besser mit dir selbst zu verbinden und innere Ruhe zu finden. Durch diese Praktiken kannst du die Gedanken und Urteile loslassen, die dich daran hindern, dich voll und ganz anzunehmen.

Selbstbewusstsein ist ein fortwährender Prozess, und es ist vollkommen in Ordnung, Tage zu haben, an denen es schwerfällt, sich selbst anzunehmen. Aber erinnere dich daran, dass du es wert bist, dich selbst zu mögen und zu respektieren. Sei nachsichtig mit dir selbst und erkenne deine Einzigartigkeit an. – Indem du diesen Weg der Selbstakzeptanz beschreitest, wirst du ein selbstbestimmtes Leben führen – im Einklang mit deiner wahren Natur.

 

42. Woche

WIE EIN LEERER SPIEGEL

Meditation ist das Natürlichste überhaupt, aber für die meisten Menschen bleibt es ein geheimnisvolles Nicht-Tun – ohne Sinn und Verstand. Und  genau das ist Zazen – die Zen-Meditation. Sie ermöglicht es uns, unsere innere Stille wieder zu entdecken, indem wir schlicht aufhören, irgendetwas an unserer Erfahrung des jetzigen Moments zu verändern. So kommen wir zu uns selbst, in einen natürlichen Zustand.

Wenn wir jedoch nicht so genau wissen, warum wir eigentlich meditieren, können wir auch unter idealen Bedingungen auf dem Kissen unsere kostbare Lebenszeit verdösen. Denn der ungeübte Geist ist selten in der Balance, sondern pendelt ständig zwischen Erregtheit, Unruhe oder Müdigkeit und Antriebslosigkeit hin und her.

Wenn wir zum Beispiel denken: “Endlich ist der Geist ruhig und ich ruhe in mir selbst”, dann ruht der Geist schon nicht mehr in seinem natürlichen Zustand, sondern analysiert und bewertet. Auch der Gedanke: “Ah, jetzt habe ich verstanden, was Meditation ist”, ist nur ein Beweis, dass wir nichts verstanden haben, denn in wahrer Meditation gibt es keinen Kommentar.

Wenn sich in der Meditation Stille und Einsicht nicht einstellen, überlasse dich nicht länger deinen Gedanken. Lege alles ab – deine Meinung, deine Bestimmung, deine Situation. Tu alles von Augenblick zu Augenblick. Dann gibt es kein Subjekt, kein Objekt, kein Innen, kein Außen. Innen und Außen werden eins.

Der Geist wird oft mit einem Spiegel verglichen, in dem sich ungehindert alles zeigt, was erscheint. Alles spiegelt sich in einem leeren Spiegel und dabei ist der Himmel blau, der Baum grün, der Berg ist hoch und der See tief. Wie ein Spiegel hält der Geist nichts fest und bleibt immer offen für Neues. Dies ist die ungehinderte und zugleich nicht zerstreute Qualität des Geistes, die sich dir enthüllt, wenn du mit Vertrauen praktizierst.

Das ist die Wahrheit und dennoch verdrängen wir diese durch unser ständiges „Verstehen wollen“. Der Verstand hat uns zwar sehr weit gebracht, aber er sollte nicht unser ganzes Leben bestimmen. Beim Zazen geht es nicht um das Verstehen, sondern darum, in Achtsamkeit im Augenblick zu leben. Das bedeutet schlicht: Sitze gerade und denke nicht.

Wenn dir das gelingt, bist du bereits auf dem Weg, dich von klammernden Gedanken zu befreien. Das ist die beste Voraussetzung, deinen Geist zu öffnen und den Augenblick wahrzunehmen. Es ist also vor allem die innere Einstellung, welche dich befähigt, den Weg der Wahrheit einzuschlagen.

Denn letztendlich geht es um die Rückbesinnung auf das, was wirklich zählt, nämlich in der Meditation einen stillen, klaren Geist und ein offenes Herz zu entwickeln. Wenn der Weg klar ist, dann macht auch das Leben Sinn.

 

41. Woche

NUR NICHT AUFGEBEN

Möglicherweise hast du im Moment das Gefühl, dass du mit deiner Meditationspraxis nicht weiterkommst. Gib bloß nicht auf – niemals. Alles, was deinen Weg blockiert, sind vielleicht zu hohe Erwartungen oder die Befürchtung, ständig auf der Stelle zu treten. Lass diese Vorstellungen los, praktiziere weiter und du wirst sehen, die Hindernisse lösen sich in Luft auf und du kannst ungehindert weitermachen. Meistens folgen auf große Zweifel ebenso große Fortschritte.

Ein bisschen Disziplin und etwas mehr Geduld sind die Voraussetzungen, um höchste Erkenntnis und ihre Verwirklichung zu erlangen. Doch wieviel Geduld und Ausdauer kann ein Mensch in dieser flüchtigen Zeit eigentlich aufbringen? Auch das ist alles nur eine Frage der Übung.

Entsprechendes Durchhaltevermögen lässt sich durch ein gewisses Maß an Willenskraft erwerben und kann uns zu mehr Gelassenheit, Standhaftigkeit und Weisheit verhelfen. So betrachtet, kann ein geduldiger Mensch auf der Suche nach der Wahrheit eigentlich alles erreichen. Allerdings nur dann, wenn man es wirklich will, weil man an etwas glaubt und sich entsprechend anstrengt.

Was hältst du von einer kleinen Selbstverpflichtung, mindestens an fünf Tagen in der Woche zu meditieren? Es müssen nicht immer 25 Minuten sein. Wichtig ist nur, dass du möglichst einmal am Tag absolut zur Ruhe kommst. Und schließlich können sich auch gemeinsames Praktizieren und Erfahrungstausch mit Gleichgesinnten motivierend auf deinen spirituellen Weg auswirken. – Es wäre doch zu schade, wenn du deine Chance zur Selbstverwirklichung nicht nutzen würdest.

 

40. Woche

SELBSTVERWIRKLICHUNG

Spürst du diese Sehnsucht tief in dir, nach Selbstverwirklichung? Nach der Möglichkeit, das eigene Leben selbstbestimmt zu gestalten? – Du bist mehr als nur ein Körper in dieser dreidimensionalen Welt. Schau genauer hin und du wirst die Essenz eines Menschen erkennen – ein lebendiger „Prozess“ aus Gedanken, Gefühlen, Willenskraft, Mustern und Energie. Doch dieses innerste Wesen ist nicht im physischen Dasein zu finden.

Der Weg zum Reinen Gewahrsein beginnt damit, den „Prozess“ bewusst zu erleben. Spüre zum Beispiel den Atem in deinem Bauchraum – wie er sich hebt und senkt, wenn die Luft durch Nase oder Mund strömt. Sei dir vollkommen bewusst über den Atemfluss, ohne ihn zu kontrollieren oder zu beeinflussen.

Beruhigt sich der Atem, kann sich der Körper entspannen, entspannt sich der Körper, kommt der Geist zur Ruhe und kann sich das Herz weit öffnen. Lass dein Bewusstsein sich ausdehnen und spüre die Weite und Lebendigkeit in dir selbst.

Wenn du dein Bewusstsein erweiterst und dich durch dein eigenes Feld aus Denken, Fühlen, Wollen und alten Mustern bewegst, wirst du dich selbst entdecken. Das Wesenhafte in dir wird spürbar werden – eine Verbindung zum Leben selbst und zu allen umgebenden Wesen. Reines Gewahrsein ist das Erleben unseres verbundenen Selbst, gleichzeitig als Körper und Geist präsent.

Werde dir des Energiefeldes deines ganzen Körpers bewusst. Spüre wie sich dein feinstofflicher Körper über die Grenzen des physischen Körpers ausdehnt. Achte auf den Raum, worin die Gedanken erscheinen. Immer wieder neu sich absichtslos entspannen – in das Erleben des Raumes. Lass deinen Geist sich selbst erleben. – Gewahrsein wird seiner selbst gewahr.

Das wahre Selbst ist pure Lebendigkeit, innere Freude, Leichtigkeit und Verbundenheit, Einfachheit, Klarheit, Frieden und grenzenlose Weite. Das Leben im Gewahrsein ist die hohe Kunst der Achtsamkeit. Wenn du jemals etwas vermisst oder dich nach etwas sehnst, dann ist es in Wahrheit nichts anderes als die Verbundenheit mit der einen Lebenskraft – jener Energie und Lebendigkeit, die uns erfüllt.

Also lass uns gemeinsam aufbrechen und diese Sehnsucht nach Selbstverwirklichung stillen. Spüre die Fülle des Lebens in dir und um dich herum. Du bist dazu bestimmt, dein wahres Selbst zu erkennen und mit Liebe und Kreativität dein Leben zu gestalten.

 

Zur Information

EIN KOSMISCHES GEHEIMNIS

Im ZEN bzw. anderen spirituellen Traditionen werden zwei Begriffe verwendet, über die es wohl nie eine letzte Klarheit geben wird. Hier der Versuch einer Definition:

“UNIVERSELLES BEWUSSTSEIN” bezieht sich auf die Idee, dass es eine universelle Quelle des Bewusstseins gibt, die in allem und jedem existiert.  Es ist die Quelle des menschlichen Lebens und der Quell von Glückseligkeit, Freude und Liebe.  Es ist auch die Quelle von Zeit und Raum sowie von Bewusstsein, Energie und Materie. Das universelle Bewusstsein wird oft als unpersönliches Absolutes beschrieben, das alles enthält, was entstanden ist.

“GÖTTLICHES GEWAHRSEIN” bezieht sich auf das Bewusstsein von Gott oder einer höheren Macht.  Es ist ein Zustand des Seins, in dem man sich mit der göttlichen Präsenz verbunden fühlt. Es ist ein Zustand der Erleuchtung, in dem man sich bewusst wird, dass alles eins ist und dass Gott in allem existiert.

Obwohl es Unterschiede zwischen diesen beiden Konzepten gibt, gibt es auch Gemeinsamkeiten. Beide beziehen sich auf eine höhere Macht oder Präsenz, die in allem existiert. Sie betonen auch die Idee der Einheit und des Eins-Seins.

 

39. Woche

DAS GEHEIMNIS DES GEWAHRSEINS

Was wäre, wenn wir Zugang hätten zu einer unendlichen Quelle von Weisheit, Liebe und Kreativität? Was wäre, wenn wir immer die richtige Entscheidung treffen könnten, indem wir einfach auf unsere innere Stimme hören? Was wäre, wenn wir uns mit einem Höheren Gewahrsein verbinden könnten, das uns den Sinn unseres Lebens offenbart?

Das klingt vielleicht zu schön, um wahr zu sein, aber es ist möglich. Es ist das Geheimnis des Gewahrseins, das viele spirituelle Traditionen lehren. Gewahrsein bedeutet, präsent zu sein und sich mit dem Fluss des Lebens zu bewegen. Gewahrsein bedeutet, sich selbst und die Welt um sich herum in jedem Moment wahrzunehmen, ohne zu bewerten oder zu analysieren.

Das Gewahrsein ist nicht etwas, das man erlernen oder erwerben muss. Es ist etwas, das man schon immer hatte, aber vergessen oder übersehen hat. Es ist etwas, das man nur wieder entdecken und entwickeln muss. Das Leben versucht nämlich manchmal, uns etwas mitzuteilen, und wir müssen nur lernen, darauf zu hören. Und der beste Weg, das zu tun, ist die Meditation.

Die Voraussetzung dafür, dass wir diese Informationen empfangen können, liegt in der Fähigkeit, still zu werden, zuzuhören und die Signale des Lebens wahrzunehmen. Insbesondere in tiefer Meditation, wenn der Geist sich seiner selbst gewahr wird, können wir Botschaften aus dem Höheren Gewahrsein empfangen, die uns Orientierung und Inspiration geben.

Wenn es gelingt, mit dieser ewigen kosmischen Urquelle Verbindung aufzunehmen, kann sich diese Beziehung positiv auf unseren Alltag auswirken. Die Hinweise können in Form von Intuitionen, Eingebungen, Fügungen oder Synchronizitäten auftauchen. Wir sollten daher aufmerksam und offen für unerwartete Ereignisse und sogenannte „Zufälle“ sein.

Treffen wir z.B. mehrmals hintereinander auf ähnliche Dinge oder Situationen, so kann dies ein Hinweis auf einen bestimmten Zusammenhang oder eine Botschaft sein. Durch das Herstellen einer Verbindung zwischen scheinbar unzusammenhängenden Vorfällen können wir neue Ideen zum Lösen unserer Probleme gewinnen.

Der Grund, warum wir jedoch solche Botschaften verpassen, liegt meist darin, dass wir aufgrund eines starken Egos nicht offen dafür sind, sie zu empfangen. Stattdessen sind wir darauf fixiert, unsere eigenen Pläne voranzutreiben, ohne Rücksicht darauf, welche Richtung uns das Leben weisen möchte.

Es liegt also an uns, unsere Orientierung zu ändern und dem Leben Raum zu geben, uns den Weg zu weisen. Nur dann werden wir die wunderbaren Möglichkeiten entdecken, die auf uns warten, uns zu einem erfüllten Leben zu führen.

 

38. Woche

WIE WIR IN ECHTZEIT LEBEN

Viele Menschen fühlen sich in der heutigen Welt überfordert und gestresst. Sie haben das Gefühl, dass sie ihr Leben nicht mehr selbst in der Hand haben, sondern von äußeren Umständen getrieben werden. Sie sehnen sich nach einem Moment der Ruhe und Stille, in dem sie sich selbst wieder spüren können. Meditation ist eine Möglichkeit, diesen Moment zu finden. Aber Meditation ist mehr als nur eine Entspannungstechnik. Meditation ist eine Kunst, die uns lehrt, wie wir in Echtzeit leben können.

Was bedeutet es, in Echtzeit zu leben? Es bedeutet, dass wir uns nicht von unseren Gedanken und Gefühlen beherrschen lassen, die oft in der Vergangenheit oder Zukunft verhaftet sind. Es bedeutet, dass wir uns voll und ganz auf den gegenwärtigen Moment einlassen, ohne ihn zu bewerten oder zu verändern. Es bedeutet, dass wir uns mit dem Fluss des Lebens verbinden, der immer neu und frisch ist. Es bedeutet, dass wir uns selbst und anderen mit Liebe und Mitgefühl begegnen, ohne Erwartungen oder Anhaftungen.

Ein wichtiger Schritt ist die Praxis der Meditation. Meditation ist eine Übung, die uns hilft, unseren Geist zu beruhigen und zu klären. Indem wir uns auf unseren Atem oder ein anderes Objekt konzentrieren, lernen wir, unsere Aufmerksamkeit zu bündeln und abzulenken. Indem wir unsere Gedanken und Gefühle beobachten, lernen wir, sie anzuerkennen und loszulassen. Indem wir uns in die Leerheit versenken, lernen wir, unser wahres Selbst zu erkennen und zu akzeptieren.

Meditation ist aber nicht nur etwas, das wir auf dem Kissen tun. Meditation ist eine Haltung, die wir in jedem Moment unseres Lebens anwenden können. Wir können meditieren, während wir essen, arbeiten, spazieren gehen oder mit anderen kommunizieren. Wir können meditieren, indem wir uns bewusst machen, was wir tun, wie wir es tun und warum wir es tun. Wir können meditieren, indem wir uns fragen: Bin ich wirklich hier? Bin ich wirklich jetzt? Bin ich wirklich ich?

Wenn wir in Echtzeit leben, werden wir feststellen, dass unser Leben sich verändert. Wir werden mehr Freude und Frieden empfinden. Wir werden mehr Kreativität und Weisheit entwickeln. Wir werden mehr Harmonie und Verbundenheit erleben. Wir werden mehr Sinn und Erfüllung finden. Wir werden mehr leben.

 

37. Woche

HARA – DEINE KRAFTQUELLE
In Fernost hat man immer schon den Bauch für den Sitz menschlichen Lebens gehalten. Das Hara, eingebettet etwa zwei Fingerbreit unterhalb des Bauchnabels, gilt als Energiezentrum des menschlichen Körpers. Das Hara ist mehr als nur ein physischer Bereich; es repräsentiert auch unsere eigene Erdmitte und unsere innere Kraftquelle. Wenn das Hara harmonisch und aktiv ist, fließt die Lebensenergie frei und wir fühlen uns kraftvoll, ausgeglichen und zentriert.

Ein starkes Hara bedeutet nicht nur mehr körperliche Energie, sondern wirkt sich auch auf unsere mentale und emotionale Stabilität aus. Es hilft uns, Stress abzubauen, die Konzentration zu verbessern und unsere emotionalen Reaktionen zu regulieren. Um das Hara zu stärken und unsere Lebensenergie zu aktivieren, können wir in der Meditation durch bewusstes Ein- und Ausatmen unsere Aufmerksamkeit auf das Hara lenken und es mit frischer Energie füllen.

Indem wir das Hara bewusst kultivieren, können wir unsere innere Balance wiederherstellen und eine tiefe Verbindung zu uns selbst aufbauen. Das Hara ist eine wertvolle Ressource, die es uns ermöglicht, unser volles Potenzial zu entfalten und ein erfülltes Leben zu führen. Entdecke die Kraft des Haras und lass seine Energie dein Leben bereichern. Nimm dir Zeit, dich mit deinem körperlichen Zentrum zu verbinden und erfahre die transformative Wirkung, die es auf dein Wohlbefinden und deine Lebensqualität haben kann. (Mehr zu diesem Thema am heutigen Meditationsabend)

 

 

Sommerferien

 

32. /33. Woche

KEIN ENTWEDER-ODER

Wir würden gern liebevoll sein, sind aber momentan nicht in der Lage dazu. Wir möchten sehr gerne helfen, doch irgendetwas in uns blockiert. Wir wollen unbedingt meditieren, finden aber irgendwie nicht den passenden Moment. – Diese merkwürdigen Erfahrungen lassen sich nicht erklären. Es ist einfach so.

