Zen-Ethik

Die Vier Edlen Wahrheiten

I. Was ist das Leid?
Alle Aspekte des Lebens – Geburt, Krankheit, Altern und Tod – sind leidvoll. Wir sind frustriert, weil die Welt nicht so ist, wie wir sie uns wünschen – sicher, beständig und berechenbar.

II. Was sind die Ursachen von Leid?
Leid entsteht durch Gier, Hass und Verblendung, d.h. durch Begehren und Anhaften an weltlichen Dingen, durch Angst, Abneigung und Zorn sowie durch Unwissenheit, Nicht-verstehen und Egoismus.

III. Wie kann das Leid überwunden werden?
Durch zunehmende Lebensweisheit erlöschen Begehren und Ablehnung sowie Anhaften und egoistische Neigungen.

IV. Auf welche Art und Weise kann dies erreicht werden?
Der folgende Edle Achtfache Pfad führt durch spirituelle Einsicht zum Verstehen der Wirklichkeit – so wie sie ist.

 

Der Edle Achtfache Pfad

1. Klare Erkenntnis
Wer die Lehre von den Vier Edlen Wahrheiten und von der Ich-Losigkeit des Daseins vollkommen verstanden hat, der wird vom Vertrauen in die Buddha-Lehre erfasst. Die klare Erkenntnis der Zusammenhänge zwischen Leerheit (Substanzlosigkeit) und Vergänglichkeit (dem ständigen Wandel) führt letztendlich zur Befreiung vom Leid.

2. Fester Entschluss
Die angestrebte friedfertige und vertrauensvolle Gesinnung führt zu mehr Verständnis und Mitgefühl gegenüber allen Lebewesen. Der sogenannte „Affengeist“ wird beruhigt. Dem Geschehen im Hier und Jetzt wird mehr Bedeutung beigemessen und die Ich-Bezogenheit überprüft. Daraus erwächst die Bereitschaft zu selbst-losem Verzicht und alles Anhaften, was Leid erzeugen kann, aufzulösen

3. Achtsame Kommunikation
Die beste Voraussetzung für eine gute Kommunikation wird durch aufmerksames Zuhören geschaffen. Das lenkt Gedanken und Äußerungen in eine heilsame Richtung. Somit kann das Aufkeimen von Rechthaberei, verletzender Rede, übler Nachrede, Lüge und gedankenloser Schwatz-haftigkeit frühzeitig erspürt und vermieden werden.

4. Rechtes Handeln
Wer sich um Verständnis und Mitgefühl bemüht und in gewaltfreier Kommunikation übt, dessen Verhalten und Taten werden sich zum Guten wenden. Das Quälen oder Töten anderer Wesen sowie Verstöße gegen Sitte und Moral werden nicht mehr geschehen.

5. Angemessener Lebenserwerb
Fürsorge für alle Mitwesen tritt an die Stelle von rück-sichtslosem, egoistischem Streben. Es werden keine Tätig-keiten ausgeübt, die Lebewesen oder Umwelt schaden, wie z.B. Menschen-, Waffen- und Drogenhandel, Massentierhaltung und -schlachtung, Diebstahl und Korruption.

6. Echte Anstrengung
Echtes Bemühen bedeutet, dass wir immer unser Bestes geben und mit Dauerkraft zum Besten für andere und uns selbst arbeiten. Auch wenn das Meditieren anfangs noch sehr beschwerlich ist und zum Üben oft die Zeit fehlt, geben wir so leicht nicht auf.

7. Rechte Achtsamkeit
Aufmerksam werden die Vorgänge im Körper beobachtet, wird den Gefühlen und Willensregungen nachgespürt, werden die Gedanken betrachtet, wie sie in endloser Schar aufsteigen und verschwinden, wird die Welt der Wesen und Dinge in ihrem Entstehen und Vergehen begleitet. Wer die Vergänglichkeit und die Leerheit klar erkannt hat, der wird frei.

8. Vollkommene Sammlung
Nach völligem Durchdringen des eigenen Wesens und nach Klärung von Gedanken, Gefühlen, Sprache, Taten sowie angemessener Lebensführung und rechter Acht-samkeit wird die vollkommene Sammlung des Geistes durch fortschreitende Vertiefungen in der Meditation ihren Höhepunkt im Satori (Erleuchtungserlebnis) finden. In einem unerschütterlichen Versenkungszustand, wo Worte nichts mehr beschreiben können, kommen wir durch die Große Erfahrung in Kontakt mit der ursprünglichen Klarheit unserer Wahren Natur.