Wir können nicht durch unsere Willenskraft steuern, ob wir lieben oder echt mitfühlen; ebenso wenig, wie wir bestimmen können, wann wir in tiefe Versenkung gelangen. Manchmal gibt es in unserem Leben Augenblicke, in denen wir auf eine Situation mit großer Einsicht, viel Mitgefühl und Liebe reagieren – und im Nachhinein sind wir selbst davon überrascht.

Im Grunde ist nichts eindeutig, kein „Entweder-Oder“. Wir Menschen sind beides – mal so, mal so. Auf dem Zen-Weg gibt es keine „richtigen Antworten“. Jeder Tag ist ein guter Tag, um uns in Achtsamkeit zu üben. Deshalb sollten wir auch nicht auf die „Erleuchtung“ warten, um etwas Gutes für die Welt zu tun. Je mehr du dich einbringst, desto gelassener wirst du für den Rest deiner Tage sein.

 

31. Woche

DAS EGO GIBT NIE AUF 

Das Ego ist eine Illusion, die sich im Denkbewusstsein verankert und uns glauben macht, es sei unsere wahre Natur. Wenn wir die Welt nur aus der Perspektive des Egos betrachten, sehen wir alles verzerrt.

Die Wahrheit ist in sich selbst vollkommen. Sie muss nicht erst erworben werden; denn sie jederzeit gegenwärtig ist. Solange wir aber auf unseren Überzeugungen beharren, bleibt sie uns verborgen.

Das Ego ist unnachgiebig. Nur die Weisen lassen ihr Ego los und brauchen keine Selbstbestätigung. Sie streiten sich auch nicht über Ansichten und versteifen sich nicht auf Meinungen. Kluge Menschen lassen sich auch nicht zum Rechthaben und Spekulieren verführen.

Wenn du dich aus den Fesseln deines Egos befreien möchtest, bilde dir keine alternativlosen Überzeugungen, weder aufgrund deines Wissens noch aufgrund deines tugendhaften Verhaltens. Und vermeide, dich mit anderen zu vergleichen.

Was nützen Bewerten und Trennen, Beurteilen und Benennen? Verzichte auf Halbwahrheiten und hör auf, an Meinungen festzuhalten. Wer einsichtig ist, wird die Einheit aller Dinge erkennen und frei und unbeschwert seinen Weg gehen.

 

30. Woche

MOMENTE ZUM ERDEN

Wenn du mal ein paar Minuten Zeit hast, lasse dich ruhig nieder und löse dich in Stille auf. Spüre bewusst den Kontakt zum Boden und versuche dich zu erden. Erinnere dich daran, dass uns die stetige Anziehungskraft der Erde unaufhörlich mit unseren Wurzeln verbindet.

In solchen Momenten können wir uns für die Weisheit unserer inneren kosmischen Kraft öffnen und erkennen, dass wir aus genau derselben Substanz wie Felsen und Feuer, Wind und Wellen bestehen und letztendlich ein Teil der Erde selbst sind.

Fokussiere dich auf die feste Materie deines Körpers und spüre das Gewicht, das auf dem Untergrund ruht. Verweile in dieser Verbundenheit mit der Erde.  –  Lenke nun deine Aufmerksamkeit auf deinen Körper als Träger des flüssigen Elements. Bedenke, dass rund sieben Achtel deines physischen Seins aus Wasser und Blut bestehen.

Richte nun deine Aufmerksamkeit auf die Lebensenergie, das unsichtbare Feuer, das in dir brennt. Spüre diese immense Kraft, die dir zur Verfügung steht.  –  Und lenke schließlich deine Achtsamkeit auf die Luft, die in deine Lungen strömt und Sauerstoff in dein Blut transportiert.

Erkenne die essentielle Bedeutung der vier Elemente für dein physisches Dasein. Auch wenn dein Körper und deine Kraft zeitlich begrenzt sind, praktiziere den Zen-Weg nicht nur für ein langes, gesundes Leben, sondern auch für die Erfahrung des Absoluten Seins.

 

29. Woche

SEHNSUCHT NACH KLARHEIT

In der materiellen Welt wird oft der Fokus auf Geld, Karriere, Besitz und Vergnügen gelegt. Manche Menschen widmen ihr ganzes Leben dem Streben nach immer mehr und geben sich den verschiedensten Verlockungen hin. Viele mögen glauben, dass ihre Welt in Ordnung sei.

Doch wenn wir ehrlich zu uns selbst sind, müssen wir zugeben, dass unter der Oberfläche eine innere Unruhe und Unzufriedenheit brodelt. Diese inneren Unruhen sind die Quelle für unsere äußeren Probleme, mit denen wir uns ständig herumschlagen. Sie wurzeln in der Sehnsucht nach mehr Klarheit.

Die meisten Menschen können nicht mit Sicherheit sagen, was ihre Bestimmung im Leben ist. Zwar wissen sie, welche Ziele sie verfolgen, doch die Frage nach dem Sinn des Lebens bleibt unbeantwortet.

Lasst uns die nächste Gelegenheit nutzen, um unsere Erwartungen, Wünsche und Ansprüche einmal kritisch zu hinterfragen. Wenn wir erkennen, wie sehr unser Leben von der konditionierten Welt beeinflusst wird, können wir vielleicht Änderungen vornehmen: Weniger Verlangen, weniger Ablenkung, weniger Abneigung, weniger Gegeneinander.

Jeder Moment des Lebens ist eine Gelegenheit zur Übung. Warum also nicht mehr Gelassenheit, Achtsamkeit und Stille in unsere tägliche Praxis integrieren? Erst wenn wir bereit sind, den Gedankenstrom loszulassen und jeden eigenwilligen Widerstand aufzugeben, werden wir den Zustand des reinen Gewahrseins immer wieder mühelos erfahren.

 

28. Woche

ETHISCHE SPIRITUALITÄT

Durch das Beruhigen des Geistes und das Loslassen des Gedankenstroms können wir eine Welt jenseits der materiellen Realität erfahren. Doch die tiefgreifende Kraft der Meditation offenbart sich nur dann, wenn wir jegliche Zielsetzungen loslassen – einfach sitzen und nichts erreichen wollen.

Für westliche Denkweisen mag dies schwer verständlich sein, da wir daran gewöhnt sind, dass wir etwas erreichen, indem wir handeln und klare Ziele haben. Jedoch lehrt uns Zen, dass wahre Erfüllung nicht von äußeren Zielen abhängt, sondern von innerer Stille und absichtsloser Hingabe.

Eine spirituelle Praxis und ethisches Verhalten sind grundlegende Voraussetzungen für unsere persönliche Weiterentwicklung. Beides ist notwendig, um eine Balance zwischen spirituellen Werten und dem modernen Leben zu finden. Die Motive für ethisches Verhalten können aus der kosmischen Ordnung, der gesellschaftlichen Notwendigkeit, der Liebe zu allem Lebendigen und der Einsicht, dass alles miteinander verbunden ist, gewonnen werden.

Spirituelle Praxis ohne ethisches Verhalten kann zu Missbrauch führen, wie wir es heute  leider immer wieder erfahren müssen. Ethisches Verhalten ohne spirituellen Hintergrund ist begrenzt und könnte dazu verleiten, dass wir uns lediglich gegenüber unserer Familie und unserer Gemeinschaft ethisch verhalten, jedoch nicht gegenüber Fremden oder Tieren.

Kurz gesagt: Spirituelle Praxis und ethisches Verhalten sind wesentliche Bestandteile eines erfüllten und ausgewogenen Lebens.

 

27. Woche

WAS WIRKLICH ZÄHLT

In tiefen Bewusstseinszuständen werden die Illusionen des Egos, die uns vorgaukeln, dass wir unabhängig von allem existieren können, einfach in der Versenkung verschwinden. Unser Geist bleibt hellwach und plötzlich wird uns klar, dass es da noch viel mehr gibt als unsere eingeschränkte Perspektive von der Welt normalerweise zulässt.

Tief in uns verbirgt sich etwas Geheimnisvolles, das leider bei den meisten Menschen im Laufe des Lebens von einer falschen Identität verdeckt wird. Es hat keine Form, keine Begrenzung und es bleibt unzerstörbar. Es ist unser wahres Selbst, das eins ist mit allem und jede Vorstellung übertrifft.

Der Eine Geist und alle Lebewesen sind eigentlich dasselbe, nur dass manche von uns noch immer krampfhaft an Formen festhalten und nach etwas Göttlichem im Außen suchen. Aber Fakt ist, dass das, was wir sehen, nicht unser wahres Wesen sein kann.

Die allgemeine Verwirrung rührt nämlich daher, dass wir uns vor allem mit vergänglichen Dingen beschäftigen und uns mit ihnen identifizieren. Jedes Mal, wenn wir uns an Besitztümern, Dogmen, Emotionen und Ideen festklammern, legen wir uns selbst in Ketten.

Aber sobald wir unsere Verbundenheit mit allen Wesen entdecken und uns von den Begrenzungen lösen, wird das Zeitlose und Wahre in uns nicht mehr durch das Unwesentliche und Vergängliche verdeckt. Endlich wird klar, was wirklich zählt: unsere wahre Natur.

 

26. Woche

MIT DER NATUR IM EINKLANG

Zen und die Beobachtung von freilebenden Vögeln teilen eine tiefe Verbindung zur Natur. Beide erfordern eine achtsame Präsenz und ein bewusstes Eintauchen in die natürliche Welt. So geht die Kunst der Vogelbeobachtung über das bloße Betrachten hinaus und ermöglicht es uns, uns in den Flug des Vogels, in sein Leben und in die Natur einzufühlen.

Neben dem rationalen Beobachten entwickelt sich mit der Zeit die besondere Fähigkeit, die Kunstfertigkeit des Vogelflugs zu erfassen. Sie öffnet den Blick für die Natur, überwindet die Distanz zwischen Beobachter und Beobachtetem und schafft ein Gefühl der Einheit und Harmonie – ähnlich wie in der Meditation.

Die Kombination von Zen und Vogelbeobachtung – ob im Park, in den Bergen oder am Meer – bietet eine wunderbare Möglichkeit, unsere Sinne zu schärfen und uns mit der Natur und uns selbst zu verbinden. Es erinnert uns daran, dass wir Teil eines größeren Ganzen sind und unser wahres Glück in der achtsamen Wertschätzung der natürlichen Welt liegt.

Während die Zen-Meditation uns lehrt, den gegenwärtigen Moment zu schätzen und uns mit dem Fluss des Lebens im Einklang zu befinden, lädt uns die Vogelbeobachtung ein, die Schönheit und den Rhythmus der Natur zu erkunden. Somit kann sie eine wertvolle Ergänzung zum Zen-Weg sein und uns helfen, den Verstand zur Ruhe zu bringen und uns im Hier und Jetzt zu zentrieren.

Buchtipp: Arnulf Conradi – Zen und die Kunst der Vogelbeobachtung, Kunstmann

 

25. Woche

EINE ART ERLEUCHTUNG

Jeder von uns trägt eine verborgene Flamme in sich, bereit, entfacht zu werden. Allerdings sind viele Menschen sich ihres inneren Feuers nicht bewusst. Es liegt an uns, dieses Licht in uns zum Leuchten zu bringen. Dazu gilt es, die brennende Sehnsucht in uns zu spüren und den Weg der Meditation und Achtsamkeit einzuschlagen. Denn dort liegt der Schlüssel, um unsere Glut zu entzünden.

Der spirituelle Weg führt uns zu einer tieferen Bewusstheit, die nach und nach die bislang unterdrückten Gefühle und körperlichen Blockaden auflöst. Durch Zen können wir in einen Zustand tiefster Entspannung gelangen, in dem wir die Wurzeln unserer Probleme erkennen und letztendlich loslassen können, um die Lebensenergie wieder frei fließen zu lassen.

Plötzlich – vielleicht auch allmählich – erfahren wir jene „offene Weite“, von der im Zen die Rede ist und die für uns von essentieller Bedeutung ist, um den Raum der Stille und der Meditation vollends zu erfassen. Wir finden uns in dieser offenen Weite wieder, in der echte und unverfälschte Begegnungen mit anderen Menschen und der ganzen Vielfalt der Natur möglich sind.

Wenn tiefe Vertrautheit dich zur Hingabe führt, wirst du die Sprache der Stille verstehen und erkennen, dass der mühsame Weg, den du beschritten hast, eine Reise vom Verstand zum Herzen war, von Unwissenheit zur Weisheit, von Trägheit zum Erwachen – zu einer Art Erleuchtung.

 

24. Woche

SELBSTERKENNTNIS

Ein Mönch hatte sich in die Einsamkeit zurückgezogen, um den lärmenden Herausforderungen des Lebens zu entfliehen und sich ganz der Meditation und dem Gebet hinzugeben. Eines Tages erreichte ein Wanderer seine einsame Klause und bat um etwas Wasser. Der Mönch begleitete ihn zur Zisterne, um ihm zu helfen, seinen Durst zu stillen.

In dankbarer Stimmung trank der Fremde das Wasser und fühlte sich etwas verbundener mit dem Mönch. Neugierig fragte er: „Was gibt dir den Sinn und die Bedeutung, in dieser abgeschiedenen Stille zu leben?“ Der Mönch deutete auf das aufgewühlte Wasser in der Zisterne und erwiderte ruhig: „Schau auf das Wasser. Was siehst du?“ Der Wanderer blickte tief in die Zisterne und antwortete schließlich: „Nichts.“

Nach einer kurzen Pause forderte der Mönch ihn erneut auf: „Schau noch einmal auf das Wasser. Was siehst du jetzt?“ Der Fremde blickte erneut in die Zisterne und antwortete diesmal: „Jetzt sehe ich mich selbst!“

„Dann hast du deine Antwort gefunden“, erklärte der Mönch. „Als das Wasser vom Schöpfen noch in Bewegung war, konntest du nichts erkennen. Jetzt ist das Wasser ruhig — und das ist die Erfahrung der Stille: Man sieht und erkennt sich selbst!“

 

23. Woche

ZULASSEN UND LOSLASSEN

In unserem alltäglichen Leben stellen wir uns oft die quälende Frage nach dem „Warum?“, wenn wir einen Verlust erleiden – sei es in Bezug auf unsere Gesundheit, unseren Besitz oder durch den Tod eines lieben Menschen. Unsere Suche nach einer Antwort kann zu lang anhaltendem Leid führen, während wir hoffen, dass wir das Geschehene besser ertragen können, wenn wir den Grund dafür verstünden.

Zen-Meditation hingegen lehrt uns, diese selbstzerstörerische Frage nach dem „Warum?“ loszulassen. Wir treten dabei nicht aus der Realität aus, sondern finden im gegenwärtigen Moment Ruhe. Wir akzeptieren alles, ohne zwischen mehr oder weniger unangenehmen Gedanken und Gefühlen zu unterscheiden. Wir lernen, Dinge anzusehen, ohne uns an ihnen festzuhalten.

Wenn während der Meditation Gedanken oder Unruhegefühle aufkommen, lassen wir uns nicht ablenken und sagen uns innerlich: „Erkennen – annehmen – loslassen – entspannen – und lächeln“. Während der Stille erkennen wir das, was in uns vorgeht – unsere momentane Lebenssituation, unsere Erinnerungen, Hoffnungen, Enttäuschungen und Ängste – als unsere subjektive Wirklichkeit an.

Indem wir unseren Alltag in unsere Meditation einbeziehen, lernen wir, dass meditative Übungen wichtige Begleiter unseres Lebens sein können. Wir versuchen nicht, Ereignisse, die wir nicht ändern können, zu erklären, sondern begegnen unseren Erfahrungen ohne Vorurteile, ohne Bewertungen, ohne Schuldzuweisungen und ohne psychologische, religiöse oder esoterische Interpretationen.

 

22. Woche

FREI UND UNBESCHWERT

Wenn wir uns für Spiritualität interessieren, hören wir, dass unser Ego eine Illusion sei und sich als wahres Selbst tarne. Es habe sich als Ich im rationalen Denkbewusstsein eingenistet und vermittele den Eindruck, als sei es unsere wahre Natur. Doch wer sind wir wirklich, jenseits des Egos?

Buddha lehrte, dass das Ego aus fünf Daseinsgruppen besteht: Körper, Gefühle, Wahrnehmungen, Handlungen und Bewusstsein. Und er warnte davor, dass unser Anhaften an diesem Ego, als einer Art von individuellem Wesen, die Quelle aller Habsucht, allen Leidens und Streites sei. Denn unsere Gedanken erzeugen Emotionen und Wünsche, die Konflikte auslösen.

Solange wir nur aus der Perspektive des Egos heraus handeln, sehen wir die Welt verzerrt. Um uns von dieser Illusion zu befreien, müssen wir unsere egozentrischen Tendenzen erkennen und überwinden. Wir sollten uns nicht ständig mit anderen vergleichen, uns nicht in Halbwahrheiten und Rechtfertigungen verstricken und nicht urteilen und trennen.

Das Loslassen des Egos ist allerdings schwierig, da es ein essentieller Teil unseres Selbstbildes ist. Es ist uns so in Fleisch und Blut übergegangen, dass wir uns eigentlich nicht davon trennen wollen. Doch   sobald wir die Einheit aller Dinge erkennen, können wir uns auf unseren spirituellen Weg begeben und frei und unbeschwert.


21. Woche

DIE WELT VERBESSERN

Die weltweiten Krisen und Nöte sind ein allgegenwärtiges Thema, das uns täglich beschäftigt. Wir alle wissen, dass wir so nicht weitermachen können, aber die Frage bleibt: Wie können wir es besser machen?

Als ein Weiser einst gefragt wurde, wie man die Welt verbessern könne, offenbarte er folgende Erfahrung: In seiner Jugend war er ein Idealist und stellte sich vor, was er alles tun könnte, um die dringendsten Probleme in der Welt zu lösen. Damals bat er den Allmächtigen: „Gib mir die Kraft, die Welt zu verbessern.

Doch mit zunehmendem Alter erkannte er, dass er nicht in der Lage war, einen beliebigen Menschen zu einem Sinneswandel zu bewegen. Deshalb änderte er sein Gebet und bat nur noch um die Gnade, diejenigen zu verbessern, die ihm nahestanden. Doch auch das war ihm nicht möglich.

Als er dann den größten Teil seines Lebens hinter sich hatte, ohne dass er irgendwen oder irgendetwas in dieser Welt verbessert hatte, bat er schließlich nur noch darum, sich selbst zu verbessern. Er erkannte, wie schwierig das war, aber wenn er von Anfang an nur dieses Ziel verfolgt hätte, wäre sein Leben vielleicht sinnvoller gewesen. – Es geht also darum, bei sich selbst anzufangen, um die Welt um sich herum zu verbessern.

 

20. Woche

STRESSFREI MEDITIEREN

Eigentlich besteht die Meditation aus einfachen Übungen, die leicht durchzuführen sind und nur wiederholt werden müssen, bis sie Früchte tragen. Warum also empfinden wir das Meditieren oft als schwierig und anstrengend?

Auch wenn wir entspannt und vollkommen wertfrei praktizieren wollen, kann es manchmal zum Abschweifen des Geistes oder zu Trägheit und Ungeduld kommen. Darauf mit Unmut und größerer Anstrengung zu reagieren, verursacht Widerstand und Frust – und das behindert unsere weitere Entwicklung.

In Wahrheit kämpfen wir nicht mit der Meditation selbst, sondern mit einer unrealistischen Vorstellung und hohen Erwartungen davon, wie es sein sollte. Dadurch fühlt es sich an, als würden wir uns dazu zwingen. Das eigentliche Problem liegt nicht darin, dass die Meditation zu viel Mühe macht oder dass mit uns etwas nicht stimmt, sondern in zu idealistischen Vorstellungen und falschem Ehrgeiz.

Es gibt kein Problem in unserem Leben, das sich nicht löst, sobald wir von uns selbst absehen. Deshalb sollten wir alle Erwartungen fallen lassen und ohne große Anstrengung meditieren. Denn bei der Praxis des Weges geht es nicht darum, etwas zu erreichen – sondern um Hingabe und Vertrauen. Eine Einstellung von freudigem Bemühen und gewissenhafter Beharrlichkeit wäre ein guter Ansatz.

 

19. Woche

DAS PATHOLOGISCHE EGO

Unser Ego besteht aus unseren Gedanken, Überzeugungen und Praktiken und identifiziert sich mit unserem Körper, unseren Gefühlen und Ideen, um sich in der Außenwelt zu zeigen. Das Ego ist eine Illusion, die sich im rationalen Denken verankert und uns glauben macht, es sei unsere wahre Natur.

Ein Mensch, der vom Ego beherrscht wird, erkennt sein Leiden nicht als solches, sondern betrachtet es als einzig richtige Reaktion in bestimmten Situationen. Das Ego kann nicht zwischen einer Situation, ihrer Auslegung und unserer Reaktion darauf unterscheiden. Negative Gemütsregungen werden oft als gerechtfertigt empfunden und irrtümlich als Erfolge verbucht.

Allerdings können sich negative Emotionen – wie Neid, Wut, Angst und Eifersucht, – schädlich auf unsere Gesundheit auswirken. Deshalb ist es wichtig zu erkennen, dass es sich tatsächlich um pathologische Zustände handelt und keineswegs um etwas Erfreuliches. Das Loslassen der Ego-Illusion ist äußerst schwierig, da wir uns seit jeher mit unserem Ego identifizieren. Wenn wir die Welt nur aus jener Perspektive betrachten, sehen wir alles verzerrt.

Daher ist es ratsam, das pathologische Ego zu überwinden, um die Welt klarer sehen und echt erleben zu können. Das erfordert Arbeit und Zeit, weil wir uns von einer tief verwurzelten Überzeugung lösen müssen. Doch es lohnt sich, da wir uns von mentalen und emotionalen Leiden befreien und glücklicher werden können.
Aus „Eine neue Erde“ von Eckhart Tolle

 

18. Woche

NICHTS IST STÄRKER

„Es gibt eine extrem starke Kraft, für die die Wissenschaft bisher noch keine Formel gefunden hat. Es ist eine Kraft, die alle anderen beinhaltet, sie regelt und die sogar hinter jedem Phänomen steckt, das im Universum tätig ist und noch nicht von uns identifiziert wurde.

Diese universelle Kraft ist die Liebe. Wenn die Wissenschaftler nach einer einheitlichen Theorie des Universums suchten, vergaßen sie bisher diese unsichtbare und mächtigste aller Kräfte.

  • Liebe ist Licht, da sie denjenigen erleuchtet, der sie aussendet und empfängt.
  • Liebe ist Schwerkraft, weil sie einige Leute dazu bringt, sich zu anderen hingezogen zu fühlen.
  • Liebe ist Macht, weil sie das Beste, das wir haben, vermehrt und nicht zulässt, dass die Menschheit durch ihren blinden Egoismus ausgelöscht wird.
  • Liebe zeigt und offenbart. Durch die Liebe lebt und stirbt man. Liebe ist Gott und Gott ist die Liebe.

Diese Kraft erklärt alles und gibt dem Leben einen Sinn. Dies ist die Variable, die wir zu lange ignoriert haben, vielleicht, weil wir vor der Liebe Angst haben. Sie ist schließlich die einzige Macht im Universum, die der Mensch nicht nach seinem Willen steuern kann“.

Dies ist ein Auszug aus einem Brief Albert Einsteins an seine Tochter Lieserl, in dem er ihr die „stärkste universelle Energie“ erklärt.

 

17. Woche

UNIVERSELLE ENERGIE


Ein altes Märchen erzählt von den Göttern, die zu entscheiden hatten, wo sie die größte Kraft des Universums verstecken sollten. Sie wollten die Kraft an einem Ort verstecken, an dem sie der Mensch nicht finden könne, bevor er reif genug sei, sie verantwortungsvoll zu gebrauchen.

Einer der Götter schlug vor, sie auf der Spitze des höchsten Berges zu verstecken. Die anderen Götter hatten Bedenken, dass der Mensch irgendwann auch den höchsten Berg besteigen würde. – Ein anderer Gott schlug vor, die Kraft auf dem tiefsten Grund des Meeres zu verstecken.
 Sie erkannten, dass der Mensch auch diese Region erforschen würde. Er würde die größte Kraft des Universums dort finden, bevor er reif dafür sei.

Schließlich sagte der weiseste Gott: „Ich weiß, was zu tun ist. Lasst uns die größte Kraft des Universums, im Menschen selbst verstecken. Dort wird er niemals danach suchen.“ – Und so versteckten die Götter die größte Kraft des Universums im Menschen selbst. Dort liegt sie noch immer und wartet darauf, dass wir sie in Besitz nehmen und weisen Gebrauch von ihr machen. (Erzählung eines Unbekannten)

 

16. Woche

EIN ERFÜLLTES LEBEN

Altern ist ein Prozess, der schon in jungen Jahren beginnt und unaufhaltsam fortschreitet. Doch viele Menschen wollen die eigene Vergänglichkeit nicht wahrhaben. Man könnte meinen, sie dächten, nur andere Leute würden alt und krank und müssten irgendwann sterben. Aber vor den Naturgesetzen sind wir alle gleich, ab der zweiten Lebenshälfte wird jeder Körper schwächer.

Allerdings ein Geist, der gefordert und gefördert wird, altert nicht so schnell.  Wer sich nicht auf seinen Erfahrungen ausruht, kann sich sein Leben lang  weiterentwickeln und immer wieder neuen Aufgaben stellen. Meditations- und Achtsamkeitspraxis helfen uns dabei, etwas für unsere geistige Hygiene zu tun und eine positive Einstellung zum Leben zu gewinnen.

Denn sie rücken nicht nur das Leben im Hier und Jetzt in den Fokus, sondern machen uns auf Blockaden und Begierden aufmerksam und reinigen so den Geist. Dadurch lernen wir, unsere Gedanken und Emotionen besser zu kontrollieren, um uns von falschen Überzeugungen und destruktiven Erinnerungen zu befreien, die auch Ursachen für psychische Probleme sein können.

Wenn wir darüber hinaus auch auf unsere körperliche Gesundheit achten – eine ausgewogene Ernährung, regelmäßige Bewegung, ausreichend Schlaf und soziale Kontakte – werden wir unseren Ruhestand in vollen Zügen genießen. Und mit einem klaren Geist sind wir in der Lage, auch Herausforderungen im hohen Alter zu meistern und ein erfülltes Leben zu führen.

 

15. Woche

FROHE OSTERN!

Hallo ihr Lieben, ich wünsche euch ein schönes Osterfest und hoffe, dass ihr euch an den sonnigen Feiertagen gut erholen werdet. Jeder Augenblick ist zu wertvoll und unwiederbringlich, als dass man ihn einfach so verschwinden lassen sollte. Aber was können wir tun, um die schönen Momente festzuhalten?

Ganz gleich was du denkst, es ist sofort verflogen. Stattdessen atme tief ein und langsam aus – und achte einmal genau darauf, was jetzt gerade ist. Und dann sag ein langanhaltendes „Jaaa“! In diesem „Ja“ kostest du den gegenwärtigen Augenblick voll aus.

Das „Ja“ verfliegt nicht, wie das flüchtige „Jetzt“. Es bleibt bei dir. Das „Ja“ ist stärker als die Zeit. Ist hat Teil an dem, was nicht vergeht. In dem „Ja“ wohnt ein Augenblick Ewigkeit. Du kannst es fühlen.

 

14. Woche

TIEFES SPÜREN

Meditation bietet eine hervorragende Gelegenheit, den hektischen Alltag hinter sich zu lassen und in einen Zustand emotionalen Wohlbefindens einzutauchen. Dabei steht nicht unbedingt die spirituelle Ebene im Vordergrund, sondern vor allem die Umwandlung der Gedankenwelt von einem stressgeplagten in einen entspannten Modus. Diese Erfahrung kann sich wie das Abwerfen einer schweren Bürde anfühlen und sogar Glücksgefühle hervorrufen.

Mit der richtigen Anleitung kannst du dein Bewusstsein wie eine „Wünschelrute“ verwenden, um bestimmte Emotionen aufzuspüren und besser zu kontrollieren. Indem du dich mit zunehmender Aufmerksamkeit auf das Empfinden des Lebens in deinem Innersten fokussierst, entwickelst du ein dynamisches Spürbewusstsein, das dir ermöglicht, dich frei in deinem gesamten Körper zu bewegen.

Meditation kann eine beeindruckende Wirkung auf unseren physischen und psychischen Zustand haben. Dadurch kannst du die heilsame Kraft deines Bewusstseins nicht nur bis in die entlegensten Körperteile lenken, sondern auch emotionale Verletzungen behutsam versorgen. Es ist eine gute Möglichkeit, um sich von negativen Gedanken und Gefühlen zu befreien.

Durch die Verbindung von Atemtechnik und Körperhaltung kann diese Methode sogar zu einer heilsamen Meditationspraxis werden. Dabei geht es nicht nur um Wohlbefinden, sondern auch um das Kultivieren deiner inneren Stärken. Probiere es aus und erlebe selbst, wie Meditation dein Leben bereichern kann.

 

13. Woche

ÜBER DIE LIEBE

Liebe – das wohl tiefgründigste Thema, das uns Menschen bewegt. Doch was bedeutet Liebe überhaupt? Meist wird sie mit intensiven Emotionen, körperlicher Anziehung, Besitzansprüchen, Kontrolle, Sucht, und Erotik assoziiert.

Die „romantische Liebe“ ist ein Modell unter vielen anderen, bei dem vor allem die Verbindung von Sex und Liebe im Vordergrund steht. Leider sind die Erwartungen oft zu hoch und diese Idee daher selten von längerer Dauer. Was wir auch über Liebe zu wissen glauben, es ist letztendlich nur eine Vorstellung.

Eine weit verbreitete Auffassung besagt, dass sich enttäuschte Liebe in Hass verwandeln kann. Doch das ist ein Irrtum, denn Hass entspringt aus Stolz und nicht aus Liebe. In einer Beziehung, in der es nur um süchtig machende Sentimentalität geht, hat es wahrscheinlich nie echte Liebe gegeben.

Wirkliche Liebe hingegen ist bedingungslos, unwandelbar und beständig. Sie schwankt nicht, da ihr Ursprung in der Person liegt, die liebt, und nicht von äußeren Faktoren abhängig ist. Liebe ist nicht intellektuell und geht nicht vom Verstand aus. Echte Liebe ist ein Zustand des Seins und strahlt vom Herzen aus.

Liebe bedeutet wahres Glück, aber obwohl jeder danach strebt, zeigen Umfragen, dass nur wenige diese Bewusstseinsebene erreichen. Wer jedoch den natürlichen Rhythmus von leidenschaftlichen Höhen und alltäglichen Niederungen akzeptiert, kann trotz aller Schwierigkeiten eine liebevolle und stabile Partnerschaft aufbauen, die dauerhaft besteht.

 

12. Woche

BEWUSSTES SEHEN

Manchmal haben wir das Gefühl, dass das Leben einfach an uns vorbeirauscht und wir gestresst von einem Termin zum anderen eilen. In solchen Momenten sehnen wir uns oft danach, aus diesem Schnellzug des Lebens auszusteigen und einfach nur zu sein. Die „Notbremse“ dafür ist die Achtsamkeit.

Achtsamkeit bedeutet, im gegenwärtigen Moment bewusst wahrzunehmen, was um uns herum passiert. Leider nutzen wir diese Fähigkeit viel zu selten. Wie oft schauen wir, ohne wirklich zu sehen? Hören wir, ohne wirklich zuzuhören? Essen wir, ohne wirklich zu schmecken? Reden wir, ohne wirklich etwas zu sagen?

Wirkliches Sehen (bewusstes Wahrnehmen) kann Einsicht, Durchblick und auch Verstehen bedeuten. Hast du zum Beispiel schon einmal ein Gänseblümchen aus der Nähe betrachtet? Es hat in der Mitte einen sonnigen Blütenwirbel. Genau diese radiärsymmetrische Windung taucht auch in der DNA unserer Zellen und in den Sternwirbeln der Galaxien auf, die Milliarden von Lichtjahren von uns entfernt sind.

Wenn du also ein Gänseblümchen wirklich siehst, dann siehst du von hier bis in die Unendlichkeit. In jedem noch so kleinen Teil der Schöpfung liegt die gesamte Geschichte des Universums verborgen. Wie im Kleinen, so im Großen. Sehen ist die Kunst, die Welt wirklich wahrnehmen zu können. Darin liegt das Geheimnis der Achtsamkeit.

 

11. Woche

AUF DEM SPIRITUELLEN WEG

Nur wenn jeder von uns seinen Beitrag für den Erhalt unseres Planeten leistet, können wir gemeinsam etwas erreichen. Durch ein meditatives Leben zum Beispiel kannst du die Welt aus einer anderen Perspektive betrachten und so dazu beitragen, sie zu einem besseren Ort zu machen. Wenn du das erkannt hast, worum es in deinem Leben geht, zögere nicht, es in die Tat umzusetzen.

Viele Menschen verschwenden ihre Energie, um die Illusion eines separaten Selbst aufrechtzuerhalten. Diese Energie steht uns zur Verfügung, wenn wir den Prozess der Wandlung von einem egozentrischen zu einem sich verbunden fühlenden Menschen durchleben. Die Praxis der Meditation und Achtsamkeit in einer spirituellen Gemeinschaft gibt uns Mut und Kraft, dies zu tun.

Allerdings erfordert es schon etwas Selbstdisziplin und Durchhaltevermögen, um auf dem spirituellen Weg voranzukommen. Doch wenn du dich auf das Wesentliche konzentrierst, kannst du deine Sicht auf die Wirklichkeit vertiefen und dein wahres Potenzial an Mitgefühl und Demut zum Wohle aller Wesen entfalten.

Indem wir die kleinen Dinge schätzen lernen, erkennen wir, wie wenig man eigentlich braucht, um ein selbstbestimmtes Leben zu führen und seine Sehnsucht nach Ruhe und Gelassenheit zu erfüllen. Dann können wir die Welt, die Erde, die Menschen, Tiere und Pflanzen mit anderen Augen sehen – und entdecken, wie alles um uns herum voller Wunder ist.

 

10. Woche

MEDITATIVES ERLEBEN

In schwierigen Zeiten suchen viele Menschen Zuflucht in der Stille. Vor allem wohl deswegen, weil uns das eigene Leben immer unwirklicher erscheint. Wir fühlen uns verunsichert und fremdbestimmt. Das Problem liegt in unserer Wahrnehmung. In Gedanken leben wir entweder in der Vergangenheit oder Zukunft und verpassen dabei das wirkliche Leben.

Unruhe ist eine geistige Gewohnheit und Meditation ein natürliches Mittel dagegen. Denn in allen Weisheitstraditionen dient Meditation als unübertroffenes Instrument der Selbsterforschung – als Weg zur inneren Umkehr. Durch regelmäßiges Praktizieren lernen wir, den normalen Gedankenfluss zu beruhigen und uns von negativen Vorstellungen sowie destruktiven Einflüssen zu befreien.

Schließlich kann es uns mit einem gewissen Maß an Selbstdisziplin und Geduld gelingen, in tiefere spirituelle Schichten des Bewusstseins zu gelangen. Frei von Gedanken zu sein bedeutet, in diesem Moment ganz leer zu sein und die Grenzen unseres engen Geistes zu überschreiten, d.h. mit dem Universellen in uns Kontakt aufzunehmen.

Was während der Versenkung in uns auftaucht, geschieht von selbst und löst bei uns keinerlei Reaktion aus, weil es in der Leerheit keine Bewusstheit gibt. Erst wenn das meditative Erleben vorbei ist und das bewusste Denken wieder einsetzt, spüren wir Freude und Gelassenheit. Denn der Geist, der sich selbst erkannt hat, ist frei davon, sich dauernd beschäftigen zu müssen – er ist unabhängig.

 

09. Woche

IM STILLEN GEWAHRSEIN

Durch Meditation lernen wir, unseren Geist und die damit einhergehenden Lebensprozesse besser zu verstehen. Ein gelehriger Geist, der sich beobachtet fühlt, wird von selbst damit beginnen, seine egozentrischen Verhaltensweisen zu hinterfragen und abzustellen.

Achtsamkeit kann dazu beitragen, dass die Intensität des Leidens abnimmt oder Leiden gar vermieden wird, da uns dessen Entwicklung früher bewusst wird. Wenn wir verstehen, wie Gefühle in unserem Bewusstsein entstehen, können wir unsere Haltung ihnen gegenüber ändern.

Denn Wut, Gier und Angst müssen nicht immer eine Quelle des Leidens sein. Sie kommen aus unserem Innersten, und anstatt sie zu bekämpfen, zu leugnen oder uns mit ihnen zu identifizieren, können wir uns bemühen, diese Bewusstseinszustände wohlwollend zu beobachten.

Im meditativen Gewahrsein ist es einfacher, die emotionalen Zustände  ihrem natürlichen Lauf zu überlassen und sie ganz bewusst kennenzulernen. Wenn das geschieht, werden diese Erscheinungen immer seltener und verschwinden schließlich. Beim Meditieren geht es letztlich darum, dass alles zu seinem Ursprung zurückkehrt. – Alles entsteht aus der Stille und kehrt in die Stille zurück.

 

08. Woche

DIE INNERE STIMME

„Sitz nicht so krumm da und beweg dich nicht dauernd.“ Wie oft erlebst du solche Ermahnungen deiner inneren Stimme, während du dich um gute „Haltungsnoten“ beim Meditieren bemühst? „Nein, entspanne mehr. So kannst du doch nicht die ganze Runde überstehen – undenkbar. Nun übst du das schon seit Wochen und kannst nicht mal fünf Minuten ruhig bleiben.“

Diese fortlaufenden Kommentare und Bewertungen deines Egos wollen dir nur die Meditation vermiesen, weil das „kleine Ich“ um seine Daseinsberechtigung fürchtet. Wer kennt nicht solche Situationen? Kaum hat man sich hingesetzt, dann meldet sich die innere Stimme.

Und wenn du versuchst, sie zum Schweigen zu bringen, wird sie nur hartnäckiger. Gib es auf, sie zu beschwichtigen, das endet nur in endlosen Dialogen und verscheucht jedes Meditationsgefühl. Wie aber kann man diese Stimmen verstummen lassen?

Eine alte tibetische Anweisung sagt: „Körper auf dem Kissen, Geist im Körper, Entspannung im Geist.“ Hier wird nichts davon erwähnt, keine Gedanken und kein Geplapper in Kopf zu haben. Sei einfach in deinem Körper und ruhe genau da. Ein ruhender Geist ist das Ergebnis der Praxis, nicht der Methode. Die Methode besteht darin, immer wieder zum Erleben des Atems zurückzukehren und dort zu ruhen. Zurückkehren, ruhen, zurückkehren, ruhen, zurückkehren, ruhen . . .

 

07. Woche

EGO-PLÄDOYER
Ist unser allgegenwärtiges Ego in Wirklichkeit keine Illusion sondern ganz real? In dem „Buch der Geheimnisse“ des zeitgenössischen Autors spiritueller Literatur, Deepak Chopra, habe ich ein Plädoyer für unser Ego gefunden:

S.42 „Ich habe nicht vor, das Ego schlecht zu machen. Ego-Schelte sucht nach einem Sündenbock, dessen Aktivitäten es verhindern, dass die Menschen ihr Glück finden. Denn angeblich ist das der eigentliche Grund, weshalb die Menschen leiden, weshalb sie weder ihr wahres Selbst noch Gott oder die Seele finden. Das Ego, so hören wir, blende uns mit seinen ständigen Forderungen, seiner Gier, seiner Selbstsucht und seiner Unsicherheit. Das ist eine beliebte, aber falsche Anschuldigung, denn wenn wir das Ego in ein dunkles Verlies verbannen, machen wir es zum Feind, und das führt zu noch mehr Trennung und Zersplitterung. Wenn es die eine Wirklichkeit gibt, muss sie alles umfassen. Wir können uns des Egos ebenso wenig entledigen wie des Verlangens.“

S.44 „Ich habe Verständnis für die Menschen, die sich mit dem Ego beschäftigt haben und es so abstoßend fanden, dass sie darauf verzichten möchten. Doch ein Angriff auf das Ego ist am Ende nur ein raffinierter Angriff auf uns selbst. Es hätte keinen Sinn, das Ego zu zerstören, selbst wenn es gelänge. Wenn unser gesamter Schöpfungsapparat intakt bleiben soll, können wir auf das Ego nicht verzichten. Wenn man das Ego seiner hässlichen, angstvollen, gewalttätigen Träume entkleidet, ist es nicht mehr hässlich, angstvoll und gewalttätig. Dann nimmt es seinen natürlichen Platz als Teil des Mysteriums ein.“

 

06. Woche

WAHRE WIRKLICHKEIT
Wenn wir in tiefe Meditation versinken, kann das zu allen möglichen Arten von Erscheinungen führen. Was auch immer in deinem Geist vorgehen mag, lass dich nicht beunruhigen. Meditiere einfach weiter im absoluten Vertrauen. Wenn du nicht anhaftest, werden diese Prozesse, die beim Lösen von physischen Blockaden u.a. als Visionen oder Reflexe auftreten können, bald wieder vergehen.

Alle Aspekte dieser Welt sind mit einer geheimnisvollen Quelle verbunden. Himmel und Erde, Leben und Tod, Pflanzen und Tiere, man selbst und andere Menschen sind so wie Berg und Tal nicht voneinander getrennt. Durch regelmäßiges Meditieren wirst du mit der Zeit deine Sinneswahrnehmungen so verfeinern und deinen Geist so weit beruhigen, dass du dies in dir selbst beobachten kannst.

Es gibt ein schwingendes Energiefeld im Universum, das alles durchdringt. Dieses Feld geschieht nicht um dich herum, es geschieht durch dich. Wenn wir den Prozess der Reinigung durchlaufen haben und in der Lage sind, uns besser zu konzentrieren, können Körper, Geist und Raum als lichterfüllt oder lichthaft wahrgenommen werden. Je weniger Widerstand vorhanden ist, umso leichter kann die Energie fließen. Wenn du Gelassenheit und Gleichmut entwickelst, wird dir die wahre Wirklichkeit bewusst.

 

05. Woche

ALLES KLAR?

Altern ist kein Zustand, der plötzlich da ist, sondern ein ständiger Prozess lebenslanger Vergänglichkeit. Selbst wenn hauptsächlich der Körper altert, muss die Geistesfähigkeit nicht in gleichem Maße abnehmen.

Allerdings ein mit Gier, Hass und Verblendung behafteter Mensch altert geistig oft schon relativ vorzeitig, weil er ausschließlich egoistische Ziele verfolgt und sich von seinen Trieben versklaven lässt. Ein gefangener Geist verfällt ähnlich schnell wie der Körper, wenn man ihn vernachlässigt.

Gesunde Ernährung, körperliche Bewegung sowie geistige Hygiene sind die besten Voraussetzungen für mehr Zufriedenheit und Gelassenheit im Alter. Dabei kann auch regelmäßiges Meditieren sehr heilsam sein. Es rückt nicht nur den Moment, das Hier und Jetzt, in den Fokus, sondern macht uns mit unseren Emotionen, Widerständen und Wünschen vertraut und reinigt so den Geist.

In Kombination mit entsprechender Achtsamkeitspraxis kann es dann gelingen, unsere ich-bezogenen Verhaltensweisen zu verändern. So braucht sich ein anhaftungsfreier Mensch vor dem Alter nicht zu fürchten. Denn ein klarer Geist wird nicht vorzeitig vergreisen, weil er im Einklang mit dem Kosmos lebendig bleibt.


04. Woche

ANGST HAT WAS

In den vergangenen drei Jahren ist eine Krise auf die andere gefolgt und hat bei den meisten von uns viel Angst erzeugt. Was mit der Pandemie begonnen hatte, setzte sich mit dem Ukraine-Krieg fort. Dann beschäftigt uns die  Energiekrise Und nach wie vor fühlt sich die Menschheit vom Klimawandel bedroht.

Angst macht Angst und irgendwann handlungsunfähig. Wenn du die Angst bekämpfen willst, wird sie stärker und baut sich zu einem unüberwindbaren Hindernis auf. Solange du die Angst loswerden willst, bist du mit ihr identifiziert.

Angst kann dich jedoch zu einem tieferen Verständnis führen, wenn du sie als Herausforderung annimmst und zu deinem Lehrmeister machst.  Bitte denke daran, dass es den meisten Menschen genauso geht wie dir. Angst ist die natürliche Wachsamkeit im Hinblick auf potenzielle Gefahren, der Kern unseres Überlebensinstinkt. Hab also keine Angst vor der Angst!

Denn neben ihrer Warnfunktion hat sie auch eine Botschaft für dich. Wenn du in der Meditation nach den Ursachen „deiner Angst“ forschst, wirst du vielleicht Antworten finden, die dir gar nicht gefallen. Vertraue aber auf die Weisheit deines Herzens, wenn es dir zu gewissen Veränderungen in deinem Verhalten rät, um dich von Ängsten zu befreien und dir dein Leben zu erleichtern.


03. Woche

BÖSES ERWACHEN

Weisst du noch, was du vor zehn Minuten gedacht hast? Wenn der normale Gedankenstrom uns überflutet, ist es kaum möglich, sich irgendetwas zu merken. Oder war es etwas Wichtiges, das deine Aufmerksamkeit gefordert hat?

Waren es deine eigenen Gedanken oder die Meinungen von anderen? Übernommene Ansichten werden häufig zu eigenen Überzeugungen und damit irrtümlich für die Wahrheit gehalten. Dabei sind Standpunkte meistens nichts weiter als Interpretationen und haben mit der wahren Wirklichkeit nichts zu tun.

Wenn du dich mit deinen Gedanken identifizierst, begibst du dich in die Abhängigkeit des Egos, das ständig  nach neuen Anreizen verlangt. Das führt in der Regel dazu, dass wir dauernd Zerstreuung suchen oder an materiellen Dingen kleben und unseren „Hunger“ durch maßlosen Konsum zu stillen versuchen –  gefolgt von einem bösen Erwachen.

Die Alternative dazu ist das spirituelle Erwachen, das im tiefsten Inneren des Menschen etwas grundlegend verändert, so dass wir unbeschwerter durchs Leben gehen können , weil vieles ohne Widerstand im Einklang mit dem Kosmos verläuft.

Wer danach strebt, lässt sich nicht länger vom engstirnigen Ego sein Leben diktieren, sondern geht über das Denken hinaus. Durch konsequente Meditationspraxis finden wir zu innerer Ruhe und Gelassenheit, lernen das Wesen der Dinge und unsere eigene Natur zu erkennen sowie Sinn und Bedeutung des Lebens zu erfassen. Weisst du noch, was du vor zehn Minuten gedacht hast? Wenn der normale Gedankenstrom uns überflutet, ist es kaum möglich, sich irgendetwas zu merken. Oder war es etwas Wichtiges, das deine Aufmerksamkeit gefordert hat?

Waren es deine eigenen Gedanken oder die Meinungen von anderen? Übernommene Ansichten werden häufig zu eigenen Überzeugungen und damit irrtümlich für die Wahrheit gehalten. Dabei sind Standpunkte meistens nichts weiter als Interpretationen und haben mit der wahren Wirklichkeit nichts zu tun.

Wenn du dich mit deinen Gedanken identifizierst, begibst du dich in die Abhängigkeit des Egos, das ständig  nach neuen Anreizen verlangt. Das führt in der Regel dazu, dass wir dauernd Zerstreuung suchen oder an materiellen Dingen kleben und unseren „Hunger“ durch maßlosen Konsum zu stillen versuchen –  gefolgt von einem bösen Erwachen.

Die Alternative dazu ist das spirituelle Erwachen, das im tiefsten Inneren des Menschen etwas grundlegend verändert, so dass wir unbeschwerter durchs Leben gehen können, weil vieles ohne Widerstand im Einklang mit dem Kosmos verläuft.

Wer danach strebt, lässt sich nicht länger vom engstirnigen Ego sein Leben diktieren, sondern geht über das Denken hinaus. Durch konsequente Meditationspraxis finden wir zu innerer Ruhe und Gelassenheit, lernen das Wesen der Dinge und unsere eigene Natur zu erkennen sowie Sinn und Bedeutung des Lebens zu erfassen.


02. Woche

INNEN UND AUSSEN  

Das größte Geschenk, das man durch die Zen-Praxis erlangen kann, ist die Erleuchtung. Allerdings wenn wir nur meditieren, bleibt die Praxis eine halbe Sache. Der Zen-Weg führt zwar über die Meditation nach innen, aber danach über die Achtsamkeitspraxis auch wieder nach außen. Nur wenn sich Innen und Außen ergänzen, kann sich das Leben weiterentwickeln.

Achtsamkeit bedeutet, im gegenwärtigen Moment alles wahrzunehmen, was gerade passiert. Doch leider nutzen wir diese menschliche Fähigkeit viel zu wenig. Wie oft schauen wir, ohne wirklich zu sehen – hören wir, ohne wirklich zuzuhören – essen wir, ohne wirklich zu schmecken – reden wir, ohne wirklich etwas zu sagen?

Dabei steht Achtsamkeit praktisch immer zur Verfügung, wenn wir unsere Alltagsroutine unterbrechen. Ein paar Mal tief durchatmen, den eigenen Atemfluss spüren und sich fragen: Wie fühle ich mich in diesem Moment? Was geht mir gerade durch den Kopf? Das Leben wirklich im Hier und Jetzt wahrnehmen zu können, darin liegt das Geheimnis der Achtsamkeit.

Den Zen-Weg zu gehen, bedeutet nicht, abzuheben und herabzuschauen oder vor dem Leben zu flüchten und ins Nirvana auszuweichen, sondern: sich auch seinen Alltagspflichten zu stellen. Den Geist reinigen und das Geschirr spülen sind die zwei Seiten einer Medaille.

 

01. Woche 2023

NUR FÜR HEUTE

Auch gute Vorsätze unterliegen dem Naturgesetz der Vergänglichkeit. Erfahrungsgemäß werden viele Vorhaben die ersten beiden Wochen des neuen Jahres nicht überleben. Wer nicht gleich scheitern möchte, sollte sich nicht zu viel vornehmen, aber konsequent umsetzen, Schritt für Schritt.

Am erfolgreichsten sind Vorsätze für einen überschaubaren Zeitraum. Es genügt die friedliche, ruhige Suche nach dem Guten an jedem Tag, zu jeder Stunde – ohne Übertreibung, aber mit Geduld. Im Zen heißt es: Jeder Tag ein guter Tag. Probiert es am besten heute einmal aus. Hier ein paar praktische Beispiele, die jeder schaffen kann:

Nur für heute werde ich mich bemühen, den Tag besonders achtsam zu erleben, ohne alle meine Probleme auf einmal lösen zu wollen. Nur für heute werde ich eine gute Tat vollbringen oder auf meine „kleinen Sünden“ verzichten – und ich werde es niemandem erzählen. Nur für heute werde ich mir vornehmen, niemanden zu kritisieren oder zu verbessern.

Nur für heute werde ich alle von mir erzeugten Selbstbilder ablegen, einschließlich dem des „bescheidenen Menschen“, des „spirituellen Menschen“ oder dem des „edlen Wohltäters“. – Und schließlich noch etwas für uns alle: Nur für heute werde ich nicht versäumen, an der gemeinsamen Fernmeditation der Lotos Sangha um 19 Uhr teilzunehmen.

 

 

Schwerpunkt-Thema

I n  Z e i t e n  d e r  S t i l l e

Meditationsabend am 26. Mai 2024

METTA – DIE MUTTER ALLER MEDITATIONEN

Emotionen wie Enttäuschung, Ärger, Abneigung oder Zorn können uns manchmal überfluten und uns verloren fühlen lassen. Um mit solchen Gefühlen besser umgehen zu lernen, kann eine Metta-Meditation hilfreich sein. Auf diese Art und Weise üben wir, negative Empfindungen anzunehmen, sie zu umarmen, zu beruhigen und schließlich loszulassen. Auch wenn es anfangs ungewohnt erscheinen mag, mit zunehmender Praxis wird es einfacher, Güte zu entwickeln.

Der erste Schritt der Metta-Meditation ist, sich selbst anzuerkennen, anzunehmen und zu lieben. Diese wirkliche Selbstakzeptanz ist die Voraussetzung dafür, auch anderen Wesen bedingungsloses Mitgefühl entgegenbringen zu können. Für ein friedliches Miteinander ist es unumgänglich, Freunde und Fremde sowie sich selbst trotz aller Fehler und Schwächen ohne wenn und aber zu respektieren.

Solange man der Vorstellung anhängt, Mitmenschen nur akzeptieren zu können, wenn sie bestimmte Bedingungen erfüllen (z.B. etwas tun oder nicht tun), ist Metta als innere Haltung nicht möglich. Metta bedeutet also bedingungsloses Wohlwollen und Mitgefühl gegenüber allen Lebewesen.

Die klassische Metta-Meditation bezieht sich auf das buddh. Metta-Sutta (Metta > Maitri, pali > Güte s. Anhang) und gehört zu den ältesten medtativen Praktiken in Fernost. Sie ist sozusagen „die Mutter aller Meditationen“. Die Übung wird in fünf Schritte unterteilt, die zu Beginn befolgt werden sollten, bevor sie je nach Bedarf modifiziert werden können. Die folgende Anleitung bietet einen Einblick in die Praxis der Metta-Meditation:

1. Beginne immer mit dir selbst

Entwickle Wohlwollen und Freundlichkeit gegenüber dir selbst. Lenke deine Aufmerksamkeit nach innen, gehe in Verbindung mit der Ebene deiner Wünsche, deiner Bedürfnisse. Was wünschst du dir für diesen Tag?  –  Einmal hineinspüren. Was sind wichtige Wünsche für diesen Tag?

Langsam noch tiefer spüren.  –  Tiefere Wünsche einmal erspüren. Bedürfnisse über diesen Tag hinaus. Erfahren: Was möchtest du wirklich? –  Vielleicht wünschst du dir, gebraucht zu sein, erwünscht zu sein. –  Vielleicht sehnst du dich nach Zugehörigkeit, Sicherheit und Geborgenheit. Dies kannst du dadurch erreichen, indem du dir bestimmte Bitten immer wieder selbst vorsagst. Suche dir aus den folgenden Sätzen drei Wünsche aus, die dich gerade in diesem Augenblick besonders ansprechen:

  • Möge ich beschützt und sicher sein.
  • Möge ich demütig und gelassen sein.
  • Möge ich bedingungslos glücklich sein.
  • Möge ich genügsam und bescheiden sein.
  • Möge ich frei sein von Angst und Agression.
  • Möge ich fähig sein, Kummer und Leid zu akzeptieren.
  • Möge ich frei sein von körperlichen und geistigen Problemen.
  • Möge ich im Einklang mit dem Kosmos unbeschwert durchs Leben gehen.

Du kannst diese Wünsche auch beliebig umwandeln, kombinieren, ergänzen oder wechselnd nutzen. Mit etwas Erfahrung wirst du spüren, welcher Satz bzw. welche Kombinationen dir in bestimmten Lebenslagen am besten helfen. Sollte es sich jedoch um deine ersten Metta-Meditationen handeln, verwende am besten drei  Sätze für die Basisarbeit.

2. Menschen, die dir nahestehen

Fokussiere dich auf Menschen, die dir emotional nahe stehen, um liebevolle Gedanken und Wünsche an sie zu senden. Dies ist vielleicht ein Freund oder ein naher Verwandter. (Es können auch mehrere Personen sein, z. B. alle deine Kinder mit ihren Familien.)

Lasse nun Menschen, die dir vertraut sind, vor deinem inneren Auge erscheinen. Schau in sie hinein –  auf ihre tieferen Wünsche und Bedürfnisse. Du kennst diese Menschen gut. Was wünschen sie sich wirklich? Vielleicht wünscht man sich, erwünscht zu sein. Vielleicht braucht man mehr Verständnis und Akzeptanz, vielleicht sehnt man sich nach Nähe und menschlicher Wärme, nach Geborgenheit.

Schenke einem dir nahestehenden Menschen die Liebe deines Mitgefühls, die Hilfsbereitschaft, die Umarmung, die deine Zuneigung manifestiert. Sende ihm also Gedanken und Sätze, die sich an denen des ersten Schrittes orientieren:

  • Mögest du beschützt und sicher sein.
  • Mögest du glücklich und frei von Kummer und Sorgen sein.
  • Mögest du im Einklang mit dem Kosmos unbeschwert durchs Leben gehen.

3. Neutrale Personen aus deinem Alltag

Denke nun an einen Menschen, zu denen du keine besondere Beziehung hast, und sende auch ihnen Wohlwollen und Freundlichkeit. Vielleicht ist es eine Person, die du bereits mehrmals bei einer Veranstaltung gesehen hast oder ein Kollege, mit dem du sonst nichts zu tun hast.

Erkenne oder erahne, dass auch dieser Mensch einen wunden Punkt hat, verletzlich ist oder dass er oder sie jetzt Schwierigkeiten hat, mit einer Situation klarzukommen. Sei mitfühlend, verständnisvoll. Auch dieser Person bringe nun mit den entsprechenden Wünschen Mitgefühl entgegen.

  • Mögest du glücklich und zufrieden sein.
  • Mögest du fähig sein, Kummer und Leid zu akzeptieren.
  • Mögest du frei sein von körperlichen und geistigen Problemen.

4. Menschen, mit denen du Schwierigkeiten hast

Dieser Abschnitt der Meditation wird zu Anfang die größte Herausforderung darstellen. Nachdem du dein Wohlwollen gegenüber dir selbst, einem nahestehenden Menschen und einer neutralen Person geübt hast, erfahre nun, was es heißt, Wut und Ärger abzulegen.

Wenn du diese für dich schwierigen Fälle visualisierst, sollen die negativen Gefühle nicht in den Vordergrund treten. Versuche daher, den Zugang über einen anderen Zusammenhang zu finden. Visualisiere die Person in einem weiteren Umfeld als Mensch mit Sehnsüchten, Ängsten, Erlebnissen und Problemen.

Indem sie oder er als Mensch in den Blickpunkt gerückt wird, treten deine Konflikte mit ihr/ihm etwas in den Hintergrund. Natürlich können Auseinandersetzungen und Probleme nicht zerredet werden, doch indem du deine innere Haltung veränderst, wirst du dem Menschen auch im realen Leben entspannter gegenübertreten und damit eventuelle Zwistigkeiten bereinigen können. Sende also dem Menschen und nicht dem Konfliktgegner dein Wohlwollen.

Sitzt der Zorn zu tief, wird dir das aufrichtige Entgegenbringen von Wohlwollen schwerfallen. Zu Beginn solltest du dich daher auf eine Person konzentrieren, mit welcher du nur temporäre oder kleinere Konflikte hast. Möglicherweise gab es aktuell eine Auseinandersetzung mit einem Kollegen, Ärger mit Vorgesetzten oder Streit mit Freunden.

Du selbst solltest entscheiden, ob dir das Einbeziehen solcher Personen guttut oder nicht. Sind die negativen Empfindungen noch zu dominant, dann beende diesen Part der Meditation. Setze dich deswegen nicht unter Druck und breche bitte nicht gleich die gesamte Meditation ab. Sich selbst zu lieben und mit Wohlwollen zu behandeln bedeutet schließlich auch, seine momentanen Schwächen anzunehmen.

Vielleicht gelingt es dir trotzdem irgendwann über das hinwegzuschauen, was du an diesem bestimmten Menschen nicht magst, und wende dich dem menschlichen Wesen zu, das genau wie du leidet, wenn es Schmerzen hat. Und erkenne, dass auch diese Person einen wunden Punkt hat und fühle dich dadurch mit ihm oder ihr verbunden. Schenke diesem Menschen dein Mitgefühl und wünsche ihm Gutes und wiederhole im Stillen die tröstenden Worte.

Senden Sie also dem Menschen und nicht deinem Gegner ehrliches Mitgefühl:

  • Mögest du Ruhe und inneren Frieden finden.
  • Mögest du frei sein von Angst, Sorgen und Leid.
  • Mögest du frei sein von körperlichen und geistigen Schwierigkeiten.

5. Alle menschlichen Wesen

Abschließend lasse bitte deine liebevollen und wohlwollenden Gefühle frei und lasse sie über alle menschlichen Wesen hinwegströmen. Du selbst zählst ebenso dazu wie nahestehende, neutrale und negativ behaftete Personen. Dabei solltest du dich von deiner Vorstellungskraft leiten lassen.

Gehe darüber hinaus in Verbindung mit Menschen aus unserem Zenkreis. Ein jeder wünscht, möglichst gesund und erwünscht zu sein. Wir alle brauchen Geborgenheit und sehnen uns nach menschlicher Wärme.

Du kannst dein Herz öffnen für jeden Einzelnen, der vor deinem inneren Auge jetzt erscheint und ihm zuflüstern:

  • Mögest du heute ohne Angst sein – und frei von Kummer und Leid.
  • Mögest du fähig sein, den Schmerz liebevoll zu akzeptieren.
  • Mögest du im Einklang mit dem Kosmos unbeschwert durchs Leben gehen.

_

Lasse nun deine Gedanken treiben und schränke dich nicht ein. Bleibe während der gesamten Meditation bei einem ruhigen, gleichmäßigen Atemrhythmus. Mit jedem tiefen Atemzug nimmst du neue Lebensenergie in dich auf.

Abschließend lasse alle Vorstellungen und Bilder langsam verblassen. – Spüre deinen Atem und  dein weites Herz.  –  Dein Herz, das Liebe verschenken und Liebe empfangen kann.

 

ANHANG:
Suttanipata 143-152 – Pali, Übersetzung: Nyanaponika Mahathera – 1949

METTA-SUTTA – LEHRREDE VON DER GÜTE

„Dies soll erwirken, wer des Heiles kundig
Und wer die Friedens-Stätte zu verstehen wünscht:
Stark soll er sein und aufrecht, aufrecht voll und ganz.
Zugänglich sei er, sanft und ohne Hochmut.

Genügsam sei er und sei leicht befriedigt,
Nicht viel geschäftig und bedürfnislos.
Die Sinne still, und klar sei der Verstand,
Nicht dreist, nicht gierig, geht er unter Menschen.

Auch nicht im Kleinsten soll er sich vergehen,
Wofür ihn andere, Verständige tadeln möchten.
Sie mögen glücklich und voll Frieden sein,
Die Wesen alle! Glück erfüll’ ihr Herz!

Was es an Lebewesen hier auch gibt,
Die schwachen und die starken, restlos alle;
Mit langgestrecktem Wuchs und groß an Körper,
Die mittelgroß und klein, die zart sind oder grob.

Die sichtbar sind und auch die unsichtbaren,
Die ferne weilen und die nahe sind,
Entstandene und die zum Dasein drängen, –
Die Wesen alle: Glück erfüll’ ihr Herz!

Keiner soll den anderen hintergehen;
Weshalb auch immer, keinen möge man verachten!
Aus Ärger und aus feindlicher Gesinnung
Soll Übles man einander nimmer wünschen!

Wie eine Mutter ihren eigenen Sohn,
Ihr einzig Kind mit ihrem Leben schützt,
So möge man zu allen Lebewesen
Entfalten ohne Schranken seinen Geist!

Voll Güte zu der ganzen Welt
Entfalte ohne Schranken man den Geist:
Nach oben hin, nach unten, quer inmitten,
Von Herzens-Enge, Hass und Feindschaft frei!

Ob stehend, sitzend, gehend oder liegend,
Wie immer man von Schlaffheit frei,
Auf diese Achtsamkeit soll man sich gründen.
Als göttlich Weilen gilt dies schon hienieden.

In falscher Ansicht nicht befangen,
Ein Tugendhafter, dem Erkenntnis eignet,
Die Gier nach Lüsten hat er überwunden
Und geht nicht ein mehr in den Mutterschoß*.“
(Red.: *Und wird nicht mehr wiedergeboren.)

 

Meditationsabend am 14. April 2024

MEDITATION ZUM BEWUSSTEN SEIN

In der Meditation können wir die Stille in uns wieder entdecken, indem wir damit aufhören, irgendetwas an unserer Erfahrung des jetzigen Moments zu verändern. So kommen wir zu uns selbst, in einen natürlichen Zustand – zu unserem Bewussten Sein!

Uns der Stille bewusst zu werden, sobald wir ihr im Leben begegnen, verbindet uns mit der formlosen und zeitlosen Dimension in uns, die jenseits des Denkens liegt, jenseits des Egos. Das kann die Stille sein, die in der Natur herrscht, die Stille in deinem Zimmer in der Morgenfrühe oder die Stille in der Einsamkeit.

Stille ist in Wahrheit ein anderes Wort für Raum. Schaffe so oft wie möglich in deinem Lebensalltag Raum, indem du dir den inneren Körper bewusst machst. Spüre immer, wenn du irgendwo wartest oder innehältst, um zum Himmel emporzuschauen oder eine Blume zu betrachten, zugleich die Lebendigkeit in deinem Inneren.

Das heißt, ein Teil deines Bewusstseins bleibt formlos, während der übrige Teil für die äußere Welt der Form zur Verfügung steht. Wenn du deinen Körper auf diese Weise bewohnst, dient dir das als Anker, um im Jetzt präsent zu bleiben. Dann bewahrt er dich davor, dich im Denken, in Empfindungen oder äußeren Umständen zu verlieren.

Sobald du denkst, fühlst, wahrnimmst und Erfahrung machst, nimmt dein Bewusstsein Form an. Es reinkarniert sich als Gedanke, Gefühl oder Sinneswahrnehmung.

Indem du das Jetzt in seiner jeweiligen Form bedingungslos annimmst, richtest du dich innerlich auf den Raum aus, der das Wesen des Bewussten Seins ist. Durch Akzeptanz wirst du innerlich weit. Durch Ausrichtung auf die neue Bewusstheit statt auf die weltlichen Erscheinungsformen kommen Orientierung und Ausgewogenheit in dein Leben.

Der Sinn unseres Lebens besteht darin, zu wahrer Bewusstheit zu erwachen. Dieses Ziel haben wir mit allen anderen Menschen auf dieser Erde gemeinsam – es ist Sinn und Zweck der ganzen Menschheit. Dieses Erwachen ist ein Bewusstseinswandel, bei dem sich Denken und Bewusstheit trennen.

Der Wandel geht tiefer und weit über den Verstand und das Denken hinaus. Tatsächlich ist im Kern des neuen Bewusstseins die Transzendenz des Denkens bereits angelegt, die neu zugängliche Fähigkeit, sich über das Denken zu erheben und eine Dimension in sich selbst zu entdecken, die unendlich viel umfassender ist als das Denken.

Dann beziehen wir unsere Identität, den Sinn für uns selbst und für das, was wir sind, nicht länger aus dem unablässigen Strom des Denkens, das wir in dem „kleinen Bewusstsein“ für uns selbst halten. Welch eine Befreiung sich darüber klar zu werden, dass die Stimme im Kopf – unser Ego – gar nicht ich bin.

Wer bin ich dann? Der, der dies erkennt: Die Bewusstheit, die dem Denken vorausgeht, der Raum, in dem das Denken beziehungsweise die Emotion oder Sinneswahrnehmung auftritt. Statt dein Leben zu regieren, dient das Denken fortan der Bewusstheit. Bewusstheit ist die Verbindung mit der universellen Intelligenz.

Dass der Prozess des Erwachens in Gang kommt, kannst du ebenso wenig auslösen, wie du dich auf ihn vorbereiten oder ihn dir verdienen kannst. Es gibt keine klare Folge logischer Schritte, die darauf zuführen, obwohl der Verstand das gern hätte.

Während du vielleicht darauf wartest, dass in deinem Leben etwas Bedeutsames geschieht, entgeht dir möglicherweise völlig, dass das Bedeutendste, was einem Menschen je widerfahren kann, in deinem Innern bereits eingesetzt hat: der Trennungsvorgang zwischen Denken und Bewusstheit.

Was für eine Beziehung besteht zwischen Bewusstheit und Denken? Bewusstheit ist der Raum, in dem die Gedanken existieren, wenn dieser Raum sich seiner selbst bewusst geworden ist. Sobald du einen ersten Einblick in die Bewusstheit oder Präsenz erhalten hast, kennst du sie aus erster Hand. Dann ist dieser Zustand nicht länger nur ein mentales Bild in deinem Kopf.

Jetzt kannst du dich bewusst dafür entscheiden, weil du merkst, dass etwas Bedeutsames geschehen ist, und du erkennst die aufkeimende Bewusstheit als das Wichtigste überhaupt, was dir je widerfahren konnte. Dann siehst du dein vorrangiges Ziel im Leben darin, präsent und offen zu werden für dieses sich entfaltende Bewusstsein und sein Licht in die Welt zu tragen.

Wo immer du Schönheit, Herzlichkeit oder den Sinn für einfache Dinge erlebst, suche den Hintergrund dieser Erfahrung stets in dir selbst. Aber suche nicht danach, wie nach einem Objekt. Du kannst ihn nirgendwo festmachen und sagen: „Jetzt habe ich’s“. Oder ihn in irgendeiner Weise rational erfassen. Das Bewusste Sein ist wie der wolkenlose Himmel, es ist Raum, es ist Stille.

Stille hat keine Form. Darum können wir sie nicht durch Denken wahrnehmen; denn Denken ist Form. Sich der Stille bewusst zu werden, bedeutet still zu sein. Stillsein ist Gewahrsein ohne Denken. Du bist nie tiefer und essenzieller du selbst als dann, wenn du still bist.

In der Stille bist du, wie du warst, bevor du für eine gewisse Zeit diese physische und mentale Form angenommen hast, die „Person“ genannt wird. Dann bist du auch so, wie du sein wirst, wenn sich die Form wieder auflöst. In deiner Stille bist du das, was du jenseits deiner zeitlichen Existenz bist: reines Bewusstsein, Bewusstes Sein, formlos und ewig.

 

Meditationsabend am 10. September 2023

IM HARA LIEGT DEINE MITTE

In Fernost hat man immer schon den Bauch für den Sitz menschlichen Lebens gehalten. Wenn man in früheren Zeiten Japan besuchte, konnte man Leute finden, die, wenn man sie fragte: „Wo denken Sie?“, auf ihren Bauch gezeigt hätten. Heute würde kein Mensch mehr sagen, dass man im Bauch dächte – es klänge so töricht. Inzwischen haben sie angefangen, im Kopf zu denken.

Aber die Betonung des Bauches ist wichtig. Der Bauch ist die Quelle des Lebens. Du warst mit deiner Mutter durch den Nabel verbunden: erst von diesem Punkt aus begann das Leben in dir zu pulsieren. Der Kopf ist der entfernteste Winkel deiner Existenz, die Mitte bildet der Bauchraum. Deine Existenz, dein Dasein ist dort zu Hause.

Dein Denken mag sich im Kopf abspielen, aber Denken ist eine Spezialisierung. Genauso, wie man seine Hände für bestimmte Zwecke benutzt, seine Beine für andere Zwecke benutzt, die Augen für gewisse andere Zwecke benutzt und Ohren und Nase … genauso benutzt man seinen Kopf, seinen Hirnmechanismus, zum Denken.

Aber wer bedient sich all dessen? Wer bedient sich der Beine zum Gehen, wer bedient sich der Hände und wer bedient sich der Augen? Wer bedient sich dann also des Hirns? Inzwischen schöpft man sogar in der Psychologie des Westens Verdacht, ob die alte Vorstellung stimme, dass der Sitz des Geistes das Gehirn sei. Heute sind große Zweifel laut geworden, dass dem vielleicht gar nicht so sei. Heute haben ein paar Leute zu denken begonnen, dass das Gehirn etwas anderes sei als der Geist.

Wo also ist der Sitz des Geistes? Zen zufolge sitzt er im Bauch, sitzt er unterhalb des Nabel – genau dort, von woher der erste Pulsschlag kam. Man kann dieses ,,Kopf oder Bauch“ auf vielerlei Art und Weise ausdrücken: Intellekt oder Intuition; Logik oder Liebe; Bewusstsein oder Unbewusstsein; der Teil oder das Ganze; Tun oder Geschehenlassen; Tod oder Leben; Haben oder Sein. Diese sieben Variationen sind möglich, und jede ist bedeutsam.

Der Intellekt ist sehr begrenzt; die Intuition ist grenzenlos. Intuition kommt immer aus dem Bauch. Wann immer du das Gefühl hast, dass dir eine Intuition kommt – eine Ahnung – kommt sie immer exakt aus dem Bauch. Dein Bauch spürt es sofort. Wenn du dich verliebst, geschieht das nie vom Kopf her. Das ist der Grund, warum Kopfmenschen sagen: ,,Liebe ist blind“. Das ist sie auch, denn sie hat nichts mit dem Gehirn zu tun. Wenn du dich verliebst, entspringt es einer anderen Quelle.

Wenn man große Wissenschaftler, große Dichter, große Kreative befragt, werden sie ebenfalls sagen, dass, wenn sie ein Aha-Erlebnis haben, es niemals aus dem Kopf kommt, es niemals dem Gehirn entspringt. Es kommt irgendwo von jenseits. Buddha hatte sich sechs Jahre lang abgemüht, hatte alles Erdenkliche unternommen, um zur Erleuchtung zu gelangen, aber es ging nicht. Eines Abends gab er das ganze Vorhaben auf. Er sagte: Die Reise geht nirgends hin und nichts wird passieren und ich gebe jetzt die ganze Sache auf. An diesem Abend schlief er entspannt ein – und nachts wurde er erleuchtet.

Am Morgen, als er die Augen aufschlug, war er ein vollkommen anderer Mensch. Irgendwas war über Nacht geschehen. Von woher? Warum geschieht es gerade dann, wenn du alles Menschenmögliche getan hast? Ja, nur dann geschieht es. Erst wenn alle Kapazitäten deines Gehirns erschöpft sind, beginnt deine Intuition ihr Werk. Das ist eine höhere Energie. Dadurch, dass du dein Gehirn restlos eingebracht hast, wirst du fähig, sie einzusetzen – nur von dort aus kannst du zur Intuition weitergehen.

Intuition arbeitet nicht einfach so. Du kannst nach Bodh Gaya fahren, wo der Nachkömmling des Baumes, unter dem Buddha erleuchtet wurde, noch am gleichen Ort steht, und du kannst dich entspannt unter ihn setzen und sagen: ,,Ich gebe es auf.“ Nichts wird passieren; denn was gibt es da groß aufzugeben? Ohne diese sechs Jahre läuft gar nichts. Es gehört eine enorme Mühe dazu, um zur Mühelosigkeit zu gelangen.

 

Meditationsabend am 13. August 2023

DER MITTLERE WEG

Warum sind wir so unzufrieden? Oberflächlich sagen wir uns vielleicht, unser Unglück entstamme einem Bedürfnis oder Verlangen, das noch nicht erfüllt wurde. Forschen wir nicht tiefer nach, werden wir niemals damit aufhören, unser endloses Verlangen stillen zu wollen. Wenn wir uns wirklich anschauen, was wir zu brauchen glauben, werden wir ein Muster erkennen: Wir schaffen uns einen sehr schmalen Pfad zwischen dem, was wir als gut und akzeptabel beurteilen, und dem, was wir schlecht und inakzeptabel finden.

Wir stellen uns vor, dass es irgendwo zwischen der Liebe und dem Hass dafür, wie die Dinge sind, einen netten Ort der Zufriedenheit und des Behagens geben müsse. Also setzen wir uns dieses Ideal zum Ziel, selbst wenn es nur eine hauchdünne Linie ist. Hin und wieder einmal können wir uns zufrieden fühlen, sobald es uns gelingt, dieses Ideal zu streifen, doch dies geschieht selten und hält nie sehr lange. Die meiste Zeit über fühlen wir uns unzufrieden, und wir hoffen, dass die Dinge besser sein könnten.

Das Problem liegt in unserer Wahrnehmung. Solange wir denken, dass die Unzufriedenheit existiert, weil irgend etwas fehlt, werden wir natürlich weiter nach einem Weg suchen, diesen Mangel auszugleichen. Wir machen damit weiter, zu suchen und uns das nächste Ding anzueignen, und das nächste Ding, und das nächste Ding, von dem wir hoffen, dass es uns den idealen Zustand der Zufriedenheit beschert.

Wie wäre es, wenn wir die Dinge so akzeptierten, wie sie sind? Wenn wir lernen könnten, mit allem, was ist, in Frieden zu sein, dann wäre jeder Tag ein guter Tag. Für das Leben ist es natürlich, Höhen und Tiefen zu haben, und wir sollten damit rechnen, gute Momente und auch schlechte Momente zu erleben. Wenn wir das einfach akzeptieren könnten, würden wir damit aufhören, uns weitere Probleme zu erschaffen. Doch stattdessen schaffen wir unseren sehr schmalen Pfad, unsere eigene Messerschneide der Zufriedenheit.

Buddha erkannte, dass unser Grundproblem in dieser Sichtweise des Lebens liegt. Stets sehen wir die Dinge aus einer selbstbezogenen Perspektive. Indem Buddha sich von der Illusion des Egos befreite, war er fähig, das Leben aus der Perspektive des Großen Geistes zu betrachten, der die Einheit aller Dinge erkennt.

Die Heilung für unser Problem scheint möglich zu sein: Wir müssen nur unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit verändern. Der erste Schritt besteht darin, einzusehen, dass wir das Leben nicht so wahrnehmen, wie es wirklich ist – und das ist, für sich betrachtet, schon sehr schwer.

Es fällt nicht leicht, unsere Perspektive loszulassen, die Art, wie wir die Wirklichkeit sehen, weil all dies damit verknüpft ist, wie wir uns selbst sehen, mit unserer eigenen Identität. Wenn wir unsere Perspektive loslassen, verlieren wir auch unsere Identität – zumindest die Identität, die wir kennen, und darauf sind wir nicht gerade begierig. Das wäre so, als ob wir ganz von vorne anfangen müssten.

Der Buddha lehrte, dass wir Frieden und Zufriedenheit finden können, wenn wir dem Mittleren Weg, traditionell bekannt als der „Edle Achtfache Pfad“ https://zen-weg.de/der-edle-achtfache-pfad/  bzw. als Basis im „Leitbild der Lotos-Sangha“ https://zen-weg.de/unser-leitbild/ verankert. Buddha bezog sich damit jedoch nicht auf einen mittleren Weg, wie ihn sich der Verstand als irgendeine Strategie vorstellt, die dünne Linie zwischen dem, was wir mögen und nicht mögen, zu begehen. Der Mittlere Weg hängt nicht von Urteilen und Vorlieben ab. Er ist in keiner Weise vom Verstand abhängig. Wenn wir versuchen, diejenigen Teile des Lebens auszuschließen, die uns missfallen, wird uns etwas fehlen.

Den Mittleren Weg zu praktizieren, bedeutet weit mehr als nur die Extreme von Genusssucht und Selbstkasteiung zu vermeiden. Er ist vielmehr eine Metapher für eine ganzheitliche Lebensweise, die auf alle metaphysischen Verabsolutierungen verzichtet. Durch eine regelmäßige Meditationspraxis ist es möglich, eine geregeltere Gewohnheit zu entwickeln, den Mittleren Weg zu finden und eine breitere Sicht auf die Dinge zu erhalten. Meditation ist kein Selbstzweck, aber sie verfügt über eine einzigartige Direktheit, Kraft und Erfahrung, was sie vermutlich zum besten Ausgangspunkt für die Praxis des Mittleren Wegs macht.

Leben wir den Mittleren Weg, dann schließen wir überhaupt nichts aus, selbst unsere Unzufriedenheit und das Leiden nicht. Wir lernen, wie wir alle Erfahrungen des Lebens umfassen können, auch Trauer, Schmerz, Streben und Bedürftigkeit. All dies sind Aspekte des Lebens. Wieso sollte man das Leben sezieren, in Stücke schneiden und nur bestimmte Teile für gut befinden?

Wir beurteilen aus Gewohnheit alles, was wir sehen, wenn wir die Welt betrachten. Die täglichen Nachrichten erinnern uns regelmäßig daran, dass sich überall auf der Welt schreckliche Dinge ereignen. Wir sind Zeugen von Krisen und Kriegen, von Terror und Fremdenhass. Wie können wir all dies umfassen? Ist es überhaupt möglich, Frieden und Zufriedenheit zu finden, solange es so viel Leid auf Erden gibt?

In gewisser Weise ist es gut, dass wir so stark auf das Leiden der Welt reagieren. Das bedeutet, dass wir unsere selbstbezogene Sicht abgelegt haben – ganz gleich, wie kurz dies auch sein mag – und unsere Herzen für den Schmerz anderer geöffnet haben. Wenn wir einfach nur bei diesem Schmerz bleiben könnten, anstatt in unsere Gedanken und Urteile zu flüchten, dann bräuchten wir das Leben nicht in akzeptable und inakzeptable Stücke zu zerlegen. Wir könnten das Ganze umfassen, das Leben, wie es wirklich ist. Stattdessen fühlen sich die meisten von uns von dem Schmerz und dem Leiden anderer überwältigt.

Indem wir meditieren und uns einfach mit uns selbst konfrontieren, schaffen wir die Möglichkeit, die Welt zu verändern und sie allmählich zu einem besseren Ort zu machen. Wir verbrauchen enorm viel Energie damit, die Illusion eines separaten Egos aufrechtzuerhalten. Diese ganze Energie steht uns zur Verfügung. Von den Ketten der Selbstbezogenheit befreit, kann unser Herz-Geist sich zu seinem wahren Potenzial ausdehnen, und wir können unser Leben zum Wohle der Welt leben.

 

Meditationsabend am 30. Juli 2023

BEWUSSTES UND LEERES SEIN

Es gibt drei Zustände des Geistes. Der erste ist Bewusstsein mit Inhalt. Dein Verstand beschäftigt sich ständig mit irgendeinem Inhalt – ein Gedanke regt sich, ein Wunsch taucht auf, Ärger, Gier, Ehrgeiz. Ständig sind irgendwelche Inhalte in deinem Bewusstsein. Das Bewusstsein ist nie leer, nie unbeschäftigt. Es ist ständig in Betrieb – Tag und Nacht. Wenn du wach bist, nennst du es Denken, wenn du schläfst, nennst du es Träumen, aber es ist der gleiche Vorgang. Das Träumen ist nur ein bisschen schlichter; es ist ein Denken in Bildern.

Es benutzt keine Konzepte, es benutzt Bilder. Es ist unkomplizierter – wie bei kleinen Kindern; sie denken in Bildern. Darum haben die Bücher für kleine Kinder große, bunte Bilder. Durch Bilder lernen sie die Wörter. In der Nacht wirst du wieder ursprünglicher. Dann vergisst du deine ganze Kultivierung vom Tag und fängst wieder an, in Bildern zu denken – aber es ist das Gleiche. Und die Einsichten des Psychoanalytikers haben ihren Wert – er betrachtet deine Träume. Darin ist mehr Wahrhaftigkeit, weil du im Traum primitiver bist und niemandem etwas vorzumachen versuchst; darin bist du authentischer.

Am Tag umgibst du dich mit einer Persönlichkeit, hinter der du dich versteckst – Schichten um Schichten von Persönlichkeit. Es ist sehr schwierig, den echten Menschen zu finden. Man muss sehr tief danach graben; es tut weh, und die Person leistet Widerstand. Aber in der Nacht legst du mit deinen Kleidern auch die Persönlichkeit ab. Du bist nicht mehr draußen in der Welt, du bist in deinem absolut privaten Bereich. Dort hast du es nicht nötig, dich zu verstecken oder etwas vorzutäuschen.

Darum versucht der Psychoanalytiker, in deine Träume zu schauen, weil sie viel deutlicher zeigen, wer du bist. Es ist das gleiche Spiel des Verstandes, nur in verschiedenen Sprachen. Das Spiel unterscheidet sich nicht. Dies ist der gewöhnliche Zustand des Bewusstseins – Bewusstsein mit Inhalt, Verstand plus Inhalt.

Der zweite Zustand des Geistes ist Bewusstsein ohne Inhalt – das ist Medita-tion. Du bist vollkommen wach und aufmerksam, und es entsteht eine Lücke, eine Pause, in der kein Gedanke auftaucht. Du bist ohne Gedanken. Du schläfst nicht, du bist wach – aber da ist kein Gedanke. Das ist Meditation. Den ersten Zustand nennen wir „denken“, den zweiten „meditieren“.

Und dann gibt es noch einen dritten Zustand. Wenn der Inhalt verschwunden ist, wenn alle Objekte aus dem Bewusstsein verschwunden sind, kann das Subjekt nicht lange weiter existieren, denn Subjekt und Objekt gehören zusammen; sie bedingen sich gegenseitig. Wenn das Subjekt allein übrig ist, kann es noch ein bisschen verweilen, einfach weil es noch Energie hat.

Aber ohne Inhalt kann die Bewusstheit nicht länger bestehen; sie wird nicht mehr benötigt, denn Bewusstheit ist immer Bewusstheit von etwas. Wenn jemand sagt, er sei sich bewusst, kann man fragen, worüber oder wessen er sich bewusst sei. Dann wird er sagen, dass er sich dieser oder jener Sache bewusst sei. Ein Objekt ist nötig, damit das Subjekt existieren kann. Sobald die Objekte verschwunden sind, verschwindet bald auch das Subjekt.

Zuerst verschwinden die Inhalte, dann verschwindet das Bewusstsein darüber. Dieser dritte Zustand heißt Samadhi – kein Inhalt, kein Bewusstsein von irgendetwas. Du musst aber wissen, dass dieser Zustand ohne Inhalt, dieses Bewusstsein ohne Objekt keine Bewusstlosigkeit ist. Es ist ein Zustand von Überbewusstsein, von transzendentalem Bewusstsein. Darin ist sich das Bewusstsein nur noch seiner selbst bewusst. Das Bewusstsein ist auf sich selbst gerichtet – der Kreis ist geschlossen. Du bist nach Hause gekommen. Dies ist der dritte Zustand, Samadhi. Und diesen dritten Zustand hat Buddha Shunyata genannt, die Leere.

Zuerst gibst du die Inhalte auf – du wirst halb leer. Dann gibst du die Bewusstheit auf – du wirst vollkommen leer. Und diese Voll-Leere ist das Schönste, was dir zuteil werden kann, der allergrößte Segen. In dieser Nichtheit, in dieser Leere, in dieser Ichlosigkeit, dieser Shunyata, ist vollkommene Sicherheit und Stabilität.

Sicher wundert dich das: Vollkommene Sicherheit und Geborgenheit, wenn du nicht bist? Alle Ängste verschwinden – denn was ist die Grundangst? Die Grundangst ist die Angst vor dem Tod. Alle anderen Ängste nur spiegeln diese Grundangst wider. Alle anderen Ängste lassen sich auf diese eine Angst zurückführen – die Angst vor dem Tod, vor der Nicht-Existenz: Eines Tages werde ich nicht mehr da sein, eines Tages muss ich sterben.

Jetzt existiere ich, doch der Tag kommt, an dem ich nicht mehr existiere. Das fürchtet jeder, das macht Angst. Um diese Angst zu vermeiden, fangen wir an, uns so zu verhalten, dass wir möglichst lange am Leben bleiben. Wir versuchen, unser Leben sicher zu machen. Wir gehen Kompromisse ein, sichern uns mehr und mehr ab. Wir schützen uns, wo wir nur können – alles wegen dieser Angst. Sie lähmt uns. Denn je mehr du dich schützt, desto weniger lebendig wirst du sein.

Das Leben besteht aus Herausforderungen, in Krisen, und das Leben braucht Unsicherheit. Leben gedeiht auf dem Nährboden der Unsicherheit. Wenn du ungesichert bist, erlebst du dich lebendiger und wacher. Wenn du deine innere Leere erfahren hast, verschwindet alle Angst; denn der Tod hat sich bereits ereignet. In dieser Leere bist du „gestorben“. In dieser Leere hast du dich aufgelöst. Wie könntest du jetzt noch Angst haben? Wovor? Vor wem? Wenn alles verschwunden ist, bleibt nur ein klarer Himmel übrig. Dieser klare Himmel ist Samadhi, das ist Nirvana.

Auszüge aus „Angst“ von Osho, Goldmann Arkana

 

Meditationsabend am 02. Juli 2023

KEIN ICH, KEIN PROBLEM

Die spirituelle Praxis konfrontiert uns mit dem Geheimnis unserer Identität. Wir sind in einem menschlichen Körper geboren. Was ist das für eine Kraft, die unser Leben ermöglicht und uns Form gibt? Die großen spirituellen Lehren der Welt behaupten, dass wir nicht seien, was wir zu sein glauben. Persische Mystiker sagen, wir seien Funken des Göttlichen, und christliche Mystiker sagen, wir seien von Gott erfüllt. – Wir seien eins mit allen Dingen, sagen andere.

Als der Buddha in der Nacht seiner Erleuchtung auf die Frage nach der Identität stieß, kam er zu der radikalen Erkenntnis, dass wir nicht als getrennte Wesen existieren. Er durchschaute die menschliche Neigung, sich mit einer begrenzten Wahrnehmung der Existenz zu identifizieren, und entdeckte, dass dieser Glaube an ein individuelles kleines Ich oder Selbst eine Grundillusion ist, die Leiden erzeugt und uns von der Freiheit und dem Mysterium des Lebens fernhält.

In seinen Lehren beschrieb der Buddha uns Menschen als ein Bündel von fünf Prozessen, deren Charakteristikum ständige Veränderung ist: die Vorgänge im Körper, Gefühle, Wahrnehmungen, Reaktionen und schließlich das Bewusstseins, das all dies erlebt. Unser Gefühl von einem Ich entsteht immer dann, wenn wir uns mit den Mustern dieser Abläufe identifizieren. Dieser Prozess der Identifikation, um von »ich«, »mir« und »mein« sprechen zu können, entzieht sich üblicherweise unserer Wahrnehmung.

Wir können uns mit unserem Körper, unseren Gefühlen oder Gedanken identifizieren oder auch mit Vorstellungen oder Verhaltensweisen. So identifizieren wir uns etwa mit der Rolle des Mannes oder der Frau, mit der des Elternteils oder der des Kindes. Wir benützen unsere Familiengeschichte, unsere Gene und unser Erbe, um zu sein, wer wir sind.

Ebenso können wir uns auch auf unseren Intellekt beziehen oder unser astrologisches Zeichen als Identität setzen. Wenn Taoisten und Hindus davon sprechen, mit dem Wahren Selbst jenseits aller Identität zu verschmelzen, wenn Buddha von Leerheit und Nicht-Selbst spricht, was meinen sie dann damit?

Es gibt viele Möglichkeiten, um die Leerheit des Selbst zu erkennen. Wenn wir still und aufmerksam sind, können wir ganz unmittelbar wahrnehmen, dass nichts in der Welt wirklich unser eigen sein kann. Ganz offensichtlich besitzen wir keine äußeren Dinge; wir haben eine bestimmte Beziehung zu unserem Auto, unserem Heim, unserer Familie, unserem Beruf.

Doch wie immer diese Beziehung sein mag, wir »haben« sie auf jeden Fall nur für eine bestimmte Zeit. Am Ende werden die Dinge, Menschen oder Aufgaben sterben bzw. sich verändern, oder wir verlieren sie. Nichts ist davon ausgenommen.

Auch unser Körper folgt seinen eigenen Gesetzen. Er ist ein „Sack voller Knochen und Flüssigkeiten“, den man nicht besitzen kann. Er altert, wird krank oder verändert sich, weil es seiner Natur entspricht — auf eine Weise, die uns vielleicht gar nicht wünschenswert erscheint. Je genauer wir hinschauen, desto deutlicher sehen wir, dass wir nichts besitzen, innen wie außen.

Einem anderen Aspekt der Leerheit begegnen wir, wenn wir beobachten, wie alles aus dem Nichts entsteht, aus dem Leeren kommt und ins Leere zurückkehrt. Alle unsere Worte von gestern sind verschwunden. Und wohin sind die vergangene Woche, der vergangene Monat, unsere Jugend gegangen?

Sie entstehen, tanzen ein bisschen, und nun sind sie verschwunden, wie die achtziger Jahre, das neunzehnte Jahrhundert, die alten Römer, die Pharaonen und so weiter. Jede Erfahrung vollzieht sich in der Gegenwart, führt ihren Tanz auf und verschwindet wieder. Sie tritt nur vorübergehend in Erscheinung, in einer bestimmten Form und für kurze Zeit; dann endet diese Form und eine neue Form ersetzt sie, von einem Augenblick zum anderen.

Wenn wir in der Meditation unsere Aufmerksamkeit auf unseren Körper oder unseren Geist richten, erleben wir immer mehr Raum und immer weniger Verfestigung. Dann ist Erfahrung etwas Ähnliches wie die Partikel in der modernen Physik, ein Muster, das nicht ganz fest ist, das sich ständig verändert. Sogar die Wahrnehmung, die der Beobachter von sich selbst hat, verändert sich; unsere Perspektiven verschieben sich von einem Augenblick zum anderen.

Wir sind ein sich ständig verändernder Prozess, keine festen Wesen. Innere Reinigung, Freundlichkeit und Aufmerksamkeit können unsere Gewohnheiten bessern, aber keine noch so große Selbstverleugnung oder Selbstkasteiung kann uns von unserem Ego befreien, weil es ein solches nie gegeben hat, nur unsere Identifikation lässt uns das glauben.

Als der amerikanische Psychologe und Meditationslehrer Jack Kornfield einmal in Sri Lanka einen alten Meister nach der Essenz des Buddhismus fragte, lachte der und wiederholte dreimal: „Kein Ich, kein Problem.“

Auszüge aus „Frag den Buddha und geh den Weg des Herzens“ von Jack Kornfield

 

Meditationsabend am 18. Juni 2023

IM LICHTE DES BEWUSSTSEINS

Man kann Meditation als formale Praxis betreiben, ein- oder zweimal am Tag für jeweils eine halbe Stunde, aber das eigentliche Ziel ist es, frisches Bewusstsein in alles hineinzutragen, was wir tun. Ob ich gehe oder stehe, sitze oder liege, ausruhe oder arbeite, allein oder in Gesellschaft bin – stets versuche ich diese gleiche Aufmerksamkeit walten zu lassen. Wenn ich also Brötchen hole, werde ich das Rascheln der Blätter auf dem Gehsteig ebenso wahrnehmen wie meinen verletzten Ärger über eine respektlose Bemerkung in der U-Bahn.

Bewusstheit ist ein Prozess des zunehmenden Annehmens unserer selbst. Sie ist weder kühle Zergliederung des Lebens noch das Mittel, mit dem man sich vollkommen macht. Was sie wahrnimmt, das umfängt sie. Es gibt nichts, was dieses Annehmens unwürdig wäre.

Das Licht des Bewusstseins wird zweifellos auch auf Dinge fallen, die wir lieber nicht sehen würden. Erst wenn wir in der Meditation ganz bewusst auf den Atem achten, merken wir, wie komplex und subtil die damit verbundenen Empfindungen sind, und tauchen bei jedem Ein- und Ausatmen tiefer in die filigrane Vielfältigkeit dieses Geschehens ein.

Wenn wir ruhig und gesammelt und gänzlich empfänglich für den Atem sind, können wir unser Gewahrsein auf andere Körperregionen ausdehnen, z.B. vom Scheitel, über den ganzen Schädel, den Hals, dann durch Rumpf und Gliedmaßen bis zu den Zehenspitzen.

Stellen wir uns die Dinge nicht bildhaft vor, sondern erleben sie sinnlich, als Wärme oder Kälte, Schweregefühl, Spannung, Bewegung, Kribbeln, Jucken. Beachten wir empfindungslose Zonen und erkunden auch diese.

Das mentale Bild unseres Körpers kann idealisiert und fixiert sein (ungefähr unserer Selbstdarstellung im Spiegel entsprechend), aber die sinnliche Erfahrung des Körpers besteht aus einem komplexen Geflecht von Prozessen, das sich keinen Augenblick lang gleichbleibt. Und das sind nicht einfach physische Prozesse.

Zusammengenommen spiegeln sie unsere augenblickliche emotionale Verfassung wider – zufrieden, traurig, obenauf, deprimiert. An bestimmten Stellen (Herz, Kehle, Unterbauch, Sonnengeflecht) pflegen sich die Emotionen ganz besonders zu konzentrieren.

Jede geistige Verfassung ist auch an entsprechenden körperlichen Empfindungen zu erkennen – als wäre der Körper ein Baum voller huschender Gefühle, flüchtiger Gedanken und überraschender Ideen.

Und dann – plötzlich haben wir zu all dem keine Verbindung mehr. Eine Erinnerung, eine Fantasie, eine Befürchtung hat uns ins lockende Halbdunkel der Nichtbewusstheit entführt. Ein innerliches Blinzeln, und schon ist der ganze faszinierende Zauber der Empfindungen verschwunden.

Ein winziger Augenblick der Unachtsamkeit lässt eine Welle von Impulsen herein, die uns wegspült. Minuten vergehen, bevor uns auch nur auffällt, dass wir uns „in einem anderen Film“ befinden.

Mit einem Ruck kommen wir zurück: Die Gedanken stieben nur so (obwohl wir möglicherweise schon vergessen haben, weshalb), das Herz pocht, die Stirn ist feucht. Verunsichert tasten wir uns zum Atem zurück.

Hat der Atem sein Gleichmaß gefunden, können wir die Bewusstheit wieder auf Körperempfindungen, Gefühle, Emotionen, Gedanken ausdehnen, bis wir innerlich so ruhig und klar sind, dass wir schon die ersten Anzeichen ablenkender Impulse bemerken.

Doch das Bemerken genügt nicht. Wir müssen uns entschlossen alles Schwelgen in Erinnerungen und Fantasien versagen, und sei es auch nur für ein paar Sekunden. Sobald wir uns der Ablenkung für einen kurzen Moment überlassen, wird sie uns mitreißen.

Achtsamkeit richtet sich nicht nur nach innen. Wenn wir ruhig und klar genug sind, weiten wir die Aufmerksamkeit auf unsere Umgebung aus: das Gewirr der ständig dem Ohr präsenten Laute; das selbst durch geschlossene Lider wahrnehmbare Spiel von Licht, Schatten und Farbe; Gerüche, die der Nase zugeweht werden; ein noch am Gaumen haftender Geschmack.

Halte bei deinem täglichen Tun gelegentlich inne; lass los von den Sorgen, Fantasien und Plänen, die dich gerade beschäftigen mögen, und nimm die sinnliche Unmittelbarkeit des Augenblicks in dich auf: das tiefe Rumpeln eines Lastwagens, durchschnitten vom erschreckten Zetern einer Amsel.

Meditieren heißt nicht, den Geist leer machen und die Dinge in tranceartiger Erstarrung anglotzen. Nichts von Bedeutung wird sich je zeigen, wenn man irgendeinen Gegenstand nur leeren Blickes anstarrt, wie lange auch immer. Meditieren heißt, mit höchster Sensibilität jeder Wahrnehmung nachzuspüren, jedem Geräusch, jedem Lufthauch und jedem Lichtschimmer.

Je stiller der Geist ist, desto hautnäher wird die Fülle des Lebens. Vom Aufsprudeln der Gedanken bis zum Zusammenbruch von Weltreichen – stets im Wandel und unaufhaltsam bewegt sich diese Welt weiter, getrieben von Umständen, Richtungswechseln aufgrund von Entscheidungen vollziehend, durch Zu- und Zwischenfälle aufgehalten.

Wenn sich die Bewusstheit jedem Detail der Erfahrung mit dem gleichen forschenden Blick zuwendet, macht sie mir sichtbar, dass ich auch ein Teil davon bin: dass es nirgendwo etwas gibt, worauf ich bauen kann, nichts, was ich als »ich« und »mein« bezeichnen könnte.

Auszüge aus „Buddhismus für Ungläubige“ von Stephen Batchelor

Einfach genügsam

Das Streben nach Macht, Reichtum, Ruhm oder sinnlichem Vergnügen macht das Leben sehr kompliziert und geht fast immer auf Kosten anderer. Frieden finden hat viel mit Einfachheit zu tun. Wenn der Geist zu verworren, zu komplex ist, zu viel Strategie bewältigen muss, haben wir kaum eine Chance für Frieden. Frieden und Liebe sind ganz einfache Dinge. Wir sind immer wieder verblüfft, wenn wir irgendwo auf der Welt einem schlichten Menschen begegnen und sogleich spüren: Hier ist gelebte Liebe. Du bist willkommen, du wirst bewirtet, bekommst ein Bett, es ist alles ganz unkompliziert.

Buddhas Botschaft lautet: Setzt euer Verstehen ins alltägliche Leben um! Lernt, mit offenen Händen zu geben! Seid unkompliziert, richtet euch das Leben so ein, dass ihr nicht viele Kühe braucht, auf die ihr aufpassen müsst! Richtet euch ein Leben ein, das einfach von der Hand geht! Das ist die Botschaft der monastischen Lebensweise: wenig Besitz, aus alten Flicken gefertigte Kleidung, keine Haare, die wir täglich pflegen müssen, keine komplizierten Beziehungen.

Kein Frieden ohne Zufriedenheit

Das Streben nach Macht, Reichtum, Ruhm oder sinnlichem Vergnügen macht das Leben sehr kompliziert und geht fast immer auf Kosten anderer. Frieden finden hat viel mit Einfachheit zu tun. Wenn der Geist zu verworren, zu komplex ist, zu viel Strategie bewältigen muss, haben wir kaum eine Chance für Frieden. Frieden und Liebe sind ganz einfache Dinge. Wir sind immer wieder verblüfft, wenn wir irgendwo auf der Welt einem schlichten Menschen begegnen und sogleich spüren: Hier ist gelebte Liebe. Du bist willkommen, du wirst bewirtet, bekommst ein Bett, es ist alles ganz unkompliziert.

Buddhas Botschaft lautet: Setzt euer Verstehen ins alltägliche Leben um! Lernt, mit offenen Händen zu geben! Seid unkompliziert, richtet euch das Leben so ein, dass ihr nicht viele Kühe braucht, auf die ihr aufpassen müsst! Richtet euch ein Leben ein, das einfach von der Hand geht! Das ist die Botschaft der monastischen Lebensweise: wenig Besitz, aus alten Flicken gefertigte Kleidung, keine Haare, die wir täglich pflegen müssen, keine komplizierten Beziehungen.

Die meisten von uns befinden sich jedoch in komplexeren Lebenssituationen. Wir haben einen fordernden Beruf, der auch sehr interessant sein kann. Wir haben eine Familie oder leben in Partnerschaft mit all ihren Schönheiten und Komplikationen. Wir essen und trinken und brauchen ein Dach über dem Kopf – daran ist ja nichts schlecht. Leidvoll wird es dann, wenn wir krampfhaft versuchen, noch mehr zu erreichen und anzuhäufen oder gar vorwiegend auf Kosten anderer unsere Ansprüche auszuweiten, nicht nur um unsere eigene Existenz zu sichern, sondern um unsere Träume zu verwirklichen.

Leidvoll wird es, wenn wir von unserer Gier und unserer Aversion bestimmt werden. Da fangen all die immensen ethischen Probleme an. Wir sind ständig im Dilemma gefangen, dass wir leben wollen und uns immer auf Kosten anderer Lebensformen erhalten. Die Umsetzung unserer Einsichten beginnt da, wo Ethik nicht bloße Theorie bleibt, sondern zu gelebtem Mitgefühl wird. Die Lösung ist nicht im rein Äußeren, sondern grundsätzlich in unserer innersten Absicht zu finden. Diese Umsetzung ist ein lebenslanger Prozess und nicht selten ein Kampf gegen uralte Gewohnheiten. Wir können immer wieder von neuem schauen: Brauchen wir all das wirklich, wovon wir träumen, um glücklich zu sein.

Überall können wir uns in neue Abhängigkeiten und Kreisläufe verwickeln. Geht es tatsächlich nicht auch etwas einfacher? Wenn wir erst einmal unsere Grundbedürfnisse befriedigen können, brauchen wir nicht ständig neuen Wünschen nachzurennen, sondern könnten uns nun fragen, was denn wirklicher Luxus sei. Als der Buddha das Beispiel mit den Kühen gab, machte er seine Mönche auf die Tatsache aufmerksam, dass eine der Schönheiten des monastischen Lebens darin besteht, Zeit zu haben für die Praxis.

Brauchen wir all das wirklich?

Die meisten von uns befinden sich jedoch in komplexeren Lebenssituationen. Wir haben einen fordernden Beruf, der auch sehr interessant sein kann. Wir haben eine Familie oder leben in Partnerschaft mit all ihren Schönheiten und Komplikationen. Wir essen und trinken und brauchen ein Dach über dem Kopf – daran ist ja nichts schlecht. Leidvoll wird es dann, wenn wir krampfhaft versuchen, noch mehr zu erreichen und anzuhäufen oder gar vorwiegend auf Kosten anderer unsere Ansprüche auszuweiten, nicht nur um unsere eigene Existenz zu sichern, sondern um unsere Träume zu verwirklichen.

Leidvoll wird es, wenn wir von unserer Gier und unserer Aversion bestimmt werden. Da fangen all die immensen ethischen Probleme an. Wir sind ständig im Dilemma gefangen, dass wir leben wollen und uns immer auf Kosten anderer Lebensformen erhalten. Die Umsetzung unserer Einsichten beginnt da, wo Ethik nicht bloße Theorie bleibt, sondern zu gelebtem Mitgefühl wird. Die Lösung ist nicht im rein Äußeren, sondern grundsätzlich in unserer innersten Absicht zu finden. Diese Umsetzung ist ein lebenslanger Prozess und nicht selten ein Kampf gegen uralte Gewohnheiten. Wir können immer wieder von neuem schauen: Brauchen wir all das wirklich, wovon wir träumen, um glücklich zu sein.

Überall können wir uns in neue Abhängigkeiten und Kreisläufe verwickeln. Geht es tatsächlich nicht auch etwas einfacher? Wenn wir erst einmal unsere Grundbedürfnisse befriedigen können, brauchen wir nicht ständig neuen Wünschen nachzurennen, sondern könnten uns nun fragen, was denn wirklicher Luxus sei. Als der Buddha das Beispiel mit den Kühen gab, machte er seine Mönche auf die Tatsache aufmerksam, dass eine der Schönheiten des monastischen Lebens darin besteht, Zeit zu haben für die Praxis.

Zen ist unfassbar

Mit unserer logischen Denkweise ist es vollkommen unmöglich, unser ursprüngliches wahres Wesen zu ergründen. Deshalb halten wir im Zen nichts von abstrakten Erklärungen und mühseligen Debatten. Alle Philosophien sind nur verstandesmäßige Spekulationen. In den Augen der alten Zenmeister waren alle buddhistischen Schriften nur wertloses Papier.

Zen zeichnet sich durch Unabhängigkeit aus und lässt sich nicht durch weitschweifige Erörterungen verstehen. Es ist stets von erfrischender Direktheit, ohne alles übliche Drum und Dran, und somit eine Sache der reinen Erfahrung. Zen will unsere Verhaftungen an Worte und unsere konditionierte Vorstellung von Körper, Geist und Welt zerstören, damit wir aus dem Traum von Geburt und Tod erwachen. Zen ist unfassbar, es erhebt sich über jede Logik des sogenannten gesunden Menschenverstandes und wendet sich unmittelbar an die Intuition des Menschen.

Deshalb bleibt es für denjenigen unverständlich und rätselhaft, der glaubt, Zen ausschließlich mit seinem Verstand erfassen zu können. Aber da wir Menschen in unserem blinden Vertrauen auf unseren Verstand alles mit dem Kopf machen wollen, haben wir uns den Zugang zur Erkenntnis jenseits aller Worte selbst verbaut. Hinter jeder Antwort, die wir mit den Mitteln des unterscheidenden begrifflichen Denkens gefunden haben, erhebt sich eine neue Frage.

Das Unterwegssein ist das Ziel

Und je mehr wir auf das Ziel zugehen, umso mehr entfernen wir uns von ihm. Deshalb hat Zen auch kein Ziel, sondern verfolgt nur eine Richtung: Denn im Zen ist der Weg, das Unterwegssein das Ziel. Auf dem Weg des Erwachens zu unserem wahren Selbst, geht es vor allem darum, dass wir uns von dem verselbständigten, unterscheidenden Denken befreien, dass wie dunkle Wolken unser wahres Wesen verhüllt. Wir könnten unser wahres Wesen sofort in diesem Augenblick erfahren, aber wir können es deshalb nicht, weil unser Bewusstsein nicht im Augenblick verweilen kann, weil unsere Gedanken ständig weiter wandern.

Wir neigen im allgemeinen dazu, scheinbar einleuchtende Fragen zu stellen und uns unwirrbar in diese zu verstricken. Solange wir uns nur auf unseren Verstand verlassen, haben wir keine Möglichkeit diesem Teufelskreis zu entrinnen. Deshalb heißt es im Zen: Lass alles hinter dir, wirf deine vorgefassten Anschauungen fort und erkenne die Dinge so, wie sie sind.

Man sollte wirklich alles hinter sich lassen, selbst die buddhistische Richtung, der man sich zugehörig fühlt. Man braucht für den Zen-Weg und die Meditation nichts Äusseres! Keinen Dojo, keine Buddha-Bilder, keine Räucherstäbchen, kein Sitzkissen, keine Mönchsrobe und keinen kahl geschorenen Kopf – dies ist alles nur Anhaftung und eine Hürde auf dem Weg. Dein Dojo ist genau da, wo Du gerade stehst, und Dein Meditationsplatz ist genau unter Deinen Füssen – lass Dein gesamtes Leben Meditation sein, bei jedem Schritt.

Es mag für Anfänger einen gewissen Reiz haben, seltsame ostasiatische Riten zu erleben, Weihrauch zu riechen und sich vor einer Buddha-Statue zu verbeugen – aber das hat Buddha alles nicht so gewollt und nicht dazu geraten! Buddha wollte keine Religion gründen; im Gegenteil, er betonte die Nutzlosigkeit religiöser und ritueller Übungen.

Vieles ist nur schöner Schein

Rituale, Kleidung, Klanginstrumente, die im Laufe der Geschichte in Zen-Klöstern des Fernen Ostens eingesetzt wurden, spielen heute bei uns im Westen noch eine wichtige Rolle und verdecken oft das Wesentliche. Manche Zen-Meister haben dies schon erkannt und als Dualität und Anhaftung entlarvt.

Tradition ist wertvoll, aber wenn versucht wird, die Tradition einer fremden japanischen oder buddhistischen Kultur in unsere westliche Kultur eins zu eins zu übernehmen, kann dies nur bedingt funktionieren. Die Umsicht des „mittleren Weges“ sollte auch hier gelten. Wir versuchen, den eigenen westlichen Wurzeln und den damit verbundenen Lehren treu zu bleiben und trotzdem die östliche Weisheit weiterzugeben.

Das, was wir bei unseren Meditationsabenden an Riten, Instrumenten und Funktionen übernommen haben, dient hauptsächlich der Orientierung und ist relativ stark reduziert. Aber wir müssen darauf achten, dass die Form nicht zum Selbstzweck wird und wir nicht die Anhaftung daran unterschätzen. Natürlich kann der äußere Rahmen „schön“ sein, vielleicht auch noch ein klein wenig hilfreich, aber die innere Einstellung und das innere Geschehen sind weitaus wichtiger.

 

Warum eine Sangha?

Wenn wir ernsthaft Meditation üben, merken wir mit der Zeit, dass wir uns auf eine Reise begeben haben, die viel Freude und Zufriedenheit, aber auch allerlei Schwierigkeiten mit sich bringen kann.

Unsere Inspiration unterliegt starken Schwankungen. Wir werden unseren oft sehr hoch gesteckten Idealen nicht gerecht, sehen immer klarer, wie sehr unser Leben durch oftmals wenig hilfreiche Gewohnheiten bestimmt wird. Und mit unserer Fähigkeit uns zu sammeln und dem Wunsch, immer öfter tiefe Einsichten in die Natur der Dinge zu erlangen, klappt es auch nicht so, wie vielleicht anfangs mal erhofft.

Schließlich müssen wir zugeben: Ohne Unterstützung kommen wir auf unserem Weg nicht weiter. Selbstverständlich können wir die von einem spirituellen Lehrer oder Meister erwarten. Doch der ist selten zur Stelle. Und entsprechende Seminare kosten Zeit und Geld.

Beistand kann aber auch in Form von Ratschlägen aus einer Sangha erfolgen. Das ist eine spirituelle Gemeinschaft, die sich im Laufe der Zeit von Menschen gebildet hat, die verbindlich einen spirituellen Weg mit anderen zusammen gehen und die dabei erlebten Freuden und Schwierigkeiten miteinander teilen wollen. Jede Gruppe von Menschen kann als Sangha praktizieren, als eine Gemeinschaft, die entschlossen ist, in Harmonie und Bewusstheit zu leben. Alles, was dafür nötig ist, ist, gemeinsam in Richtung Frieden, Freude und Freiheit zu gehen.

Hier finden wir vielleicht Menschen, die sich in unsere Situation versetzen können und die uns helfen, unsere Meditationspraxis zu verbessern oder die spirituellen Prinzipien in unserem Leben zu üben. Auf jeden Fall gibt es dort jemanden, der uns zuhört und ein wenig emotional unterstützt, der uns hilft, die Quelle unserer Inspiration wieder zu finden oder einen Tipp gibt, wie ein zwischenmenschlicher Konflikt gelöst werden kann.

Auch spirituelle Gemeinschaften bestehen meistens aus ganz normalen Leuten mit guten und weniger guten Eigenschaften. Neben all dem Guten und Inspirierenden begegnet man auch Schwächen, unachtsamem Verhalten und Problemen aller Art – kurz gesagt, dem Leben wie es jeder kennt. Gemeinsam profitieren wir von unseren Stärken und lernen von unseren Schwächen.

Eine Sangha ist durch die Praxis der Achtsamkeit, Konzentration und Einsicht verbunden und eröffnet daher nahezu unerschöpfliche Möglichkeiten, liebevolle Güte und Einfühlungsvermögen zu kultivieren und im Umgang mit anderen zu praktizieren. Eine Sangha ist so etwas wie eine spirituelle Familie, ein lebender Organismus. Sie ist kein Verein, dem man einfach beitreten kann.

Die Meditationsabende beginnen in der Regel mit einer Tee-Zeremonie, es folgen Enspannungsübung, ein Kurzvortrag über Zen und Meditationspraxis, eine geführte Achtsamkeitsmeditation, eine Meditation in Bewegung und eine Zen-Meditation in Stille. Abschließend gibt es Gelegenheit zum Gedankenaustausch.

Da viele die gemeinsame Praxis insbesondere auch zur Stärkung ihrer individuellen Praxis nutzen, richten sich die Themen, mit denen wir uns befassen, auch sehr nach dem, was uns gerade in unserem Leben beschäftigt. Unsere Gespräche stellen damit auch eine fortgesetzte Erkundung dessen dar, was es bedeutet, an unserem Platz in dieser Welt ein Leben in Achtsamkeit zu leben.

Sangha bedeutet auch ein besonderes Kraftfeld. Wir aktivieren diese Sangha-Energie durch das gemeinsame Meditieren, aber auch durch gemeinsame Unternehmungen und durch gemeinsamen Spaß. Wichtig für uns alle ist es auch, sich immer wieder folgende Frage zu stellen: „Was kann ich geben?“ Würde man, wie es häufig in unserer Welt geschieht, die Frage „Was kann ich bekommen?“ voranstellen, wären wir weit von einer positiven Entwicklung entfernt.

Die produktive und befreiende Frage nach dem eigenen Einsatz setzt freudvolle Energie frei. Die entspannte, absichtslose Aktivität macht uns zugleich offen und der natürliche Ausgleich von Geben und Nehmen im Geist und der Welt führt immer wieder dazu, dass wir mit Glück und Freude beschenkt werden.

Denn uneigennützige Arbeit für andere führt zum Aufbau sehr guter Eindrücke im eigenen Geist: Es ist das „Verdienst“, von dem Buddha im Zusammenhang mit positiven Handlungen spricht. Zugleich bedeutet es den Aufbau von Weisheit, weil wir in der völligen Konzentration auf die Arbeit und dem Verständnis, dass wir von den anderen letztlich nicht getrennt sind, Raum immer weniger als Trennung und immer mehr als etwas Verbindendes begreifen.

 

 

Leben im Hier und Jetzt

„Das Leben ist, was die ganze Zeit real stattfindet, während wir mit anderen Dingen beschäftigt sind“, hat John Lennon einmal treffend gesagt. Die meisten Menschen leiden, weil sie ihre Arbeit, Beziehungen, Verpflichtungen und ihre ganze Identität mit dem wirklichen Leben verwechseln.

Achtsamkeit spielt im Leben eine zentrale Rolle. Sie rückt den Moment, das Hier und Jetzt, in den Fokus. Meditation ist ein Weg der Achtsamkeit – hinein ins echte Leben. Sie ist die intensivste Methode, um unsere Innenwelt kennenzulernen. Wenn ich weiß, wie ich funktioniere, wenn ich die inneren Muster und Abläufe erfahre, dann kann ich bewusst Einfluss darauf nehmen. Bei der Meditation können wir nicht nur unseren Geist beobachten, sondern auch im Laufe der Zeit durch tiefere Einsichten ganz neue Seiten in uns entdecken – eventuell sogar unsere wahre Natur.

Achtsamkeit bedeutet die Fähigkeit, die Aufmerksamkeit ganz dem gegenwärtigen Moment zu widmen und dabei die innere und äußere Realität wahrzunehmen, ohne sie zu bewerten. Den meisten Menschen fällt es heute schwer, angesichts vielfältiger und permanenter Belastungen im täglichen Leben innerlich zur Ruhe zu kommen. Die Notwendigkeit, verschiedene Anforderungen gleichzeitig zu bewältigen, verstärkt den Druck. Vor lauter Pflichten, Aufgaben und Nöten geht der Blick für den gegenwärtigen Augenblick verloren. Warum geschehen so viele Unfälle in Beruf, Verkehr und Haushalt, Ungeschicklichkeiten, Missverständnisse in der Kommunikation untereinander?

Mit Achtsamkeit voll im Trend

Gleichzeitig wächst jedoch die Sehnsucht einmal inne zu halten, wieder zu Atem zu kommen und so neue Kraft zu schöpfen. Der Begriff ,,Achtsamkeit“ ist fast zum Modewort geworden. Aber, wer übt sie im Alltag? Die Fähigkeit, sich ganz auf die Gegenwart einzulassen, ist lernbar. Es geht dabei darum, für sich einen Weg zu finden, um mit den Belastungen im eigenen Leben, mit sich selbst und mit nahestehenden Menschen, achtsam und liebevoll umzugehen.

Dabei wollen wir mit Hilfe von Meditation lernen, uns immer mehr von Gedanken an die Vergangenheit und von Sorgen um die Zukunft zu lösen, um bewusst im Hier und Jetzt zu leben. In der Stille, im Abstand vom Getriebe des Alltags wollen wir uns einüben im achtsamen Wahrnehmen des Augenblicks.

Die Aufgabe ist, die Achtsamkeit und geistige Gegenwart beständig aufrechtzuerhalten. Deshalb wollen wir heute sehr wenig sprechen, um einander nicht zu stören und uns gegenseitig nicht abzulenken. Das Hauptwerkzeug, sich in Achtsamkeit zu üben, ist der Atem. Er bildet die Brücke zwischen Körper und Gedanken. Immer, wenn unser Geist zerstreut ist, sammelt man ihn wieder mit dem bewussten Atem. Dieses Verfahren hilft, die ungeteilte Aufmerksamkeit auf die Übungen und die tiefe Innenschau zu richten.

Die Achtsamkeit ist ein Werkzeug, um mehr Herrschaft über unsere körperlichen, geistigen oder seelischen Aspekte zu erlangen. Sie kann uns helfen, mit jeder Lebenssituation bewusst und intelligent umzugehen. „Achtsamkeit ermöglicht uns, jede Minute unseres Lebens ganz zu leben. Achtsamkeit schenkt uns Leben,“ sagt Zen-Meister Thich Nhat Than. – Achtsamkeit ist der Schlüssel zu Liebe und Frieden.

 

Die große Erfahrung

Die Wurzeln der Meditation reichen 2.500 Jahre zurück bis zum historischen Buddha in Indien. Sein Leben zeigt als ältestes Vorbild der Menschheitsgeschichte, wie man aus eigener Kraft zu Erleuchtung und Vollkommenheit gelangen kann. Buddha war auch der erste, der die ursprüngliche Meditationsform aus ihrer asketischen Einengung der Weltabkehr befreite und in eine praktische Übung für jeden zur Bewältigung seiner Lebensaufgabe umwandelte.

Die Meditation dient zur Vorbereitung dieser „Großen Erfahrung“, jener mystischen Wirklichkeit von Erleuchtung bzw. Wesensschau, die gemeinhin als Ziel der Meditationsübung angesehen wird. Ein solches Ziel darf es aber eigentlich im Sinne der Selbstlosigkeit gar nicht geben. Die „Erfahrung“ kann deshalb auch nicht herbeigeführt werden – und sei es durch noch so intensives Üben.

Man darf die Erleuchtung nicht suchen, nicht erwarten, nicht erhoffen, man kann sich höchstens von ihr finden und erfassen lassen. Wo diese Erfahrung in einem Menschen stattgefunden hat, da formt und prägt sie Ausdruck und Haltung, bis sie im Leben und Sein des Einzelnen vollkommen integriert und dann in seiner Erscheinung erkennbar ist, insbesondere für einen anderen Erfahrenen.

Wer sich mit Meditation beschäftigt, wird bald erkennen, dass es ihm eine vollkommen neue Perspektive auf sich und die Welt ermöglicht. Die Einsicht in das eigene Wesen, mit der im Idealfall die Einsicht ins Wesen aller Dinge verbunden ist, das ist es, was Meditation auch für viele Menschen hier im Westen so attraktiv und wertvoll macht, auch wenn sie nur bestimmte Bereiche in ihren Alltag integrieren können.

Das Geheimnis des Zen liegt in der Praxis der Meditation: In einer Haltung tiefer Konzentration einfach nur sitzen, ohne Ziel und ohne Streben nach Erleuchtung. Die Meditation führt nicht in die Isolation, sondern wirkt sich positiv auf Körper und Geist aus. Denn sie führt beide zurück zu ihrem ursprünglichen Zustand. Das ist der Weg zu unserer wahren Natur.